Freitag, 19. April 2024

Archiv

NATO-Russland-Rat
Zwischen Aufrüstung und Dialog

Fast zwei Jahre hatten die Botschafter der 28 NATO-Staaten und Russlands nicht offiziell miteinander geredet. Im April diesen Jahres wurde der Dialog wiederbelebt. Heute treffen sich die Parteien erneut und wollen über ihre schweren Zerwürfnisse reden: über die Aufrüstungen auf beiden Seiten und den Konflikt in der Ost-Ukraine.

Von Annette Riedel | 13.07.2016
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow beim Treffen des Nato-Russland-Rats 2009.
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow beim Treffen des Nato-Russland-Rats 2009. (ARIS MESSINIS / AFP)
    Vor dem Warschauer NATO-Gipfel vom Wochenende war kein Treffen mehr des NATO-Russland-Rats zustande gekommen, obwohl es von Seiten der NATO angestrebt worden war. Möglicherweise hatte es nicht im Interesse des Kreml gelegen, hätte es - heißt es in Brüssel – nicht recht in das Bild vom säbelrasselnden Bündnis gepasst, das Russland im Zusammenhang mit den NATO-Beschlüssen zu mehr Präsenz an den Ost-Grenzen verbreitet. Nun also trifft sich die Botschafterrunde heute.
    "Ich bin ganz froh darüber, dass es noch vor dem NATO-Gipfel gelungen ist, unmittelbar nach dem NATO-Gipfel einen NATO-Russland-Rat zu vereinbaren. Natürlich werden da die Ergebnisse des NATO-Gipfels – insbesondere was die Stärkung der NATO-Präsenz im Osten des Bündnis-Gebietes angeht – kritisch diskutiert werden", sagte Bundesaußenminister Steinmeier beim NATO-Gipfel.
    Er gehörte zu denjenigen, die darauf gedrungen hatten, die Bedeutung eines Dialogs mit Russland in der Gipfel-Abschlusserklärung ausdrücklich zu betonen. Ob die Deutschen sich in Warschau Kritik gefallen lassen mussten, wegen Steinmeiers Äußerung im Vorfeld des Gipfels, dass die NATO sich nicht zu sehr aufs Säbelrasseln verlegen sollte, ist nicht überliefert. Wie überhaupt weder die Bundeskanzlerin, noch Steinmeier selbst, noch die Bundesverteidigungsministerin – allesamt in Warschau – besonders auskunftsfreudig waren, sich nur mit wenigen kargen Sätzen äußerten.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Nato-Gipfel in Warschau mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan
    Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Nato-Gipfel in Warschau mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan (Imago / Zuma Press)
    "Ich hab hier noch mal deutlich gemacht, dass es bei der NATO auf der einen Seite um Verteidigungsfähigkeit natürlich geht; auf der anderen Seite aber auch immer um den Dialog" - für den das entsprechende Forum seit der NATO-Russland Grundakte von 1997 eben jener NATO-Russland-Rat auf Botschafterebene ist.
    Obama will nicht tun, als sei nichts gewesen
    Der hatte sich mit gewisser Regelmäßigkeit getroffen, bis er von der NATO auf Eis gelegt wurde, nachdem Russland im Frühjahr 2014 die Krim annektiert hatte. Im April war das Gremium danach zum ersten Mal wieder zusammengetreten. Was nicht heißen könne, sagte US-Präsident Obama in Warschau, dass man so tun werde, als sei nichts geschehen.
    "Alle NATO-Alliierten sind sich einig, dass man im Verhältnis zu Russland nicht zur Routine zurückkehren kann, solange Moskau nicht seinen Verpflichtungen aus der Minsker Übereinkunft nachgekommen ist."
    Das Abkommen von Minsk zur Befriedung der Lage in der Ost-Ukraine war schon beim Treffen des NATO-Russland-Rates im April auf der Tagesordnung. Um die war seinerzeit heftig gerungen worden, weil Russland auch über die NATO-Erweiterung reden wollte. Zuletzt ist Mazedonien als 29. NATO-Mitglied aufgenommen worden. Die Ukraine und Georgien sind in der Warteschlange – wenn auch nicht mit Aussicht auf schnelle Aufnahme.
    Die NATO wollte darüber nicht reden, nicht Bündnispolitik, die sich, nach eigener Einschätzung, konsequent an internationalem Recht orientiert, zur Diskussion mit Moskau stellen. Um erneutes Tauziehen wegen der Tagesordnung zu vermeiden, wird sie die gleiche sein wie beim April-Treffen zwischen den NATO-Botschaftern und ihrem russischen Kollegen – ergänzt durch die Besprechung der Gipfel-Beschlüsse.
    "Dort wird vor allen Dingen informiert werden. Und ich glaube, man muss ein großes Interesse haben an Transparenz. Dass man sich gegenseitig informiert, was tun die jeweiligen Seiten, damit etwaige Gefährdungen ausgeschlossen werden."
    NATO wirft Russland mangelnde Kooperation vor
    Etwa durch schiere Missverständnisse oder Fehlinterpretationen. Die NATO moniert vor allem, dass Moskau über kurzfristig angesetzte Manöver nicht informiert – mehrere Tausend sind bis zum Jahresende offenbar geplant – und auch nicht zur Beobachtung einlädt, wie es die Allianz ihrerseits ausnahmslos tut, sagt sie. Auch will man Moskau das Zugeständnis abverhandeln, seine Flüge dicht an NATO-Luftraum heran zumindest anzukündigen.
    Donald Tusk, Jens Stoltenberg und Jean-Claude Juncker sitzen an einem Tisch nebeneinander und unterzeichnen Dokumente.
    NATO-Gipfel in Warschau: Donald Tusk, Jens Stoltenberg und Jean-Claude Juncker unterzeichnen die Vereinbarung zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Nato und EU. (dpa/picture alliance/Sputnik/Alexey Vitvitsky)
    Merkel: "Wir wissen, wenn wir Überwachung des Ostseeraums machen, von den baltischen Staaten aus, dass dort zum Teil auch recht gefährliche Situationen entstehen können. Und ich glaube, es ist im beiderseitigen Interesse – so wie es ja auch beispielsweise in Syrien Absprachen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland gibt - dass auch die NATO und Russland sich über die jeweiligen Aktivitäten abstimmen."
    Ganz im Sinne der Bundeskanzlerin und des Bundesaußenministerin soll beim heutigen NATO-Russland-Rat, auch die Botschaft transportiert werden, dass dem Bündnis nicht am Rückfall in Zeiten des Kalten Krieges gelegen ist, wie NATO-Generalsekretär Stoltenberg am Freitag in Warschau noch einmal betonte.
    "Der Kalte Krieg ist Geschichte und sollte es bleiben."