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Netzneutralität
Von Datenstaus und Monopolen

Vor dem Provider sind alle Daten gleich - oder nicht? Internetbetreiber wie die Deutsche Telekom möchten mit Online-Diensten kooperieren, um am Geschäft im Internet mitzuverdienen. Aktivisten und Verbraucherschützer warnen vor einem Zwei-Klassen-Internet.

Von Jenny Genzmer | 22.11.2014
    Einzelne Glasfaserkabel der Deutschen Telekom, aufgenommen bei Verlegearbeiten in Hannover.
    Staus auf den Datenautobahnen: Internetanbieter suchen nach neuen Einnahmequellen, um den Netzausbau zu finanzieren. (picture alliance / dpa - Julian Stratenschulte)
    Egal, ob Sie sich abends eine Serie im Internet anschauen, mit Freunden skypen oder noch schnell eine Online-Überweisung erledigen: Alle Dienste laufen so schnell, wie es der Verkehr auf den Daten-Autobahnen gerade zulässt. Alle Daten von allen Dienste-Anbietern werden so gut wie technisch möglich durch das Netz geleitet. Best-Effort-Prinzip nennen das Experten.
    Weil aber immer mehr Daten durch das Internet - über die Datenautobahnen fließen, kommt es vor, dass sie sich stauen. Dass der Film ruckelt, das Gespräch unterbrochen wird oder Internetseiten nur langsam auf dem Bildschirm erscheinen.
    Netzbetreiber wollen am Geschäft im Internet mitverdienen
    Engpässe bestehen vor allem dort, wo die Daten aus den großen Netzen zu den Häusern der Nutzer müssen. Neue Kabel werden verlegt, auf denen mehr Daten gleichzeitig übertragen werden können. Aber dieser Netzausbau ist teuer. Bezahlen müssten das eigentlich die Kunden. Die wollen aber möglichst wenig für ihren Internetzugang bezahlen. Die Netzbetreiber schauen sich also nach anderen Geldquellen um, wollen ihre Netze nun nicht mehr nur betreiben, sondern auch am Geschäft im Internet mitverdienen. Philipp Blank, Sprecher der Deutschen Telekom sagt:
    "Wir haben Interesse daran, mit möglichst vielen Internetanbietern zu kooperieren und da vor allem auch mit den Start-ups, die neu auf den Markt kommen. Unser Interesse ist natürliches kein altruistisches, sondern, was wir machen wollen, ist über die Partnerschaft natürlich zu erreichen, dass wir an dem Umsatz beteiligt werden. Das heißt, ein paar Prozent des Umsatzes dieser Dienstanbieter würde dann an uns gehen, damit wir auch das Geld haben, für den weiteren Netzausbau zu sorgen."
    Wenn Netzbetreiber aber mit Online-Diensten kooperieren, sehen das nicht nur Internetaktivisten, sondern auch Politiker und Verbraucherschützer kritisch. Ilja Braun etwa, vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, sagt:
    "Das Problem liegt eher darin, dass Provider Verträge machen, wo sie sagen, bestimmte Dienste werden nicht in das Volumen eingerechnet, die könnt ihr quasi umsonst nutzen und wenn ihr andere Dienste nutzen wollt, dann geht es von eurem Volumen ab. Das ist natürlich ne Bevorzugung, die nicht technischer Art ist, aber aus der Vertragsgestaltung kommt. Also letztendlich ist Netzneutralität nicht so sehr ein technisches Thema, sondern eher ein wirtschaftspolitisches."
    Das wird im Mobilfunk deutlich. Die Deutsche Telekom hat zum Beispiel für ihre Kunden ein Abkommen mit dem Musik-Streaming Dienst Spotify. Daten, die bei der Nutzung entstehen, werden dabei auf den Datenvolumen-Verbrauch nicht angerechnet. Verbraucherschützer Ilja Braun findet das bedenklich:
    "Aus unserer Sicht können Provider noch weitere Dienste anbieten, es geht nur darum, dass sie diese Dienste nicht bevorzugen sollen gegenüber anderen, die von anderen Unternehmen angeboten werden. Und diese Möglichkeit haben sie technisch eben relativ leicht, weil sie die Kontrolle über die Leitungen und die Kontrolle über das Netz haben und bei der Netzneutralität geht es darum, dass sie den anderen Anbietern auch einen Zugang zu diesen Leitungen gewähren sollen."
    Verletzung der Netzneutralität oder normale Marktwirtschaft?
    Jungen Start-ups zum Beispiel, die ihre Dienste auf dem Markt noch nicht etablieren konnten und keine Kooperationen mit Netzanbietern haben. Internetaktivisten und Verbraucherschützer befürchten nun, dass der Datenverkehr immer mehr von Netzbetreibern gesteuert wird. Nutzer könnten künftig ihre Entscheidung, welchen Dienst sie nutzen, davon abhängig machen, mit wem ihr Internetanbieter kooperiert. Eine Marktverzerrung und Verletzung der Netzneutralität, sagen die einen. Normale Marktwirtschaft, sagt Philipp Blank, Sprecher der Deutschen Telekom:
    "Ich denke, es ist auch ganz wichtig, dass Europa nicht versucht, diese Kooperation zu verhindern, weil wir sonst riskieren, dass unsere Internetwirtschaft weiter zurückfällt gegenüber den USA, wo diese Kooperation schon viel häufiger anzutreffen sind."
    Aus Sicht der Telekommunikationsanbieter ist die strikte Gleichbehandlung von Datenpaketen im Internet ein Mythos. Ein Schlagwort, das stattdessen immer häufiger in Politik und Industrie Verwendung findet, ist Qualitätssicherung. Noch einmal Philip Blank:
    "Wir werden in Zukunft Dienste sehen, wie die Telemedizin, wir werden vernetzte Fahrzeuge sehen, über die die Fahrzeugsteuerung verbessert werden soll. All das sind Dienste, die sehr hohe Qualitätsanforderungen haben. Und da braucht es zwangsläufig eine Kooperation, um einen Dienst in einer bestimmten Qualität auch garantieren zu können."
    Auf dem IT-Gipfel in Hamburg hat Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt, die Netzneutralität erst einmal nicht per Gesetz festzulegen. Ein offenes Feld also, für Netzbetreiber, Dienste-Anbieter und Verbraucherschützer, die sagen...
    "... es geht nicht, dass es zulasten des Internets geht, das für alle offen ist. Wenn ihr Spezialdienste anbieten wollt, dann könnt ihr das machen, aber dann müsst ihr es zusätzlich zum Internet machen, und müsst zusehen, dass die Bandbreite nicht runtergeht."