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Netanjahu und die amerikanischen Juden
Partnerschaft auf dem Prüfstand?

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu spricht auf Einladung der Republikaner vor dem US-Kongress über den Iran – ohne das Wissen des Weißen Hauses. Stellt er damit nicht nur die diplomatischen Beziehungen, sondern auch seine Partnerschaft mit den amerikanischen Juden auf den Prüfstand?

Von Jan Bösche | 03.03.2015
    Der erste Eindruck: Geschlossenheit. Die Pro-Israelische Lobbygruppe AIPAC hat 16.000 Anhänger in Washington versammelt. Ihr Präsident Bob Cohen begrüßt gestern Benjamin Netanjahu. Es gab langen Applaus und Standing Ovations - Unterstützung für die israelische Regierung gehört beim AIPAC dazu. Die Organisation arbeitet parteiübergreifend, darum hat sie in den vergangenen Wochen hinter den Kulissen viel Lobbyarbeit betrieben. Ihr Ziel: Auch die verärgerten Demokraten sollen sich heute die Rede von Netanjahu vor dem vereinigten Kongress anhören - obwohl er von den Republikanern eingeladen wurde, hinter dem Rücken von Präsident Obama.
    Die einflussreiche Demokratin Dianne Feinstein wird hingehen. Sie ist Jüdin, aber trotzdem sauer auf den israelischen Ministerpräsidenten. Er hatte gesagt, er würde für alle Juden sprechen. Feinstein sagte, für sie spreche er nicht – das sei ein arrogantes Statement. Denn auch innerhalb der jüdischen Gemeinde gebe es unterschiedliche Ansichten. Das zeigt sich nun auch im Kongress. Lee Zeldin ist der einzige jüdische Abgeordnete, der den Republikanern angehört: "Netanjahu repräsentiert besser als Feinstein, was ich für die richtige amerikanische Außenpolitik halte. Sie muss stärker und konsequenter sein. Wir müssen wissen, wer Freund, wer Feind ist."
    Rede habe Gräben in der jüdischen Gemeinde sichtbar gemacht
    Die Rede von Netanjahu hat die Gräben in der jüdischen Gemeinde sichtbar werden lassen, sagt William Galston vom renommierten Brookings-Institut: "Sie hat einen Keil zwischen Israels Unterstützer getrieben, Demokraten und Republikaner, im Kongress und im ganzen Land."
    Die jüdischen Organisationen in den USA sind gespalten. Besonders liberale Organisationen machen Stimmung gegen Netanjahu. So hat J-Street für eine Petition rund 20.000 jüdische Unterschriften gesammelt unter der Überschrift "Bibi spricht nicht für mich". Bibi ist der Spitzname von Netanjahu. Die jüdische Stimme für Frieden hat den Kongress aufgerufen, die Rede abzusagen.
    Das Notfall-Komitee für Israel hat dagegen Fernsehwerbung für Netanjahu geschaltet. Darin heißt es, Präsident Obama führe geheime Verhandlungen mit Iran – obwohl Iran damit drohe, Israel von der Landkarte zu wischen.
    Spaltung quer durch jüdische Organisationen und Gemeinden
    William Galston sagt, die Spaltung gehe quer durch die Organisationen und die jüdischen Gemeinden: "Das sind nicht nur die Jungen gegen die Alten, das sind auch die, die an den Friedensprozess im Nahen Osten glauben, gegen die, die glauben, nur noch militärische Macht könne Israels Feinde abschrecken."
    In einer Umfrage des Pew-Center von 2013 sagten rund zwei Drittel der befragten amerikanischen Juden, sie fühlten sich mit Israel verbunden. Allerdings lehnten zum Beispiel rund 44 Prozent ab, dass Israel in den besetzen Palästinenser-Gebieten weiter Siedlungen baue.
    Viele sehen israelische Regierung nun getrennt vom Land
    Kritiker sagen, die heutige Rede von Netanjahu vertiefe die Spannungen, sie sei ein Wendepunkt. Viele würden die israelische Regierung nun getrennt vom Land sehen. Seine Unterstützer sagen, das Verhältnis werde sich nicht grundlegend ändern. Es habe in der Vergangenheit immer wieder Streit zwischen den Regierungen gegeben, während das Verhältnis der beiden Länder insgesamt immer besser geworden sei.