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Nato-Manöver
"Politische Mittel noch nicht ausgeschöpft"

Russland müsse eine Tür offen stehen zur Rückkehr zu einem normalisierten Verhältnis zum Westen, sagte Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Gleichzeitig müsse der Druck auf Russland weiter hoch bleiben. "Denn nur Druck kann Russland dazu bringen, sein Verhalten zu ändern."

Omid Nouripour im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 04.09.2014
    Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen
    Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen (dpa / Hannibal Hanschke)
    "Russland ist in den letzten Monaten bei Druck zurückgeschreckt, wenn auch ohne sein Verhalten substanziell zu ändern", sagte Nouripour.
    Noch wichtiger sei es, der Ukraine eine Perspektive zu bieten, eines Tages EU-Mitglied zu werden. "Ohne dass ich sage, dass die Ukraine heute EU-fähig ist." Ein solcher Schritt würde eine Reaktion in Moskau auslösen. "Nur Druck kann Russland dazu bringen, sein Verhalten zu ändern." Die derzeitige Lage zeige, wie schlecht das Verhältnis geworden ist. Alle politischen Mittel seien jedoch noch nicht ausgeschöpft.
    Das Interview mit Omid Nouripour in voller Länge:

    Armbrüster: Herr Nouripour, wenn es um so eine Eingreiftruppe für Osteuropa geht, kann sich die Bundesregierung dann auf die Unterstützung der Grünen verlassen?
    Nouripour: Das hängt ganz vom politischen Konzept ab. Ich bin mit vielem, was General Naumann gerade gesagt hat, was die deutsche Gesellschaft und die Debatte betrifft, nicht einverstanden. Aber richtig ist, dass man natürlich die Ängste in Osteuropa extrem ernst nehmen muss. Richtig ist aber auch, dass man absolut klar machen muss, wenn man einen solchen Schritt geht, dass das eine Vorläufigkeit hat, die dann endet, wenn Russland tatsächlich eine andere Politik macht. Man muss immer wieder klar machen, dass Moskau die Tür offen steht, wieder zurückzukehren zu Völkerrecht, und dass das bedeuten würde, dass wir auch sofort bereit wären, zurückzukehren zur Normalität und zu einer Normalisierung der Beziehungen mit Moskau.
    Armbrüster: Das heißt, dann würden auch Sie als Grüne sagen, Leute, liebe Deutsche, ihr müsst euch damit abfinden, deutsche Soldaten tun jetzt Dienst auch in Osteuropa?
    Nouripour: Es ist in den letzten Wochen und Monaten eher so gewesen, dass Russland bei größerem Druck zurückgeschreckt ist, auch wenn das nicht substanziell dazu geführt hat, dass es eine Verhaltensänderung gegeben hat. Ich kann nur dabei bleiben, dass man den Druck aufrecht halten muss. Das ist ja auch der Grund, warum die EU Sanktionen beschlossen hat. Ich halte die für deutlich effektiver und notwendiger und sinnvoller als die Frage von militärischer Abschreckung, auch wenn ich das nicht ausschließen mag. Gleichzeitig aber muss wie gesagt klar sein, dass Moskau tatsächlich auch was anderes machen kann. Letztendlich glaube ich aber, dass es am Ende, um jetzt auch mal sozusagen eine andere Perspektive reinzubringen, noch wichtiger ist als die Frage von NATO und Tätigkeiten der NATO, der Ukraine eine Perspektive zu eröffnen, damit sie EU-Mitglied werden kann, und zwar deutlich relevanter als NATO-Mitglied, auch wenn das von den Prozeduralen her deutlich länger dauern dürfte. Aber diese Perspektive, ohne dass ich jetzt sage, dass die Ukraine heute EU-fähig wäre, ist etwas, was, glaube ich, in Moskau größere Abschreckung verbreitet als die Frage von schnellen Eingreiftruppen.
    Armbrüster: Aber würde man damit Moskau nicht eigentlich provozieren, nur noch schneller Fakten zu schaffen, um einen solchen Schritt zu verhindern?
    Nouripour: Es geht wie gesagt erstens darum, dass man eine Perspektive schafft. Die Perspektive würde nicht nur Reaktionen in Moskau auslösen. Man darf ja nie vergessen, dass wir über die Ukraine reden, ein souveränes Land mit einem neu gewählten Präsidenten, der jetzt demnächst ja auch hoffentlich Parlamentswahlen abhalten lässt. Das würde ihn natürlich stärken, das würde auch der ukrainischen Regierung deutlich andere Handlungsfähigkeiten geben und das könnte auch dazu führen, dass die tatsächlich auch eine andere Grundlage haben für Verhandlungen mit Moskau. Deshalb glaube ich, dass es nicht nur darum geht, wie der Westen zu Moskau steht, sondern es gibt dazwischen auch noch Kiew und die muss man natürlich stärken. Das andere ist: Genauso wie wir uns nicht dagegen stellen dürfen, wenn die Ukraine selbstständig dazu kommt zu sagen, ich will aber Teil der Eurasischen Union werden, darf Moskau sich natürlich auch nicht dagegen stellen, wenn die Ukraine unabhängig zum Ergebnis kommt, in die EU zu wollen.
    Armbrüster: Herr Nouripour, ganz kurz noch. Wir haben noch etwa eine Minute Zeit, oder vielleicht noch etwas weniger. Ist das eigentlich fair, der Ukraine immer wieder zu sagen, ja, wir helfen euch, wir stehen euch bei, aber tut uns leid, militärisch können wir euch nicht unterstützen in diesem Kampf?
    Nouripour: Ich glaube, dass da noch nicht sozusagen eine Stufe erreicht ist, bei der das Politische ausgeschöpft ist. Das ist das Zentrale. Natürlich ist es so, dass nur Druck Russland tatsächlich dazu bringen kann, das Verhalten zu ändern. Alles andere scheint, wirklich mittlerweile leider aussichtslos zu sein, was ziemlich katastrophal ist und was auch darauf hindeutet, wie schlecht mittlerweile die Verhältnisse geworden sind. Aber unter dem Strich ist es so, dass nach meiner festen Überzeugung wir jetzt nicht so weit sind, dass wir sagen, alle politischen Mittel sind ausgeschöpft.
    Armbrüster: ..., sagt hier bei uns im Deutschlandfunk Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Vielen Dank.
    Nouripour: Danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.