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NATO-Einsatz gegen Schlepper
Das Geschäft der Schmuggler unmöglich machen

In der Flüchtlingskrise soll nun die NATO der Europäischen Union helfen. Der Einsatz muss zwar noch offiziell beschlossen werden, Widerstände dagegen scheint es aber nicht zu geben. Das gilt auch für die Verlegung von Truppen nach Osteuropa, wo die NATO ein deutliches Signal an Russland senden will.

Von Kai Küstner | 11.02.2016
    Flüchtlinge im Januar 2015 auf dem Mittelmeer
    Flüchtlinge im Januar 2015 auf dem Mittelmeer (dpa / picture-alliance / Opielok Offshore Carriers)
    Langsam aber sicher werden die Umrisse eines möglichen NATO-Einsatzes zur Schlepper-Bekämpfung erkennbar: Das Militär-Bündnis soll das Seegebiet zwischen der Türkei und Griechenland überwachen, wie aus deutschen Regierungskreisen verlautet. Und die gesammelten Informationen über Menschenschmuggler-Routen an die Küstenwache der beiden Länder weiterreichen. Es hatte sich bereits abgezeichnet, dass die NATO in erster Linie Aufklärungsaufgaben übernehmen würde. Und keineswegs dazu eingesetzt werden sollte, Flüchtlingsschlauchboote etwa abzudrängen. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte zum Auftakt des NATO-Treffens in Brüssel erklärt: "Ziel muss es sein, das perfide Geschäft der Schmuggler mit der illegalen Migration zu erschweren oder nicht unmöglich zu machen."
    Was die Marineschiffe betrifft, die zum Einsatz kommen könnten, so seien die im Notfall auch verpflichtet, Menschen aus Seenot zu retten, verlautet aus NATO-Kreisen. Es sei aber mit der Türkei abgesprochen, die Geretteten dann zurückzunehmen. Griechenland ist offenbar nicht nur bereit, den deutsch-türkischen Vorstoß stillschweigend zu dulden. Es beteiligt sich sogar an dem offiziellen Antrag, der nun bei der NATO gestellt wurde. Da alles möglichst schnell gehen soll, will das Bündnis noch heute über die Anfrage beraten. Ernsthafter Widerspruch war innerhalb der NATO bislang nicht laut geworden.
    "Wir verstehen alle die Sorgen, wir sehen die menschlichen Tragödien, wir kennen die Herausforderungen, die die Flüchtlingskrise mit sich bringt. Und die jetzt auch zu einer großen Aufgabe für Europa geworden ist. Wenn also die Türkei und andere Alliierte die Frage aufwerfen, was die NATO tun kann, um diese Krise zu managen, dann prüfen wird diese Anfrage sehr ernsthaft." So NATO-Generalsekretär Stoltenberg.
    Im östlichen Mittelmeer kreuzt bereits ein NATO-Flotten-Verband. Er wird von einem deutschen Schiff angeführt. Dieser Verband könnte die Aufgabe, der EU beim Schutz der Seegrenze zwischen der Türkei und Griechenland zu helfen, übernehmen. Beobachter warnen allerdings davor zu glauben, dass die NATO damit das Flüchtlingsproblem der Europäischen Union lösen könnte.
    Mehr Truppen nach Osteuropa
    Gestern hatte die Militär-Allianz außerdem beschlossen, ihre Truppen in Osteuropa deutlich aufzustocken: Das Ziel aus Sicht der NATO ist dabei klar – es lautet: Abschreckung. Russland soll gar nicht erst auf den Gedanken kommen, in Osteuropa Konflikte anzuzetteln oder diese Länder gar anzugreifen. So stark wie nie zuvor seit Ende des Kalten Krieges wird das Bündnis dann also in Ländern wie Polen, dem Baltikum, Bulgarien und Rumänien vertreten sein. Noch ist allerdings unklar, wie viele Truppen genau verlegt werden sollen. Was das Bündnis vermeiden will, ist gegen vertragliche Zusagen gegenüber Moskau zu verstoßen: In einem Abkommen hatte die NATO Russland versprochen, keine Truppen in nennenswerter Zahl und dauerhaft an seiner Grenze zu stationieren. Daher sollen sich nach dem Rotations-Prinzip die NATO-Staaten gegenseitig bei der Entsendung der Soldaten ablösen. Eine dauerhafte Verlegung von Kampftruppen, wie von Polen gewünscht, soll es nicht geben.
    NATO-Generalsekretär Stoltenberg sprach in Brüssel von einem "starken Signal": Ein Angriff auf ein Bündnis-Land werde als Angriff auf alle verstanden. Die NATO lässt keinen Zweifel daran, dass diese Botschaft in erster Linie an die Adresse Moskaus gerichtet ist. Kritiker warnen davor, dass Russland sich provoziert fühlen könnte. Und West und Ost sich erneut in einen Rüstungswettlauf hineinsteigern könnten. Stoltenberg versucht immer wieder zu beschwichtigen: man wolle nicht zurück in den Kalten Krieg.