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Negativpreis
Datenschützer vergeben "Big Brother Award"

Der vom Datenschutzverein "Digitalcourage" vergebene Negativpreis "Big Brother Award" geht 2017 ausgerechnet an den IT-Branchenverband Bitkom. In der Kategorie Politik bedachten die Datenschützer einen islamischen Dachverband, dem sie das Bespitzeln von Gläubigen vorwerfen. Und auch die Bundeswehr erhielt den ungeliebten Preis.

Von Wolfgang Noelke | 06.05.2017
    die kleine Big-Brother- Skulptur des ungeliebten "Big Brother Award" stand nach der Verleihung am 5. Mai 2017 in Bielefeld weiterhin vor dem Rednerpult
    Wie bestellt und nicht abgeholt - die gefürchtete Big-Brother- Skulptur - vergeben vom Bielefelder Datebschutzverein Digitalcourage (Deutschlandradio Wolfgang Noelke )
    Entgegengenommen hat ihn diesmal wieder niemand. Der Preis, die kleine Big-Brother- Skulptur stand nach der Veranstaltung weiterhin vor dem Rednerpult. Wie nicht bestellt und auch nicht abgeholt. Einer der Preisträger sendete wenigstens eine Videobotschaft. Thorsten Dirks, Präsident des IT-Branchenverbandes BITKOM:

    "Wir denken in vielfältigen, mehrdimensionalen Kategorien und treten explizit dafür ein, dass es eine neue, aus unserer Sicht gesunde Balance zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der Nutzung von Daten gibt."

    Doch genau wegen dieser Aufweichung des Datenschutzes, so die Laudatorin und digitalcourage Mitglied Rena Tangens, würde der Bitkom den Negativpreis erhalten:
    "Datenschutz, findet Bitkom passt nicht in die heutige Zeit. Ist veraltet! Analog! Letztes Jahrhundert! Überreguliert und schlicht nicht mehr zeitgemäß. und alles Zitate, alles Belege. Hier bestimmt offenbar das Sein das Bewusstsein. Einbrecher finden auch, dass das Prinzip des Eigentums veraltet ist"
    DİTİB erster Preisträger für analoge Bespitzelung
    Zumal der von Rena Tangens bemühte Vergleich mit Einbrechern, der aus Sicht der Jury zu hohe Einfluss US-amerikanischer Unternehmen auf den Bitkom sei. Sie wollten in Deutschland Lobbyarbeit für Big Data Geschäftsmodelle machen, so Tangens weiter:
    "Big Data bedeutet, jede Menge Daten werden so nebenbei gesammelt. Auf diese gemischten Daten wollen Firmen Algorithmen los lassen und schauen, ob sie interessante Muster erkennen können. Und daraus werden dann Schlussfolgerungen über unser Verhalten und unsere Motive, sowie Prognosen über unser zukünftiges Verhalten erstellt."

    Zwar seien nur acht Prozent der rund 1.600 BITKOM-Mitglieder US- Unternehmen. Aber: wer diese acht Prozent sind, die sich da neben den deutschen Mittelständlern tummeln, dann sollte der Groschen fallen: Amazon, Apple, Cisco, Ebay, Facebook, Google, Hewlett Packard, IBM, Intel, PayPal, Xerox und Microsoft, die Hechte im Karpfenteich in Sachen Umsatz, Macht und Marktbeherrschung.
    Neu in der Geschichte des Big-Brother Awards ist der erste Preisträger, dem keine technischen, digitalen, sondern eher analoge, menschliche Verfehlungen zugewiesen werden.

    Dazu Schleswig-Holsteins ehemaliger Datenschutzbeauftragter Dr. Thilo Weichert: "Nein, hier geht es um handfestes Bespitzeln, um das Ausnutzen menschlicher Kontakte von Angesicht zu Angesicht, hier geht es um Ausnutzen von Kontakten im Rahmen einer religiösen Gemeinschaft."

    Gemeint ist DİTİB, der Dachverband der Türkisch-Islamischen Moscheegemeinden in Deutschland. Er bespitzele hier lebende Muslime, so Weichert weiter:
    "Gemäß der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sollen in Nordrhein-Westfalen türkische Schülerinnen und Schüler gar aufgefordert worden sein, regierungskritische Äußerungen ihrer Lehrer heimlich zu filmen und an die Generalkonsulate weiter zu melden."
    Auch Hochschulen und Softwarefirmen unter den Preisträgern
    Dass zwei sonst als technikaffin bekannte Münchner Universitäten, die TU und die Ludwig- Maximilians-Uni, eine aus Sicht der Big-Brother Jury zweifelhafte US- Firma mit Online- Kursen für Studierende beauftrage, sei gefährlich, weil "Coursera" alle Leistungsdaten, Lernerfolge und -Misserfolge der Studierenden zur intransparenten Profilbildung speichere. Dass Profile bereits dazu genutzt werden, Online- Käufern eines Produktes unterschiedliche Rabatte anzubieten, zeigt die Jury mit dem Big-Brother für die Chemnitzer "Prudsys AG". Deren Software diskriminiere Armut und verteuere für Menschen, aus vermeintlich armen Gegenden Produkte um bis zu 30 Prozent.
    Wer sein Geld mit Zeitungsaustragen verdient, den könnte eine Art winzige elektronische Fußfessel auf Schritt und Tritt überwachen. Die Firma PLT wirbt laut Jury mit verfälschten Gesetzestexten für die angebliche Notwendigkeit des winzigen "TrackPilot". Lebensgefährlich sei jedoch – so Juror Dr. Rolf Gössner die Teilnahme an Ursula von der Leyens "Cyber- Kommando". Laut NATO- Handbuch "gelten zivile Hacker, sogenannte "Hacktivists" als aktive Kriegsteilnehmer, wenn sie Cyberaktionen im Verlauf kriegerischer Konflikte ausführen. Solche Zivilisten dürfen daher gezielt militärisch angegriffen und auch getötet werden.