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Nationalstraße 7 - Etappe 2
Die Sozialisten in der Klemme

Die Sozialistische Partei Frankreichs ist zerrissen. Im Großen, in Paris, aber auch im Kleinen, in der Stadt Moulins. Lagerdenken und ein nicht vorhandener Wille zum Kompromiss - die Menschen haben genug von ihrer Partei. Viele wandern ab zum unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron. Doch es gibt auch noch hoffnungsvolle Sozialisten.

Von Anne Raith und Andreas Noll | 28.03.2017
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    Chloé Jara ist Sozialistin aus Überzeugung. Doch Wahlkampf für die Partei zu machen, ist derzeit ziemlich mühsam. (Andreas Noll)
    Seit dem frühen Morgen regnet es. Der Himmel ist grau, die Wolken hängen schwer über Moulins. Das Wetter ist, man kann es nicht anders sagen: mies.
    Und die Stimmung bei den Sozialisten ist auch nicht besser. Wahlkampf für den Parti Socialiste zu machen, ist nach fünf Jahren an der Regierung ziemlich mühsam, erzählt Chloé Jara etwas zerknirscht im Wahlkampfbüro im Zentrum der Kleinstadt, neben ihr ein Tisch mit Saft und Gebäck.
    "Den Menschen ist es wichtig, Geld für die Miete und zum Leben zu haben, dass sie also Arbeit haben oder entsprechende Hilfen bekommen. Enttäuscht sind die Leute nicht über das, was die Regierung von Präsident Hollande gemacht hat, sondern das, was sie nicht gemacht hat."
    Und jetzt sollen sie mit einem Mann in den Präsidentenwahlkampf ziehen, dem es an allen Ecken und Enden an Unterstützung mangelt. Mit Benoît Hamon, dem ehemaligen Bildungsminister der Regierung Hollande, der von einem Plakat an der Wand hinter Chloé Jara lächelt. Die 29-Jährige steht voll hinter Hamon, aber der Kandidat, der von der Basis bestimmt wurde, ist bei führenden Parteikadern umstritten. Vielen ist sein Kurs zu links. Jara hingegen gefällt seine klare Haltung, etwa zum bedingungslosen Grundeinkommen. Sie versucht, es positiv zu sehen:
    "Die Linke ist groß. Das ist gut, die Demokratie ist für alle da."
    Der sozialistische Kandidat hat in den Umfragen keine Chance
    Das Ergebnis aber ist für die Partei verheerend: Keine Umfrage gibt Hamon derzeit auch nur den Hauch einer Chance, in die Stichwahl einzuziehen. Ganz links verliert Benoît Hamon Wähler an den Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon und Richtung Mitte wandern viele, auch viele prominente Parteimitglieder, zu Emmanuel Macron ab, dem ehemaligen Wirtschaftsminister der sozialistischen Regierung, der jetzt als unabhängiger Kandidat antritt.
    Die Sozialistische Partei ist zerrissen. Im Großen, in Paris, aber auch im Kleinen, hier in Moulins. Wenn man sich im Büro umschaut, fällt auf, dass das Parteilogo nur auf dem Plakat von Hamon zu sehen ist. Auch die Rose, das Symbol der Partei, fehlt.
    Der Grund dafür sitzt bei Quiche Lorraine und Salatbeilage in der Brasserie "Le Commerce" und heißt Jean Mallot. Der 64-Jährige wollte für die Partei in Moulins bei den Parlamentswahlen antreten, die nur wenige Wochen nach der Präsidentenkür stattfinden.
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    Die sozialistische Parteiführung hat ihm eine junge Politikerin aus Paris vorgezogen. Jetzt macht Jean Mallot (64) Wahlkampf auf eigene Faust. (Andreas Noll)
    "Als ich im vergangenen September die Zeitung aufschlage, erfahre ich, dass meine Partei eine junge Frau aus Paris in meinem Wahlkreis kandidieren lassen will. Die haben das einfach durchgesetzt. Bumm. Ich habe aber überhaupt keinen Grund gesehen, meine Kandidatur zurückzuziehen."
    Also kandidiert er trotzdem, gemeinsam mit Chloé Jara. Was dazu geführt hat, dass der Schnauzbartträger aus der Partei ausgeschlossen wurde und nun auf eigene Faust Wahlkampf macht. Natürlich glaubt der politisch erfahrene Mann, dass er gewinnen kann und wird:
    Viele Menschen in Moulins haben genug von der Politik
    "Die Leute erwarten, dass ein Abgeordneter in Paris und vor Ort aktiv ist und sie wissen, dass ich beides kann. Die Leute kennen mich und ich kenne sie."
    Und früher oder später, wird auch die Partei das einsehen, glaubt Jean Mallot.
    Es ist dieses Lagerdenken, dieser nicht vorhandene Wille zum Kompromiss, der dazu geführt hat, dass viele Menschen in Moulins genug haben von der Politik, so wie sie bisher gelaufen ist. Françoise Mercier-Rayet zum Beispiel. Sie hat ihr sozialistisches Parteibuch schon vor einer ganzen Weile zurückgegeben. Freiwillig. Weil sie findet:
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    Francoise Mercier-Rayet (rechts) ist von den Sozialisten enttäuscht und leitet ein Unterstützerkomitee für den parteiunabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron. (Andreas Noll)
    "Zwei Sachen müssen wir in Frankreich ändern: Das gesellschaftliche Klima muss sich beruhigen, wir müssen wieder verhandeln. Und wir haben zu hierarchische Strukturen, auch in der Politik. Wir benötigen jemand, dem wir vertrauen können."
    In die Sozialisten aber hat die 59jährige Anwältin ihr Vertrauen verloren. Sie verfolgt das Zerwürfnis zwischen Jean Mallot und der Partei mit Kopfschütteln. Ihre Hoffnungen setzt sie auf einen Mann, der ebenfalls einmal Mitstreiter der Sozialisten war und sich dann für einen Weg entschieden hat: Emmanuel Macron.
    "Seit Sarkozy und Hollande hat unser Image doch sehr gelitten. Macron ist kultiviert, kann sich ausdrücken, das ist für die Strahlkraft Frankreichs wichtig."
    Von Macron verspricht sich Françoise Mercier-Rayet viel. So viel, dass sie seit bald einem Jahr sein Unterstützer-Komitee in Moulins leitet.
    Video: Station 2 - Moulins: Rentner und Fillon-Unterstützer Patrick aus Moulins im Gespräch