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Nasa-Raumschiff ohne Bodenkontakt

Raumfahrt. - Die Tage der US-Raumfähren sind gezählt. Voraussichtlich im Juni gibt es ihren letzten Start. Dann hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa keine eigenen Vehikel mehr, um in die Umlaufbahn zu gelangen. Dafür entwickelt man Raumschiffe, die von dort erst starten und den Mond, den Mars oder sogar Asteroiden erreichen können.

Von Guido Meyer | 15.04.2011
    Ein Jahr nach seinem Amtsantritt hatte US-Präsident Barack Obama die Weltraumpläne seines Vorgängers George W. Bush und damit eine Rückkehr zum Mond zu den Akten gelegt. Stattdessen soll die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa nun ein komplett neues Raumschiff entwickeln, mit dem Astronauten den Anziehungsbereich der Erde hinter sich lassen können.

    "Zu Beginn des nächsten Jahrzehnts werden neue bemannte Raumschiffe unsere Astronauten zu Zielen jenseits des Erdorbits tragen können. 2025 wollen wir erstmals Menschen auf einem Asteroiden landen lassen, fünf Jahre später den Mars umkreisen und danach aufbrechen zur ersten bemannten Landung auf dem Mars. Und ich gehe davon aus, dass ich das noch erleben werden."

    Ein Jahr ist vergangen, seit Obama der Nasa diese neuen Vorgaben gemacht hat. Ein Jahr, in dem ein Team am Johnson Space Center in Houston ein Konzept für ein solches vielseitiges Raumschiff entwickelt hat. Nautilus-X nennt sich dieses Space Exploration Vehicle, kurz SEV. Nur wenige Menschen werden es jemals zu sehen bekommen, denn anders als die Space Shuttles soll es nicht als Ganzes von der Erde ins All starten, sondern in der Umlaufbahn aus diversen Bauteilen zusammengesetzt werden.

    "Wir brauchen für künftige Missionen keine aerodynamischen Kapseln vom Typ Apollo oder Orion. Denn dieses neuartige Vehikel wird niemals in die Erdatmosphäre eintreten, um zu landen."

    Mark Holderman ist einer der Konstrukteure von Nautilus-X, benannt nach dem U-Boot von Kapitän Nemo aus Jules Vernes‘ Roman 20 000 Meilen unter dem Meer. Im Gegensatz zum stromlinienförmigen U-Boot hat das Raumschiff ein extrem unförmiges Design und erinnert äußerlich eher an unbemannte Raumsonden mit seinen abstehenden Solarpanelen, Antennen, Radiatoren, Tanks und Satellitenschüsseln. Holderman:

    "Wir legen uns nicht auf eine Antriebsart für dieses Raumschiff fest. Stattdessen soll der Antrieb missionsspezifisch sein – vielleicht einmal chemisch, also mit herkömmlichen Raketentriebwerken ausgestattet, ein andermal mit elektrischen Ionentriebwerken. Außerdem soll Nautilus über die Fähigkeit verfügen, im All aufzutanken, indem es mögliche Treibstoffdepots in der Mond-Umlaufbahn oder an bestimmten Punkten zwischen Erde und Mond anfliegt."

    Vom Bau bis zum Betanken also wird Nautilus-X nur im schwerelosen Weltraum eingesetzt und selbst niemals irgendwo landen. Das sollen spezielle Landefähren übernehmen, die das Schiff mit sich führt. Zwecks möglicher internationaler Kooperation soll das Gefährt über einen Andockstutzen verfügen, an dem alle derzeitigen und künftigen Raumschiffe weltweit festmachen können, zum Beispiel auch Europas Automatisches Transfer-Vehikel. Das ATV versorgt derzeit die Internationale Raumstation (ISS) mit Nachschub, könnte diesen aber auch zu Nautilus-X befördern.

    "Wir wollen uns aufblasbarer Module bedienen, die – einmal im All entfaltet - der Mannschaft wesentlich mehr Wohnraum bieten können als die hartschaligen Labore der ISS. Die Astronauten werden auch nicht zu Reparaturarbeiten in den offenen Weltraum aussteigen müssen, da die gesamte Technik und Hardware von innen zugänglich sein soll. Bei entsprechendem Volumen ist das machbar."

    Auch für künstliche Schwerkraft an Bord will die Nasa sorgen. Andernfalls verlören die Astronauten auf mehrjährigen Missionen zum Mars zu viel Muskeln und Knochenmasse. Also soll erstmals eine Zentrifuge Teil eines Raumschiffs werden. 15 Meter im Durchmesser soll sie messen, sich sechsmal in der Minute drehen und so künstliche Gravitation erzeugen. Die Entwicklung des gesamten Nautilus-Raumschiffes soll fast vier Milliarden Dollar kosten; der Transport der einzelnen Elemente ins All und der Zusammenbau fünf Jahre dauern. Wird das Konzept weiterhin finanziert, könnte 2015 mit dem Bau begonnen werden.

    Hinweis: Zum bevorstehenden Ende der Space-Shuttle-Ära sendet der Deutschlandfunk am Sonntag, 17.04.11, 16:30 Uhr, in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Mit Flügeln ins All. Das schwere Erbe der Space Shuttles.