Samstag, 20. April 2024

Archiv


Naturpark im Tagebau

Ein Konzept zur Nutzung wirtschaftlich ausgebeuteter Flächen wie beispielsweise ehemalige Tagebaugebiete oder stillgelegte Truppenübungsplätze ist die Schaffung von Naturschutzgebieten. Welche Wege hier beschritten werden können, darüber hat die Heinz-Sielmann-Stiftung am Beispiel zweier Projekte in Brandenburg informiert.

Von Axel Flemming | 23.07.2009
    Ein kleiner Damm führt auf eine Holzbrücke im Schaugehege zu. Darunter laufen Wisente. Die mächtigen Tiere mit ihren Fellbüscheln sehen aus wie die Punks unter den Rindviechern.

    "Die kommen immer, weil sie hoffen, es gibt etwas zu essen", sagt Lothar Lankow.
    Er ist Geschäftsführer der Döberitzer Heide, einer gemeinnützige GmbH, die zur Sielmann-Stiftung gehört.

    "In der Regel sind sie noch aktiver, wenn wir einen schwarzen Eimer mithaben. Hier haben wir 19 Wisente, 13 Rothirsche und 13 Przewalski-Pferde."

    Von den Preußenkönigen 1896 bis zum Abzug der Roten Armee der Sowjetunion 1991 nutzte das Militär die 3500 Hektar westlich von Berlin intensiv als Truppenübungsplatz. Seit 2004 bemüht sich die Stiftung, hier eine neue Wildnis zu schaffen. Dazu dient das Schaugehege, aber mehr noch die so genannte Wildniskernzone über 20 Millionen Quadratmeter. Die sind leider noch munitionsverseucht. Ein Teil wird beräumt, bis zum Zaun, die Besucher müssen ja sicher sein. Für die Tiere gibt es diese Garantie aber nicht, zu teuer:

    "Wir werden natürlich nicht diese Wildniskernzone tiefenmäßig entmunitionieren, das können wir nicht bezahlen. Selbst bei Förderung entstehen dabei Kosten von 80 Cent bis 1,80 Euro pro Quadratmeter. Es werden dort Munitionsfachleute durchgeschickt, die mit einer sogenannten Flachsonde arbeiten. Weil man unter Laub und Gras nicht gucken kann, gehen die das Gelände ab und alles was oberflächlich liegt, wird weggenommen."

    "Sielmanns Naturlandschaften" wollen im Bundesland Brandenburg vorführen, wie beispielhaft das nationale Naturerbe gesichert werden kann, ohne den Menschen auszusperren. Die Stiftung hat in Ostdeutschland schon vor Jahren wertvolle Flächen angekauft. Das dient zwei Zielen, sagt Vorstand Walter Stelte:

    "Auf der einen Seite gilt es, Naturschutz auf großer Fläche zu betreiben, und das zweite wichtige Ziel ist die Umweltbildung: Menschen und vor allem Kinder an die Natur heranzuführen. Denn das war ja auch die Erkenntnis von Heinz Sielmann, die er in seiner über 40-jährigen Schaffensperiode bekommen hat, dass man nur dann erfolgreich Naturschutz betreiben kann, wenn man die Akzeptanz der Menschen hat."

    In der jüngsten Zeit verändert sich die Landschaft nicht nur durch Konversion von Militärflächen, sondern auch im ehemaligen Braunkohle-Tagebau. Südlich von Berlin in der Niederlausitz liegt Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen.

    "Also, es sind ja ganz unterschiedliche Großprojekte, die die Heinz-Sielmann-Stiftung betreibt. Auf der einen Seite ist das eine militärisch genutzte Liegenschaft, auf der anderen Seite auch eine durch den Menschen entstandene Landschaft, die an sich auch durch die Ausbeutung der Natur entstanden ist: Das ist eine Braunkohle-Folgelandschaft. Da muss man sich halt vorstellen, dass seit 40 Jahren die Erde umgedreht wurde, das Grundwasser bis zu einer Tiefe von 40 Meter abgepumpt wurde, und eine Wüste hinterlassen wurde. Das Reizvolle ist, die Kraft der Natur, die Dynamik der Natur mitzuverfolgen, wie sie sich so ein Stück Erde auch wieder holt."

    Den Ort Wanninchen gibt es nicht mehr, einzig das Klubhaus ist an der Baggerkante stehen geblieben. Dort ist jetzt das Naturparkzentrum untergebracht. Ein kahler Baum davor mit Hinweisschildern erinnert an die anderen verschwundenen Orte. "Stoßdorf 6 Kilometer, Tornow 7,5 Kilometer, Pademack 4 Kilometer, Stiebsdorf 2,5 Kilometer", steht dort. Projektleiter Ralf Donat:

    "Das ist so ein kleines Mahnmal für die Orte, die weggebaggert wurden, mit einer Entfernungsangabe und einer Richtungsweisung, wo die existiert haben etwa. Ich kenne einen Teil, also einige im Bereich Schlabendorf Nord beispielsweise sind vor meiner Zeit weggebaggert worden, aber einige wie Pademack, Stiebsdorf, Wanninchen im Süden, die hier existiert haben, die kenne ich noch."

    Auf rund 3000 Hektar, das ist soweit das Auge sehen kann bis zum Horizont und dann noch einmal soviel, entstehen neue Feuchtgebiete, denn das Grundwasser steigt wieder. Donat steht am Rande des Schlabendorfer Sees; bis zum Ufer ging der ehemalige Tagebau Schlabendorfer Felder, bis 1991 der Bergbau eingestellt wurde.

    "Hier vorne, wo jetzt Seefläche ist, war eine große Rinne, wo der letzte Bagger gesprengt wurde, das war also damals ein recht großes Ereignis. Und seitdem entwickelt sich die Landschaft. Hier waren auf einmal Tier- und Pflanzenarten zu beobachten, die kannte man in der Kulturlandschaft nicht mehr. Überdüngung, Schadstoffeintrag und so weiter spielen ja in der Kulturlandschaft eine große Rolle. Hier war das nicht. Hier war eine Situation entstanden, wie sie kurz nach der Eiszeit entstanden ist."

    Kraniche und nordische Gänse übernachten hier, Pflanzen und Tieren besiedeln die ehemaligen Kippflächen. Um drei Meter soll der Wasserspiegel noch steigen. Nur Fische wird es hier auf lange Zeit nicht geben, denn der See ist sauer. Wie viele der gefluteten Tagebaue liegt der PH-Wert bei 2,5. Normales, neutrales Wasser hat einen Wert um sechs.