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Nerven veröden gegen Bluthochdruck

Bei vielen Patienten helfen Medikamente nicht, den Bluthochdruck ausreichend zu senken. Für sie gibt es ein minimal invasives Verfahren: die Verödung von Nerven, die zur Niere ziehen. Studien zeigen, dass auch drei Jahre nach dieser sogenannten Denervation der Nierenarterienwand der Blutdruck gesenkt bleibt.

Von Anna-Lena Dohrmann | 31.07.2012
    "So, Herr Stange, jetzt sind Sie wieder dran. Wie geht es Ihnen denn jetzt mit dem Medikament, was ich Ihnen gebe? Gut! Werden Sie schon ein bisschen Müde' Ja. Das ist sehr schön."

    Dann kann es nämlich gleich losgehen. Yvonne Bausback ist Oberärztin im Gefäßzentrum des Parkkrankenhauses Leipzig. Sie wird heute die sogenannte Denervation der Nierenarterienwand bei Jürgen Stange durchführen. Das heißt: Sie wird die Nerven, die in der Gefäßwand der Nierenarterien liegen, veröden. Dadurch soll der Blutdruck gesenkt werden. Bausback erklärt, wie die Niere den Blutdruck beeinflusst:

    "Die Regulation des Blutdrucks im Körper ist ein relativ komplexes Geschehen. Es konnte festgestellt werden, dass dabei eben nicht nur das Herz, sondern auch das Gehirn und insbesondere die Niere da einen relativen wichtigen Einfluss drauf nehmen können. Bei der Niere kann man sich das prinzipiell recht einfach vorstellen, da die Niere das Organ ist, was das Blutvolumen im Körper reguliert - durch die Ausscheidung des Urins."

    Die Niere wiederum wird über Nerven reguliert, die vom Gehirn kommen. Diese Nervenfasern senden das Signal "Blutdruck steigern". Und genau diese Fasern will Bausback jetzt veröden und damit ausschalten. Um an die Nerven in der Gefäßwand heranzukommen führt Bausback einen Katheter – also quasi einen langen Schlauch – über die Leiste ein.

    "Ich habe jetzt die Arterie, die in der Leiste verläuft, punktiert und werde dann den Katheter auf die Höhe der Nierenarterien vorbringen."

    Der Katheter ist mit einem Generator verbunden. An seiner Spitze ist eine Elektrode, die später den Strom abgibt, um die Nerven zu veröden. Mithilfe von Röntgenaufnahmen kontrolliert Bausback ständig, wo sich die Elektrode befindet. Mit ihrem Finger zeigt sie auf einen kleinen schwarzen Punkt auf dem Monitor vor sich:

    " Das ist die Elektrode, genau. Die Elektrode wurde von dem Hersteller letztendlich röntgendicht gemacht, sodass es unter Durchleuchtung gesehen werden kann."

    Diese Elektrode platziert Bausback jetzt direkt an die Gefäßwand. Im Operationssaal ist es ruhig, außer Bausback ist noch eine Krankenschwester dabei.

    "Kerstin? Kannst du den Generator bedienen? Genau!"

    Der Generator gibt dann jeweils zwei Minuten lang den Hochfrequenzstrom ab.
    "Jetzt ist das erste Mal fertig. Ich löse erst einmal den Wandkontakt, ziehe den Katheter fünf Millimeter zurück, dadurch, dass man die Spitze im Röntgenbild gut sehen kann, ist das sehr einfach."

    In jeder der zwei Nierenarterien wiederholt Bausback das an fünf Punkten.

    Momentan wird der Eingriff nur bei Bluthochdruck-Patienten durchgeführt, bei denen die gängigen Therapien mit Medikamenten gegen Bluthochdruck versagt haben. Erste Studien zeigen, dass auch drei Jahre nach einem solchen Eingriff der Blutdruck bis zu 30mmHg gesenkt werden kann. Doch Bausback hofft, dass das Verfahren noch mehr Patienten helfen kann, denn:

    "Das Gehirn kann über das vegetative Nervensystem zum einen die Niere beeinflussen. Die Niere kann aber auch antworten und sendet afferente Nervenfasern zum Gehirn, die wiederum Einfluss auf unterschiedliche Organsysteme nehmen können. Und da gibt es eben erste Arbeiten, dass auch Patienten möglicherweise mit Diabetes mellitus oder Herzschwäche von diesem Verfahren profitieren könnten."

    Diese Hinweise müssen sich allerdings noch in großen Studien bestätigen.
    Jürgen Stange hat jetzt erst einmal den Eingriff gut überstanden:

    "So, Herr Stange, ich denke, die Behandlung verlief reibungslos. Die Punkte konnten in der gewohnten Folge gesetzt werden. Und wir sehen uns in drei Monaten wieder, wenn Sie zur ersten Blutdruckkontrolle zu mir in die Sprechstunde kommen."

    "Gut, danke! Gerne!"

    Jürgen Stange liegt noch etwas benommen auf dem Operationstisch. Zwei Tage bleibt er zur Kontrolle im Krankenhaus. Und nach drei Monaten zeigt sich hoffentlich die ersehnte Blutdrucksenkung.