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Naturforscher und Japankenner
Vor 150 Jahren starb Philipp von Siebold

Er verbreitete die westliche Medizin in Japan und ist bis heute vor allem wegen seiner Studien der japanischen Flora und Fauna bekannt: Der Naturforscher und Ethnologe Philipp Franz Balthasar von Siebold. Er brachte Hortensien und Blauregen aus Japan nach Europa, war aber vor allem ein Förderer des Verständnisses zwischen Japan und Europa.

Von Dagmar Röhrlich | 18.10.2016
    Blühender Blauregen (Wisteria) rangt an der Hauswand des Pompejanum in Aschaffenburg.
    Der Ethnologe Philipp Franz Balthasar von Siebold brachte den Blauregen aus Japan nach Europa. (dpa / picture alliance / Beate Schleep)
    "This is the map-room, even though they caught him, there is still a lot of maps in the collection." Dirk Ratgeever vom Siebold-Haus im niederländischen Leiden öffnet eine flache Schublade. "This map is the map of Sachaline, which nowadays is Russia." Darin unter Glas: eine Karte von Sachalin. 1807 hatte Japan die Insel, die heute zu Russland gehört, für sich reklamiert.
    "Hier sehen Sie die Küstenlinie und Inseln. Solche Informationen will man geheim halten, denn sie verraten einem Feind, wo er angreifen kann."
    Es waren Karten wie diese, die Philipp Franz Balthasar von Siebold zum Verhängnis werden sollten: Sie waren Teil einer umfangreichen Sammlung, die der fränkische Arzt, Ethnologe und Naturforscher mit nach Europa nehmen wollte. Doch Landkarten durften aus dem Japan der Edo-Zeit bei Todesstrafe nicht ausgeführt werden. Damals isolierten Shogune das Land von der Welt. Nur Niederländer durften von der Insel Dejima in der Bucht von Nagasaki aus Handel treiben. Siebold, der in Würzburg Medizin studiert hatte und in die Fußstapfen Alexander von Humboldts treten wollte, kam 1823 als junger Arzt der Niederländisch-Ostindischen Armee nach Dejima.
    Von Siebold hatte Landkarten aus Japan an Bord
    "Meine Praxis ist sehr ansehnlich, und mein ärztliches Glück verlässt mich auch hier nicht", schrieb er seinem Onkel. Siebold bildete auch Studenten in westlicher Medizin aus. "Er nahm kein Geld an, sondern bat Patienten und Studenten um Interessantes für seine Sammlung, zu der Zahnbürsten und Stoffe ebenso gehörten wie Karten oder Tiere. Seine größte Chance kam 1826, als er mit nach Edo reisen durfte, dem heutigen Tokio, um dem Shogun den niederländischen Tribut zu zahlen. Auf dieser Reise traf er viele Gelehrte, konnte seine Sammlung stark erweitern und Messungen durchführen."
    1828 ging Siebolds Dienstzeit zu Ende. Ein Teil seiner Sammlung wurde auf die 'Cornelius Houtman' gebracht. Doch ein Taifun traf die Küste, das Schiff strandete, musste entladen werden - und es war nicht zu übersehen, dass Verbotenes wie Landkarten an Bord war. Siebold wurde verhaftet. Er sollte verraten, wer ihm die Karten besorgt hatte.
    "Doch diese Angabe meiner Freunde (...) blieb bis heute in mir verschlossen und wird es bleiben", schrieb er seiner Mutter. Trotzdem kamen 50 seiner Freunde ins Gefängnis, wurden verbannt oder durften Edo nicht mehr betreten. Der Hofastronom, der ihm die Karten von Sachalin übergeben hatte, starb in der Haft. Siebold selbst musste Japan am 30. Dezember 1829 verlassen. Lebenslange Verbannung lautete das Urteil, so dass er fürchten musste, seine Geliebte Sonogi und Tochter Ine nie wiederzusehen.
    In Leiden widmete Siebold sich der Aufarbeitung seiner Sammlung
    "Er musste nach Europa zurückkehren. Zunächst wollte er seine Sammlung nach Gent bringen, doch wegen der Unruhen, die durch die Trennung von Belgien und den Niederlanden entstanden, erschien ihm Leiden sicherer. So lebte er in diesem Haus hier."
    Von König Wilhelm I. der Niederlande finanziert, widmete er sich der Aufarbeitung seiner Sammlung. Es dauerte 15 Jahre, die botanischen, zoologischen und landeskundlichen Objekte zu katalogisieren. Sein Hauptwerk "Nippon" entstand und die - wegen zu hoher Kosten - unvollendeten Bände "Flora japonica" und "Fauna japonica". Siebold nahm regen Anteil am Geschehen in Japan, hielt die politische Öffnung für unvermeidlich.
    "Noch bevor die Amerikaner in den 1850er-Jahren diese Öffnung erzwangen, hatte er der niederländischen Regierung geraten, mit einem neuen Vertrag die bevorzugte Stellung im Handel zu erhalten. Doch die Regierung war nicht am Rat eines alten Mannes interessiert, der vor so vielen Jahren in Japan gewesen war."
    Siebolds Erbe ist überall sichtbar
    Mit der Öffnung endete Siebolds Verbannung. 1859 reiste er mit Sohn Alexander nach Japan, wo er erneut lehrte, sammelte und als Diplomat wirkte. Er traf Sonogi und Ine, die Japans erste Ärztin geworden war. Diesmal brachte Siebold seine Sammlung nach Würzburg. Er starb am 18. Oktober 1866 in München. In Japan wird er bis heute als Forscher und Vermittler zwischen dem Inselreich und Europa verehrt. Ein anderes Erbe ist überall sichtbar: Er brachte Hortensien und Blauregen aus Japan in die Welt - und leider auch den alles überwuchernden Japanischen Knöterich.