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Norwegen
UKW-Abschaltung mit Nebenwirkungen

2017 hat Norwegen das Ende der Radio-Verbreitung via UKW eingeleitet. Doch der Wechsel auf DAB+ läuft holprig: Viele Autos sind nach wie vor nicht nachgerüstet und auch beim Empfang hapert es - die Radionutzung ist rückläufig. War die Umstellung ein Fehler?

Von Carsten Schmiester | 11.01.2018
    Ein Radio mit UKW- und MW-Empfang steht am 10.02.2015 in Berlin.
    Ein Radio mit UKW-Empfang ist in Norwegen nicht mehr sonderlich hilfreich (dpa / Lukas Schulze)
    Dieses Datum sollte Glück bringen, eigentlich: 11. Januar 2017, auf die Sekunde 11.11 Uhr: Das war der offizielle Anfang vom UKW-Ende in Norwegen. Erst im hohen Norden, dann immer weiter Richtung Süden und am 13. Dezember war wirklich Schluss, fast überall: Nur ein paar kleinere lokale Stationen außerhalb der großen Städte senden noch bis 2022 auf den alten UKW-Frequenzen weiter.
    Thor Gjermund Eriksen ist Chef des öffentlichen Senders NRK. In einem Interview hatte er zuvor durchblicken lassen, dass er nicht wirklich glücklich war mit dem Beschluss des Parlaments, das "gute alte" Dampfradio durch moderne Digitaltechnik zu ersetzen...
    "Es ist ja nicht unsere Entscheidung, sondern die der Regierung, und die ist an zwei Bedingungen geknüpft."
    "Die Autos sind eine große Herausforderung"
    99,95-prozentige Abdeckung des ganzen Landes mit dem Digitalsignal - das war die eine Bedingung. Die andere: Zusammenarbeit öffentlicher und kommerzieller Sender. Beides war am 11. Januar vergangenen Jahres erfüllt, hieß es zumindest offiziell.
    "Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das neue digitale Radio in den Privathaushalten und Büros gut durchsetzen wird. Das ist kein Problem, die Leute kaufen ja schon neue Empfänger. Aber die Autos sind eine große Herausforderung."
    Und das sind sie auch heute noch. Viele alte Wagen sind nach wie vor nicht nachgerüstet. Das ist gefährlich, meint Svein Larsen, Vorsitzender des norwegischen Lokalradioverbundes und selbst Chef von drei kleinen Sendern in der Hauptstadt Oslo.
    "Wenn die Hälfte aller Autos kein digitales Radio hat, kann eine Notsituation, z. B. in einem Tunnel, leicht problematisch werden, weil man keine Informationen bekommt. Das hat man nicht ordentlich durchdacht. Viele haben darauf hingewiesen, aber man hat sich einfach nicht darum gekümmert."
    Viele verzichten ganz aufs Radiohören
    Und auch in den Privathaushalten gibt es Probleme. Zwar verfügen inzwischen etwa 85 Prozent über DAB-Empfänger, landesweit gibt es mehr als vier Millionen Geräte - bei nur gut fünf Millionen Einwohnern, aber mit dem Empfang hapert es.
    NRK hatte das zum Ende der UKW-Abschaltphase bestätigt und versprochen, in den schlecht versorgten Teilen des Landes zusätzliche DAB-Sender zu installieren. Fazit: Es läuft, aber es läuft nicht rund! Nach aktuellen Umfragen sind 56 Prozent der Norweger unzufrieden mit der Umstellung. Sie hätten sich eine längere Übergangsphase mit einem parallelen Angebot von UKW und Digitalradio gewünscht. Jetzt verzichten offenbar viele ganz aufs Radiohören.
    Die Radionutzung ist rückläufig, auch wenn die Zahl der DAB-Hörer nach Angaben des Digitalradioverbandes um ein gutes Drittel gewachsen ist. Jon Branæs, Radiochef beim öffentlichen Sender NRK, sieht diese Entwicklung, er gibt sich aber zuversichtlich.
    "Wir denken, dass die Menschen weiterhin Radio mögen und nutzen und die neuen Plattformen langsam aber sicher in Gebrauch nehmen. Die Zahl der Radiohörer in Norwegen ist zwar etwas geringer als vor einem Jahr, sie wird aber wieder größer."
    Er verweist auf die gestiegene Zahl der jetzt landesweit in bester Digitalqualität empfangbaren Programme allein seines Senders.
    "Früher hatten wir drei Kanäle, nur einer war im ganzen Land zu hören. Jetzt sind es überall 13."
    "Viele Leute wechseln nicht zu DAB"
    Theoretisch, aber eben noch nicht technisch. Viele - bisherige - Radiohörer wie dieser Mann aus Oslo sind enttäuscht:
    "Viele Leute wechseln nicht zu DAB, vor allem nicht im Auto. Aber gerade da wird am meisten Radio gehört. Zu Hause schaut man eher fern."
    NRK-Radiomann Branæs widerspricht, was soll er auch tun?
    "Ich bin davon überzeugt, dass wir im Rückblick denken werden, dass Radio durch die Umstellung für die Menschen relevant geblieben ist. Ich glaube wirklich an das Radio, weil wir ein Medium brauchen, dass wir nebenbei nutzen können, während wir andere Dinge tun. Das funktioniert nur ohne Bildschirm."
    Den Glauben ans Radio teilt auch Svein Larsen vom Lokalradioverband. Doch obwohl seine UKW-Sender die klaren Gewinner sind, hält er von der Umstellung rein gar nichts:
    "Das war eine unnötige und teure Entscheidung für Norwegen. Es wäre klug gewesen, direkt von UKW auf die digitale Verbreitung übers mobile Internet umzustellen."