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Vor 250 Jahren geboren
Chateaubriand - Begründer der französischen Romantik

François-René de Chateaubriand gilt als der Begründer der Romantik, vor allem aber zählt sein Stil zu den Höhepunkten der französischen Prosa. Nebenbei bot der Schriftsteller und Diplomat Napoleon Paroli - und sein Name findet sich bis heute in Restaurantmenüs weltweit.

Von Maike Albath | 04.09.2018
    Zu sehen ist der französische Schriftsteller und Diplomat Francois-Rene Chateaubriand auf einem Gemälde von 1811, von Anne-Louis Girodet de Roussy-Trioson (1767-1824). Oel auf Leinwand, 130 x 96 cm. MV 5668 Versailles, Musee du Château.
    François Rene Chateaubriand - Begründer der französischen Romantik, Gemälde von 1811 von Anne-Louis Girodet de Roussy-Trioson (dpa / picture-alliance / AKG)
    "Plötzlich vernahm ich das Rauschen eines Gewandes im Grase, und eine halbverschleierte Gestalt setzte sich neben mich hin."
    Ein hochbetagter Indianerhäuptling erinnert sich an seine Jugend und berichtet von seiner Gefangenschaft. Unvermutet betritt die betörende Atala sein Zelt.
    "Sie war von regelmäßiger Schönheit; auf ihrem Gesichte lag ein Ausdruck von holder Züchtigkeit und Leidenschaft, dessen Zauber unwiderstehlich war."
    Atala lautete der Titel der exotischen Liebesgeschichte, die 1801 herauskam, ganz Paris und bald auch das Ausland begeisterte. Weltschmerz, wilde Natur und Fremdheit, alles kam vor. Der Verfasser François-René de Chateaubriand war 1791 als erster europäischer Schriftsteller nach Amerika gereist und kannte sich aus. In seinen Memoiren Erinnerungen von jenseits des Grabes misst er dem Aufbruch in die Ferne symbolische Bedeutung bei.
    "Ich habe die Meere der Alten und der Neuen Welt überquert. Ich habe mich am Zusammenfluss zweier Ströme zwischen zwei Zeitaltern wiedergefunden. Ich habe mich in ihre aufgewühlten Fluten gestürzt und mich ungern vom alten Ufer, wo ich geboren bin, entfernt, bin jedoch voller Hoffnungen zum unbekannten Ufer geschwommen, wo neue Generationen ihre Anker lichten."
    Mit falschen Papieren in Le Havre
    François-René de Chateaubriand wurde am 4. September 1768 als jüngstes von zehn Geschwistern in Saint-Malo geboren. Voller Stolz auf seinen alten bretonischen Adel, verachtete sein strenger Vater das mondäne Treiben von Versailles und schickte seinen Sohn zum Militär. François-René wurde 1786 Leutnant in einem Regiment bei Paris. So sehr er drei Jahre später mit den Idealen der Französischen Revolution sympathisierte – als die abgeschlagenen Köpfe zweier Vertreter des Ancien Régime auf Spießen durch die Straßen getragen wurden, war Chateaubriand entsetzt.
    "Der Spieß hatte den offenen Mund durchbohrt, dessen Zähne auf das Eisen bissen. 'Mörderpack!', schrie ich voller wütender, nicht zu zähmender Empörung: 'Ist es das, was ihr unter Freiheit versteht?'"
    Chateaubriand reiste nach Amerika, und als die Gewaltorgien 1792 zunahmen, ging er für acht Jahre ins Exil nach England. Seine verwitwete Mutter, die Schwestern und seine gerade erst angetraute Ehefrau blieben in Frankreich zurück und landeten im Gefängnis. 1800 traf er mit falschen Papieren in Le Havre ein und fand ein verwüstetes Land vor.
    "Man wohnt mit vollem Herzen in einer leeren Welt"
    Zwei Jahre später erschien seine Schrift "Das Genie des Christentums", in die auch die Erzählung Atala eingefügt war, und ein weiterer, äußerst erfolgreicher Kurzroman mit dem Titel René. Chateaubriand begründete mit seinen Werken nicht nur die französische Romantik, sondern setzte mit seinem eleganten, rhythmischen Stil neue Maßstäbe. Seine emphatische Wiederentdeckung der Religion war nach den Wirren der Revolution für viele Leser eine Wohltat.
    "Es ist gewiss, dass unsere Seele ewig begehrt; kaum hat sie den Gegenstand ihrer Begierde erlangt, begehrt sie weiter. Das ganze Universum befriedigt sie nicht. Das Unendliche ist das einzige Feld, das ihr genügt. Die Vorstellungskraft ist reich, überströmend und wunderbar; das Leben arm, trocken und ernüchternd. Man wohnt mit vollem Herzen in einer leeren Welt."
    Unter Napoleon begann Chateaubriand eine wechselvolle Karriere als Politiker und Diplomat. 1804 legte er empört sein Amt nieder, weil es zur Exekution eines bourbonischen Prinzen gekommen war. Zehn Jahre später trat der Schriftsteller in die Dienste der Bourbonen ein, wurde 1815 für kurze Zeit Innenminister, ging als Gesandter nach Berlin, London und Verona, geriet wegen seines Engagements für uneingeschränkte Meinungsfreiheit immer wieder in die Kritik, bis er 1824 von allen Vollmachten entbunden wurde. Nach seinem Rückzug aus der Politik arbeitete er an seinen Memoiren, in denen er die Zerrissenheit seines Zeitalters glänzend beschrieb. Den Ausbruch der Februarrevolution 1848 begrüßte er begeistert. Am 4. Juli desselben Jahres starb François-René de Chateaubriand. Seine Stimme "von jenseits des Grabes" ist bis heute vernehmbar.