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Naturstoffe für gute Ernährung
Auf der Suche nach dem "gesunden" Keks

Zuckerreduzierte Lebensmittel schmecken bisweilen bitter oder fad. Natürliche Zusatzstoffe und Aromen können das ändern. Auf der Konferenz "Bioflavour“ berichteten Wissenschaftler darüber, wie voller Geschmack auch bei verringertem Nährwert möglich ist.

24.09.2018
    Belgien: Macaron (Doppelkekse) in einer Konditorei in Brügge.
    Lecker süß, aber ungesund: Macarons in einer belgischen Konditorei (picture alliance / dpa / Daniel Kalker)
    Es ist Kaffeepause. Auf dem Büffet, das für die Konferenzteilnehmer aufgebaut worden ist, stapeln sich die süßen Stückchen. Im Besprechungszimmer nebenan sitzt auch Christiane Gras vor Keksen und ringt mit einer Frage des guten Geschmacks: "Gut, dann... teste ich mich mal hier durch. Wir haben zwei Proben..."
    Beigeschmack von Süßungsmitteln "maskieren"
    Die Wissenschaftlerin beißt in einen der beiden Kekse, die vor ihr liegen. Sie sehen gleich aus, es gibt aber einen feinen Unterschied. In einem der Kekse ist ein Teil des Zuckers eingespart und durch Zuckeraustauschstoff ersetzt worden - aber welcher ist das? Christine Gras: "Ich kanns nicht genau sagen, aber ich würde in diesem Fall B bevorzugen, weil A eine ganz leichte Bitternote für mich hat." Typisch für Zuckeraustauschstoffe. Ein Problem, denn "light" Kekse oder Limonaden sollen natürlich nicht light, sondern richtig gut schmecken.
    Christiane Gras arbeitet beim Biotechnologie-Unternehmen BRAIN AG in einem Forschungsprojekt, in dem es genau darum geht: "Was wir machen, ist: Zuckerersatzstoffe, die schon bekannt sind, wie zum Beispiel auch natürliche Süßungsmittel wie Stevia, - hat jeder schon von gehört - deren Geschmacksprofile zu verbessern." Dafür suchen sie und ihre Kollegen nach sogenannten Bitterblockern - natürlichen Pflanzenstoffen, die den unangenehmen Beigeschmack von Süßungsmitteln "maskieren", also unschmeckbar machen.
    Um unter tausenden von Molekülen eines zu finden, das das kann, benutzen die Wissenschaftler Zelllinien einzelner Geschmackszellen der Zunge. Diese Kunstzungen bekommen dann eine Mischung aus dem Süßstoff Saccharin und einer Testsubstanz - dem potenziellen Bitterblocker zu schmecken. Mit dieser Methode fanden Christiane Gras und ihre Kollegen einen neuen natürlichen Zusatzstoff, der nicht nur Saccharin einfach süß schmecken lässt, sondern auch Grapefruitsaft oder Stevia die Bitterkeit nimmt.
    Naturstoffe für gesunde Ernährung
    Die Nachfrage für solche Zusatzstoffe wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich steigen: In Deutschland hat sich die Zahl der Übergewichtigen seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Zügellose Ernährung kostet unser Gesundheitssystem etwa 17 Milliarden Euro im Jahr: "Denken wir an die vielen Diabetiker und auch an die vielen Probleme, die zu viel Zuckerkonsum mit sich bringt. Und leider ist der Verbraucher ja nicht bereit, mit weniger Zucker an sich zu leben."
    Ludger Wessjohann ist Professor am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle an der Saale. Auch er beschäftigt sich damit, was den guten Geschmack ausmacht. Beherzt greift er zum ersten Keks, Und dann zum zweiten. Auf der Suche nach Naturstoffen die ungesundes Essen gesünder machen ist der Biochemiker schon weit gereist.
    In seinem Konferenzvortrag zeigt er ein Foto von sich im Dschungel von Vietnam. Die Arme voller exotischer Blätter und Pflanzen. "Genau so wie auf dem Foto ist das in der Tat. Man geht ins Feld, man macht Beobachtungen, man sichtet Pflanzen, auch Gespräche mit Leuten vor Ort, die muss man mit ein beziehen, das ist ganz wichtig."
    Expedition in den Urwald
    Von einer dieser Expeditionen hat Ludger Wessjohann Mycetia balansae mitgebracht. Einer Pflanze, die traditionell in Kräutertees verwendet wird. Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern konnte er aus ihren Blättern einen bislang unbekannten Zuckerersatzstoffe isoliert: Balansin: "Die Substanz ist gar nicht so fürchterlich süß, sondern sie hat einen, wenn Sie so wollen, süß verstärkenden Effekt. Das heißt, Süßes wird noch als süßer wahrgenommen."
    Balansin hat erst in sehr hoher Konzentration einen wahrnehmbaren Eigengeschmack. Als Zusatz in Lebensmitteln könnte man es benutzen, um Zucker zu reduzieren, ohne den Geschmack zu verfälschen. Die Zulassung steht aber noch ganz am Anfang. Vorerst müssen 'gesunde' Keksen anders gesüßt werden.
    Ludger Wessjohann spült den Mund mit Wasser und wiederholt den Kekstest - welcher ist noch mal zuckerreduziert? "Also das ist schwer. Ich würde tippen: B. Aber hundertprozentig sicher bin ich mir nicht, und das zeigt schon, dass es ein gutes Produkt ist - also in der Hinsicht... wobei das Zeug alles viel zu süß ist nach meiner Ansicht."