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Nationalstolz-Kampagne in Österreich
Der zwiespältige Bezug zur Heimat

Zuspruch einerseits, Entrüstung über Nationalismus andererseits erfährt eine Kampagne der österreichischen Regierung. Außenminister Sebastian Kurz hat Bürger, Prominente und Zuwanderer aufgerufen, ihren Stolz auf Österreich im Netz und im Rundfunk zu beschreiben. Für Empörung sorgt der Sänger Andreas Gabalier.

Von Ralph Borchard | 13.11.2014
    Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz
    Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hat die Kampagne "Stolz drauf" initiiert. (picture alliance / dpa / Daniel Naupold)
    Im Internet ist ein Sturm losgebrochen in Österreich, ein Sturm der Unterstützung hier, ein Sturm der Entrüstung dort. Unter dem Motto "Stolz drauf" hat die Regierung speziell Zuwanderer, aber auch die breite Bevölkerungsmehrheit aufgerufen, zu sagen, was Österreich für sie ausmacht. Einer der Fernseh- und Radiospots klingt so:
    "In meiner Heimat Österreich respektieren wir andere Menschen und ihre Religion. Das ist nicht überall selbstverständlich. Und darauf bin ich stolz."
    Initiator der Kampagne ist der 28-jährige Außenminister Sebastian Kurz, zuständig auch für das Thema Integration:
    "Ja, es gibt ein Thema, das wir behandeln müssen, nämlich das Thema, dass es in Österreich sehr viele Zuwanderer gibt, die sich noch nicht zugehörig und noch nicht heimisch fühlen, und auf der anderen Seite gibt es auch viele Zuwanderer, denen es gar nicht leicht gemacht wird, sich heimisch zu fühlen, weil wir zu wenig Willkommenskultur haben und weil wir noch immer Personen der Mehrheitsbevölkerung haben, die das Gefühl vermitteln, man kann ja nur in Österreich heimisch sein, wenn die Eltern aus Österreich sind, wenn man römisch-katholisch ist und wenn man seit Generationen hier lebt. Und das gilt's einfach aufzubrechen."
    Kurz hat auch Prominente wie den Sänger Andreas Gabalier aufgefordert, sich an der Aktion zu beteiligen. Der hatte jüngst Schlagzeilen gemacht, weil er sich weigerte, den neuen Text der Nationalhymne zu übernehmen, in dem statt nur von männlichen Österreichern nun von Töchtern und Söhnen die Rede ist. Gabalier bleibt bei der alten Fassung: Zur Stolz-drauf-Kampagne postete Gabalier nun um Internet, er hoffe dass viele "Dirndln" und "Buam" im Land noch lange im Trachtengewand außer Haus gehen. Sebastian Kurz meint:
    "Der Andreas Gabalier ist genauso ein Österreicher, der auf etwas anderes stolz ist wie zum Beispiel der Bundespräsident. Der Bundespräsident hat gepostet, dass er drauf stolz ist, dass die Österreicher spendenfreudig sind. Ich bin da jetzt näher beim Bundespräsidenten. Aber es gibt Gott sei Dank die breite Masse, die mitmacht, die das unterstützt. Wir haben allein auf Facebook 300.000 Personen erreicht."
    Zu den Stimmen, die die ganze Kampagne für verfehlt halten, gehört der Schriftsteller Robert Menasse. Er sagt:
    "Diese Kampagne fordert einen Stolz auf etwas ein, wofür ich nichts kann - nämlich dass ich zufällig in Österreich auf die Welt gekommen bin, zufällig einen österreichischen Pass habe, und dass es zufällig Berge und Seen in Österreich gibt. Das ist der vollkommen verkehrte Weg und das ist eine Beförderung von Nationalismus, und das ist genau das, was wir nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts überwinden müssen und nicht befördern."
    Nationalstolz ist auch deshalb ein heikles Thema in Österreich, weil die rechtspopulistische FPÖ kontinuierlich mit dem Thema auf Stimmenfang geht und so Wahlergebnisse von deutlich über 20 Prozent erzielt. Kürzlich bezeichnete der FPÖ-Abgeordnete Christian Hobärt Asylbewerber als "Erd- und Höhlenmenschen". Es hagelte zunächst Rücktrittsforderungen, doch am Ende passierte - nichts. Höbart sitzt weiter im Parlament. Die in der Türkei geborene Grünen-Abgeordnete Berivan Aslan fasst alles in dem Satz zusammen: "Wenn Gabalier integriert ist, bin ich stolz drauf, Höhlenmensch zu sein." Auch dieser Satz dürfte den Sturm der Entrüstung im Internet weiter anfachen.