Freitag, 29. März 2024

Archiv

Naomi Klein: "Die Entscheidung"
Fakten für Klimakrieger

Wer sich einmal mit Globalisierungskritik beschäftigt hat, kennt sie: Naomi Klein, eine kanadische Journalistin, die mit ihren detailreichen Recherchen der Bewegung viele Argumente geliefert hat. Jetzt hat sie sich dem Klimawandel zugewandt - in einem Sachbuch nicht nur für Aktivisten.

Von Katrin Zöfel | 27.08.2015
    Die Autorin und Aktivistin Naomi Klein auf der Lit.Cologne
    Die Autorin und Aktivistin Naomi Klein (imago / Horst Galuschka)
    "Ich habe den Klimawandel länger geleugnet als mir lieb ist. Natürlich habe ich gewusst, dass es ihn gibt. Aber ich befasste mich nicht mit den Details. Das wissenschaftliche Drumherum war mir zu kompliziert."
    Zu kompliziert, die Ausrede zog irgendwann nicht mehr. Naomi Klein begann zu recherchieren und versuchte nebenbei auch die Frage zu beantworten, warum so viele kluge Menschen - genau wie sie selbst - so lange so wenig taten. Ihre Schlussfolgerung: Wer den Klimawandel verhindern will, muss unser Wirtschaftsmodell radikal infrage stellen. Ein Wandel also, der ans Eingemachte geht, den die Autorin aber für dringend notwendig hält.
    "Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass der Klimaschutz ein Katalysator für diesen Wandel sein könnte."
    Naomi Klein ist viel gereist, hat mit lokalen Aktivisten gesprochen, die sich überall dort quer stellen, wo Kohle gefördert, nach Öl und Gas gebohrt oder eine neue Pipeline gebaut werden soll.
    "Was diese zunehmend vernetzten Widerstandsnester verbindet, ist die schiere Gier der Bergbau- und Fossilkonzerne. Bei ihrer Suche nach begehrten Rohstoffen und hochriskanten 'unkonventionellen' Energieträgern stoßen diese unerbittlich in immer neue Gebiete vor, ohne Rücksicht auf die Folgen für die lokale Ökologie."
    Besonders häufig trifft Naomi Klein auf Ureinwohner, die ihre Landrechte verteidigen, aber auch auf Bauern und Familienväter, die um das Grundwasser ihrer Region fürchten. Die Erfolge dieser Kämpfer feiert die Autorin, denn dass fossiler Kohlenstoff dem Klima zuliebe im Boden bleiben muss, ist in ihren Augen eine Tatsache.
    "[...] die Öl-, Gas- und Kohlevorkommen, auf die die Unternehmen bereits Anspruch erheben, entsprechen 2795 Gigatonnen Kohlenstoff. Das ist [äußerst] problematisch, weil wir in etwa wissen, wie viel Kohlestoff wir von heute bis zum Jahr 2050 verbrennen dürfen, wollen wie die Erwärmung unter 2 Grad Celsius halten."
    Naomi Klein nennt die Zahl: 565 Gigatonnen Kohlenstoff, nur ein Fünftel dessen, was schon zur Förderung vorgesehen ist. Mit anderen Worten: Wer Klimaschutz ernst meint, muss den Konzernen ans Leder. Die Alternative, schreibt Klein, sei nicht länger tragbar:
    "Der Klimawandel schafft eine neue 'Abnormalität', ganz gleich wo wir leben."
    Die Autorin zitiert die relevanten Studien, lässt Wortführer aus Wissenschaft und Aktivistenszene zu Wort kommen und spricht selbst mit Klimawandelleugnern und den Fans des Geoengineering. Das alles ergänzt sie mit Ausflügen in die Geschichte. Sie zieht Parallelen zur Umweltschutzbewegung der 1970er-Jahre, aber auch, und das ist fast noch erhellender, zu den Bürgerrechtsbewegungen in den USA und zur Abkehr vom Sklavenhandel.
    Zielgruppe: Ein Handbuch voller Fakten und Details - nicht nur für Aktivisten, auch für alle anderen, die wissen wollen, wohin die Klimadebatte führen könnte.
    Erkenntnisgewinn: Wir müssen uns jetzt entscheiden, und der Wandel fordert Mut. Doch: Wenn der Mensch eins beherrscht, dann die Eroberung unbekannten Terrains.
    Spaßfaktor: Naomi Klein verschweigt nicht, dass sie manchmal verzweifeln könnte. Wer das von sich kennt, sollte dieses Buch lesen, es macht Lust auf Veränderung.
    Naomi Klein: "Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima"
    S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 704 Seiten, 26,99 Euro