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Native Advertising und Advertorials
Werbung getarnt als Artikel

Mit klassischer Werbung lässt sich online immer weniger Geld verdienen. Deshalb setzen viele Anbieter seit einigen Jahren auf eine ganz spezielle Werbeform: auf Advertorials, also Werbung, die nach redaktionellem Text aussieht. Eine Werbeform, die immer noch viele Fragen aufwirft und Verwirrung auslöst.

Von Christoph Sterz | 27.04.2021
    Eine Person liest auf einem Tablet einer Nachrichtenwebsite
    Nur jeder Vierte erkennt auf Webseiten den Unterschied zwischen redaktionellen Artikeln und Advertorials (Imago / Panthermedia)
    Bunte, blinkende Werbebanner erkennen die meisten von uns direkt als Werbung. Ganz anders ist das bei Anzeigen, die absichtlich nicht nach Werbung aussehen - beim Native Advertising. Diese Werbeform gibt es seit ein paar Jahren auf sehr vielen Seiten im Netz, zum Beispiel bei "RP Online", also der in Düsseldorf beheimateten "Rheinischen Post". Bei "RP Online" gibt es zum Beispiel einen langen Text über Urlaub im Hunsrück - aufgemacht wie ein normaler Artikel, mit Überschrift, Einleitungs-Text und professionellen Fotos. Aber eben auch oben rechts mit dem Wort "Anzeige". Und genau diese Kennzeichnung ist wichtig, meint Medienaufseherin Eva Flecken von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.

    "Ad" statt "Werbung", "Advertorial" statt "Anzeige"

    "Wir sagen auch immer, dass wir die gelernten Begriffe zum Beispiel von 'Werbung' oder 'Anzeige' begrüßen und befürworten und sprechen uns auch dafür aus, dass diese Begriffe genannt werden und weniger einfach nur 'Ad' oder 'Advertorial' oder ähnliches."
    Werbetafeln von eBay und anderen Unternehmen auf dem Times Square in New York.
    Unternehmen machen Medien - Mit Inhalten auf Kundenfang
    Immer mehr Unternehmen setzen auf journalistische Inhalte und Formate, um Kunden für ihre Produkte zu interessieren. Kritiker sehen darin jedoch eine Vermischung von Journalismus und Werbung.
    Der Begriff "Werbung" ist deshalb auch in der Begründung zum noch relativ neuen Medienstaatsvertrag festgeschrieben. Und auch der Deutsche Presserat hat in den letzten Jahren immer wieder Hinweise oder Rügen ausgesprochen, etwa weil über einem Text nur "Advertorial" stand oder das Wort "Anzeige" kaum zu lesen war. Dabei ist es für die Verlage auch aus eigenem Interesse wichtig, sauber zu bleiben - und nicht die eigene Glaubwürdigkeit zu verspielen, sagt Nicole Dreyer von RP Digital, einem Tochterunternehmen der "Rheinischen Post".

    Nur jede Vierte erkennt Advertorials als Werbung

    "Wir kennzeichnen die Bild-Text-Teaser zum Advertorial eben auch mit dem Wort 'Anzeige'. Wir haben auch eine andere farbliche Kennzeichnung bei der Dachzeile. Die ist orange anstelle von grau. Wir haben einen externen Dienstleister, der die Advertorial-Texte schreibt, und wir haben auch eine eigene Mannschaft, die die Advertorials im Content-Management-System baut. Das läuft auch nicht über die klassische normale Redaktion."
    Trotzdem ähneln auch die Werbe-Seiten bei "RP Online" durchaus den normalen Artikeln - was nun mal Sinn und Zweck von Native Advertising ist. Das kann aber dazu führen, dass viele Nutzerinnen und Nutzer gar nicht mehr unterscheiden können zwischen Journalismus und Werbung. Darauf weist zum Beispiel eine aktuelle Studie hin, in Auftrag gegeben unter anderem von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Nicht mal jede vierte Befragte erkannte demnach ein Advertorial als Werbung. Andere, ältere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen.
    Frederik Sprenger, Digitalverkaufs-Chef von RP Digital, sieht das aber nicht als Problem - solange die Werbe-Texte den Leserinnen und Lesern etwas bieten.

    Schwache Trennung von Werbung und Journalismus

    "Unsere Nutzer, wenn ich jetzt mal die 'RP Online'-Nutzer sehe, die haben sicherlich gelernt, dass es Advertorials gibt auf unserer Seite. Und die wissen auch, dass das, was die da anklicken, wenn die das natürlich interessiert, in der Regel einen Mehrwert bietet. Und gerade zu den Advertorials kriegen wir kein negatives Feedback, überhaupt nicht. Zu klassischen Werbeformen kann das mal sein, dass irgendwas stört und man sich bei uns meldet."
    Allerdings gibt es Verlage, bei denen die Trennung zwischen Werbung und Journalismus noch deutlich schwächer ausgeprägt ist. Bei "Focus Online" zum Beispiel gibt es sogenannte Shopping-Deals, bei denen einzelne Produkte ausführlich vorgestellt werden - ohne die Begriffe Anzeige oder Werbung oder eine grafische Kennzeichnung. Am Ende der Seite findet sich sogar eine Umfrage, ob man die Shopping-Deals als Werbung empfindet oder als "Service mit Mehrwert". Der hinter "Focus Online" stehende Burda-Verlag teilt auf Anfrage mit, dass prominent herausgestellt werde, dass "Focus Online" durch Provisionen beteiligt wird, wenn es zum Kauf eines vorgestellten Produkts kommt. Erlösformen jenseits der klassischen Werbe-Banner seien wichtig für Redaktionen, die ein hochwertiges Angebot ohne Bezahlschranke anbieten.
    "Inserat" steht groß auf einer zusammengerollten Zeitung, die auf einer Computer-Tastatur liegt. 
    Werbung der Zukunft - Auffällig unauffällig
    Vom Online-Banner über Pop-Ups und Tracking bis hin zum Native-Advertising – werden wir in Zukunft gar nicht mehr merken, wenn uns Werbung präsentiert wird?
    Ein anderes Beispiel findet sich auf "welt.de". Dort gibt es einen Artikel über eine Lotterie, mit der Überschrift "Mit diesem Online-Deal sparen Sie beim Tippen". Statt des eindeutigen Begriffs "Anzeige" ist dort aber nur "Kaufberatung" und "Advertorial" zu finden - obwohl der Axel-Springer-Verlag auf Anfrage mitteilt, dass die klare Kenntlichmachung als "Anzeige" verlagsintern eindeutig geregelt sei. "Jetzt.de" wiederum, der junge Ableger der "Süddeutschen Zeitung", schreibt "Sponsored Post" über Werbe-Texte, und nicht "Anzeige".

    Kaum Sanktionen für Verstöße

    Das wirft die Frage auf, wer solche mutmaßlichen Verstöße überhaupt unterbinden oder sogar sanktionieren könnte. Der Presserat kann zum Beispiel eine öffentliche Rüge aussprechen - ohne finanzielle Folgen. Und auch nur für Mitglieder, die diese Rüge freiwillig veröffentlichen - wenn überhaupt. Ob auch die Landesmedienanstalten einschreiten könnten, wegen des neuen Medienstaatsvertrags, ist noch eine offene Frage, sagt Eva Flecken von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg - weil es dazu bisher noch keine juristische Auseinandersetzung gegeben habe. Meist sei aber ohnehin schon ein Hinweis vonseiten der staatsfernen Medienaufseherinnen ausreichend.
    "Bislang ist auch unsere Erfahrung, übrigens nicht nur mit den großen professionellen Häusern, sondern auch vor allen Dingen mit Influencern, dass sie durchaus reagieren. Nicht selten ja auch deshalb, weil es große Werbekooperationen - das ist ja genau der Punkt - dahinter stehen, häufig auch über Agenturen abgewickelt. Und spätestens die sind ja sehr sensibel, auch bei dem Thema."
    Trotzdem gibt es diese Grenzüberschreitungen nach wie vor - weswegen spannend zu beobachten bleibt, wie sich Verlage und Medienaufseher in Zukunft zu diesem Thema verhalten.