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Negativrekord
Linke nennen Gabriel "Großmeister der Waffenexporte"

Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr wieder deutlich mehr Rüstungsexporte genehmigt als zuvor. Das Gesamtvolumen der erlaubten Waffenexporte lag bei rund 7,5 Milliarden Euro, wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin sagte. Umstritten sind vor allem Panzerlieferungen an Katar. Die Linke wirft Gabriel vor, den Job zu verfehlen.

Von Theo Geers | 19.02.2016
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) äußert sich am 19.02.2016 bei einer Pressekonferenz in Berlin zu den deutschen Rüstungsexporten 2015
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) äußert sich am 19.02.2016 bei einer Pressekonferenz in Berlin zu den deutschen Rüstungsexporten 2015 (pa/dpa/Jutrczenka)
    Sigmar Gabriel brauchte über eine viertel Stunde, bis er auf seiner Pressekonferenz über die Rüstungsexporte des letzten Jahres zum Wesentlichen kam: "und das ist der Teil, da gibt es auch Schattenseiten dieser Halbzeitbilanz."
    So leitete er die Passage ein, um dann eine erste Zahl zu nennen: Obwohl es gelang, zum Beispiel die Exporte von Kleinwaffen wie Gewehre zurück zu fahren, sind die Rüstungsexporte der jetzigen Regierung im letzten Jahr auf 5,9 Milliarden Euro gestiegen. In diesen 5,9 Milliarden, so Gabriel, steckten aber auch zwei große Rüstungsgeschäfte mit befreundeten Ländern: Vier Tankflugzeuge für Großbritannien im Wert von 1,1 Milliarden Euro und ein Auftrag über Lenkflugkörper an Südkorea im Wert von 500 Millionen Euro.
    Gabriel argumentiert mit "Sonderfaktoren"
    "Ziehen sie die ab, sind Sie wieder auf dem normalen Niveau wie in Vorjahren von vier Milliarden Euro. Diese beide Sonderfaktoren führen dazu, dass wir deutlich darüber liegen."

    Tatsächlich aber beliefen sich die Rüstungsexporte im letzten Jahr nicht auf herunter gerechnete 4 Milliarden Euro und auch nicht auf 5,9 Milliarden, sondern auf 7,5 Milliarden Euro. Und das erklärte Gabriel dann im Stile als ob es da noch etwas gebe - eine alte Exportgenehmigung, ausgestellt von einer Vorgängerregierung. Konkret geht es um 62 Leopard II-Panzer und 24 Panzerhaubitzen, die an das Emirat Katar geliefert werden. Wert: 1,6 Milliarden Euro, ein Geschäft, dass die schwarz-gelbe Vorgängerregierung 2013 noch kurz vor der Bundestagswahl genehmigte, aus der dann die jetzige große Koalition hervor ging.
    Für Gabriel, der als SPD-Vorsitzender seiner Partei eine Senkung der Waffenexporte versprochen hatte und dies als Wirtschaftsminister umsetzen will, ist dieser Anstieg auf 7,5 Milliarden Euro ausschließlich auf diese drei Einzelfälle zurück zu führen – die beiden Geschäfte mit England und Südkorea und den Panzerdeal mit Katar. Wobei Gabriel noch versucht hat, das Geschäft mit Katar zu stoppen. Dies habe der der Bundessicherheitsrat nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz – KWKG – aber schon genehmigt hatte – und nur dieses Gremium hätte das aufheben können.

    "Bei der rechtlichen Überprüfung ist klar geworden: Nein, das kann ich nicht. Das ist eine gebundene Entscheidung. Ich müsste einen Widerruf der KWKG-Genehmigung im Bundessicherheitsrat erreichen. Dazu gab es keine Bereitschaft."
    Gabriel kündigt Expertenkommission an
    Heißt übersetzt: Gabriel bekam für den Stopp des Panzergeschäfts mit Katar im Bundessisicherheitsrat schlicht keine Mehrheit. Dies auch mit Argument, sonst müsse Deutschland Schadenersatz zahlen. Jan van Aken, der Rüstungsexperte der Linksfraktion, warf Gabriel vor, als so wörtlich "Großmeister der deutschen Waffenexporte" beim Panzergeschäft mit Katar an den eigenen Ansprüchen gescheitert zu sein.

    "Sigmar Gabriel hat die Verantwortung. Er hätte am Ende "Nein" sagen können. Offenbar haben andere Minister oder die Kanzlerin ihn abgehalten. Bei so einer Geschichte wie Panzer an Katar, die gerade Krieg führen im Jemen. Wenn ich mich da nicht durchsetzen kann, habe ich doch den Job verfehlt."
    Gabriel will auf den Negativrekord bei den Rüstungsexporten nun mit einer Expertenkommission reagieren. Sie soll die bisherige Praxis bei den Genehmigungen überprüfen. Am Ende solcher Beratungen könnte der Vorschlag für ein neues Rüstungsexportgesetz stehen, über das Gabriel Mitte Januar laut nachdachte. Ein solches Gesetz fordern auch Linke und Grüne, doch selbst wenn auch die SPD dafür wäre: CDU und CSU sind strikt dagegen.
    Militärausgaben weltweit (19.02.2016)
    Militärausgaben weltweit (19.02.2016) (pa/dpa)