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Netzneutralität
Folgen der Abstimmung im EU-Parlament

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 31.10.2015
    Manfred Kloiber: Die Diskussion um die Netzneutralität bleibt uns also auch nach dem Abstimmungsergebnis im Europäischen Parlament vom letzten Dienstag erhalten. Frage an meinen Kollegen Peter Welchering: Wird es wirklich zwei Jahre dauern, bis evaluiert wird, wie EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger das angekündigt hat?
    Peter Welchering: Wenn es nach Oettinger geht, schon. Aber das wird selbst er nicht durchhalten können. Jetzt geht es um die nationalen Umsetzungen der Verordnung und u die Umsetzungsrichtlinien. Und da wird die Diskussion dominieren, wie Spezialdienste denn definiert werden sollen. Die Verordnung bleibt hier völlig schwammig und widersprüchlich. Da kann jeder Videokonferenzdienst für sich beanspruchen, ein Spezialdienst zu sein. Und da werden klare Kriterien auf zwei Ebenen nötig werden: Zum einen die Definition, was denn nun ein Spezialdienst sein kann und was nicht. Zum anderen wie die Datenpäckchen dieser Spezialdienste dann identifiziert werden. Denn eine Deep Packet Inspection wird auf so großen Widerstand stoßen, dass sie kaum umgesetzt werden kann. Die Identifizierung nur anhand der absendenden oder empfangenden IP-Adresse ist ebenfalls problematisch.
    Kloiber: Nun hat die Deutsche Telekom ja gleich zwei Tage nach dem Beschluss des Europäischen Parlaments angekündigt, ein Zweiklassen-Internet einführen zu wollen. Wie wollen die die zu bevorzugenden Datenpäckchen identifizieren?
    Welchering: Die sortieren nach Absendern, nicht nach Datenklassen. So gibt es bei der Telekom etwa die Idee, Start-ups ein schnelleres Internet anzubieten, also für die die Überholspur freizumachen, wenn dafür eine Umsatzbeteiligung dieser Start-ups an die Telekom fließt. Dazu reicht in der Tat die IP-Adresse des Absenders. Vodafone findet das übrigens eine ganz klasse Idee.
    Kloiber: Welchen Einfluss können denn Netzaktivisten noch auf die Umsetzungsrichtlinien nehmen?
    Welchering: Julia Reda von der Piratenfraktion meint ja, dass da noch einiges möglich sei. Sabine Verheyen von der EVP-Fraktion will über das Wettbewerbsrecht noch nachregulieren. Ich persönlich glaube nicht, dass das klappen wird. Die Telecom-Unternehmen haben ja die schwammige Spezialdienstlösung im Rat und in der EU-Kommission vor allen Dingen deshalb durchgesetzt, weil sie davon viel Geld erwarten. Dieser Druck auf Kommission und Mitgliedsländer wird weiterhin anhalten und auch die nationalen Umsetzungen bestimmen. Heißt also, in den Niederlanden dürfen wir mit stärkerer Netzneutralität rechnen. Die ist da ja schon geregelt. Bei uns in Deutschland stehen die Zeichen stark auf ein Mehrklassen-Internet. Lediglich beim Blockieren von Datenpäckchen der Konkurrenz dürfte es noch eine Regulierung geben, die den ganz harten Wettbewerb verhindert.
    Kloiber: Ist denn zu erwarten, dass die Mehreinnahmen der Telekommunikationsunternehmen dann in den Breitbandausbau gesteckt werden?
    Welchering: Nur zu geringen Teilen, denn den Telekom-Unternehmen ist daran gelegen, die Bandbreiten so knapp wie möglich zu halten. Nur, wenn Bandbreiten ein knappes Gut sind, lassen sie sich teuer verkaufen. Wenn ausreichend Bandbreite für alle zur Verfügung stünde, dann wäre ein Zweiklassen- oder Mehrklassen-Internet nicht mehr sinnvoll. Die Entscheidung über das Telekommunikationspaket am vergangenen Dienstag im Europäischem Parlament hat einfach noch einmal deutlich gemacht, wie weit der Einfluss der Lobbyisten auf europäische Gesetzgebung reicht. Und da hilft es nicht, dass viele Abgeordnete nur widerwillig zugestimmt haben. Denn wie Oettinger sagt: Mehrheit ist Mehrheit.