Donnerstag, 25. April 2024

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Nationalsozialismus
Propaganda machte auch vor Museen nicht halt

Propagandafilme, mit denen die Berliner Museen zwischen 1934 und 39 für sich warben, galten lange Zeit als verschollen. Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy konnte rund zehn Filme wiederfinden und analysieren. "Man hat versucht, bestimmte Kunstwerke zum nationalen Heiligtum zu stilisieren", sagte Savoy im DLF.

Bénédicte Savoy im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 13.12.2014
    Ein Sirenen-Aquamanile (um 1230) und ein Löwen-Aquamanile im Bode-Museum in Berlin
    Auch aus dem Welfenschatz machte die Propaganda ein nationales Heiligtum (picture alliance / dpa / Stephanie Pilick)
    Stefan Koldehoff: "Vom Faustkeil zur Handgranate" heißt ein Buch, das gerade im Böhlau-Verlag erschienen ist und in dem die in Berlin an der TU lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy ein vergessenes Kapitel der deutschen Museumsgeschichte dem Vergessen entreißt. Es geht um Propagandafilme, mit denen die Berliner Museen zwischen 1934 und 39 für sich werben wollten, mit denen aber auch mehr oder weniger deutlich gemacht werden sollte, dass Vieles, was dort an Zeugnissen der Geschichte zu sehen war und ist, auch irgendwie die nationalsozialistische Ideologie von der deutschen Überlegenheit bestätige. Diese Filme galten als verschollen. Bénédicte Savoy hat sie nun wiedergefunden und ausgewertet. Frau Professor Savoy: Wie kam es dazu? Woher wussten Sie überhaupt, dass es diese Filme doch noch irgendwo geben müsste?
    Bénédicte Savoy: Dass es die geben müsste, wusste ich gar nicht. Die Initialzündung kam durch eine Anfrage zu einer Tagung über den Blick des Auslands auf die Berliner Museen während der Nazi-Zeit, und ich habe leichtfertigerweise zugesagt, stellte dann fest: Schriftliche Stimmen zu dem Thema gibt es kaum, finde ich nicht, ich muss andere Medien suchen. Und dann fiel mir ein, dass die 30er-Jahre doch gerade in Deutschland die großen Jahres des Filmes waren, und dann hatte ich Glück.
    Koldehoff: Und dann fand man irgendwann eine Anzeige oder einen kleinen Bericht über eine Aufführung im Herbst 1934 im Atrium in Berlin und recherchierte weiter und traf auf Hans Cürlis vom Filminstitut in Berlin damals zu jener Zeit, und der antwortete - auch das ein Fundstück von Ihnen - nach dem Krieg, als er gefragt wurde, wo denn die Filme, die er möglicherweise mal gemacht hat, seien: "Bei uns ist keine Kopie mehr vorhanden, die Negative mussten wir gegen Ende des Krieges abliefern. Wahrscheinlich sind sie auch vernichtet, wenn nicht möglicherweise in Ostberlin noch Kopien existieren." - Ist dann eigentlich klassisch das Ende der Recherche. War es aber für Sie nicht?
    Savoy: Nein. Das war für mich Gott sei Dank der Anfang, denn dieser Brief lag in einem großen Konvolut von weiteren Briefen von diesem Regisseur Hans Cürlis mit der Generaldirektion der Berliner Museen. Und es trifft sich, dass aktuell momentan diese Archive der Generaldirektion der Museen eigentlich als verschollen gelten oder zerstört sind. Das heißt, das was man in den Museen heute nicht weiß, nicht rekonstruieren kann mit den eigenen Archiven, das konnte ich plötzlich mit dem Nachlass eines Regisseurs rekonstruieren.
    Koldehoff: Und jetzt müssen wir natürlich die spannende Frage auflösen: Existieren die Filme noch, oder kann man nur was über diese Filme sagen, existieren nur Drehbücher, Beschreibungen, Korrespondenzen?
    Savoy: Von etwa 30 Filmen, die ich da rekonstruieren konnte oder nennen kann, sind etwa ein Drittel überliefert im Bundesfilmarchiv in Berlin, und viele sind verschollen oder werden sich später wieder finden lassen.
    "Kunstwerke zum nationalen Heiligtum stilisieren"
    Koldehoff: Was sind das für Filme? Was haben die Nationalsozialisten mit filmischen Mitteln und mit Hilfe der Berliner Museen versucht?
    Savoy: Es gab schon damals in der Weimarer Republik die Idee, dass Museen nicht nur vor Ort erlebbar sein müssen, sondern mit Mitteln wie Rundfunk oder Grammophon auch oder mit dem Film, dass man das auch in die entlegenen Gegenden für das Volk transportieren könnte. Das haben die Kulturpolitiker der Weimarer Republik im Sinne des Museums als Volksbildungsstätte sehr demokratisch gemeint; die Nazis haben es anders gedreht: Sie haben es durchgeführt, gemacht, aber in einem Sinne, um die Massen, wie sie sagen, in die Museen zu holen, und vor allem, um eine gewisse Gleichschaltung des Publikums zu erreichen.
    Koldehoff: Wodurch das, durch eine bestimmte Interpretation dessen, was da in den Museen gezeigt wird?
    Savoy: Eine Strategie ist auf jeden Fall, Kunstwerke zu fokussieren aus den Museen, die als nationales Kunsthandwerk oder als nationales Heiligtum gelten können oder dazu gemacht wurden, wie zum Beispiel der Welfenschatz, der gerade damals, wie es hieß, zurückgeholt worden war aus dem feindlichen Ausland.
    Koldehoff: Ihr Buch heißt "Vom Faustkeil zur Handgranate". Das ist keine Erfindung, das ist ein Zitat.
    Savoy: So heißt einer der Filme. Der funktioniert ganz anders als welche, die zum Beispiel nur ein Kunstwerk fokussieren oder eine Gruppe. Er ist ein Rundgang durch die staatlichen Museen zu Berlin, und zwar mit dem Thema "Die Handwaffe". Es fängt im Museum für Vor- und Frühgeschichte an, geht über Waffen der anderen ethnologischen Sammlungen und endet mit dokumentarischen Aufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg. Die These oder der Diskurs dabei ist, dass die Waffe immer die schönste und beste Freundin des Menschen war.
    Koldehoff: Für uns ist das heute ein ganz offensichtlicher Versuch einer Manipulation oder einer Hinwendung auf bestimmte Themen und bestimmte Entwicklungen. Ist das damals wohl so bewusst gewesen, dass da manipuliert wird?
    Savoy: Ob das klar war, weiß ich nicht, aber was für uns jetzt heute klar wird ist, dass jede Werbung, Bewerbung der Museen immer eine politische Aussage mit sich trägt.
    Koldehoff: Ihr Buch ist jetzt gerade bei Böhlau erschienen. Was ist mit den Filmen selbst? Sollten, werden die auch irgendwann wieder allgemein zugänglich sein, als DVD-Edition zum Beispiel?
    Savoy: Filme aus den 30er-Jahren unterliegen in vielen Fällen noch komplizierten Urheberrechten. Also weiß ich nicht, was aus denen passieren wird. Aber eine Vorführung ausgewählter Filme planen wir im Zeughauskino im Februar.
    Koldehoff: Na dann. - Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy über die wiederentdeckten NS-Propagandafilme der Berliner Museen. Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.