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Justizminister Maas geht auf Distanz zu Range

Generalbundesanwalt Harald Range musste zurückrudern: Die Ermittlungen gegen das Weblog netzpolitik.org hatten bundesweit für Unverständnis gesorgt, außer bei der CSU. Am Nachmittag machte Justizminister Heiko Maas klar, dass die Bundesregierung keinen Ermittlungsbedarf sieht.

Von Johannes Kulms | 31.07.2015
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gibt am 31.07.2015 in Berlin im Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz ein Statement zum Vorgehen der Justiz gegen den Internetblog "Netzpolitik.org".
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auf der Pressekonferenz am 31. Juli 2015 (dpa / Britta Pedersen)
    Noch nicht einmal eine Stunde ist an diesem Freitagnachmittag vergangene, seitdem Generalbundesanwalt Harald Range angekündigt hat, die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen das Blog Netzpolitik.org ruhen zu lassen, da tritt Bundesjustizminister Heiko Maas vor die Presse. Er begrüßt Ranges Entscheidung:
    "Ich habe heute dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, dass ich Zweifel daran habe, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen. Ich habe ihm auch mitgeteilt, dass ich auch Zweifel daran habe, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlands herbeiführt."
    Kurz zuvor hatte Generalbundesanwalt Range gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklärt, dass er mit "Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit" von "nach der Strafprozessordnung möglichen Exekutivmaßnahmen absehe".
    Warten auf externes Expertengutachten
    Zunächst sei die Frage zu klären gewesen, ob es sich bei den Veröffentlichungen durch das Blog Netzpolitik.org um die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses handele. Dazu sei ein externes Sachverständigengutachten eingeholt worden, sagte Range. Bis das Gutachten vorliege würde mit den Ermittlungen innegehalten.
    "Ich habe immer gedacht, so was prüft man vorher. Wenn das ein Beamter in einer anderen Behörde wäre, würde ich sagen, Oh Gott, fehl am Platz",
    sagt die Bundestags-Abgeordnete Martina Renner, die auch Obfrau für die Partei Die Linke im NSA-Untersuchungsausschuss ist. Doch womöglich sei Ranges Begründung nur vorgeschoben, so Renner gegenüber dem Deutschlandradio-Hauptstadtstudio.
    "Also, vielleicht hat Herr Range gemerkt, dass er sich instrumentalisieren lässt, insbesondere vom Bundesamt für Verfassungsschutz, dem dortigen Präsidenten Herrn Dr. Maaßen, der dort seinen privaten Feldzug gegen kritische Journalisten führen möchte und hat dann möglicherweise auf dem Wege heute die Reißleine gezogen."
    Solidaritätsbekundungen mit Bloggern Beckedahl und Meister
    Den ganzen Tag über hatte es aus Politik, den Medien und vor allem dem Netz Solidaritätsbekundungen für Markus Beckedahl und André Meister gegeben. Beide hatten in dem Blog Netzpolitik.org vertrauliche Unterlagen veröffentlicht – die Einblick boten in Pläne des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Online-Netzwerke stärker zu überwachen. Ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats kann im schlimmsten Falle mit einer lebenslangen Haftstrafe bestraft werden.
    "Und wenn man jetzt quasi für solche kritische Berichterstattung und unsere investigativen Recherchen auf einmal ja quasi gegen einen wegen Landesverrat ermittelt wird, dann verliert man so ein bisschen den Glauben an den Rechtstaat",
    so Markus Beckedahl. Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, setzt die Ermittlungen gegen das Blog ins Verhältnis zur NSA-Ausspäh-Affäre. Obwohl es inzwischen hinreichend Beweise dafür gebe, dass es in Deutschland zu rechtswidrigen Handlungen gekommen sei, rühre die Bundesanwaltschaft keinen Finger, kritisiert von Notz:
    "Wenn hier aber aufgeklärt wird und berichtet wird über bestimmte Vorgänge beim Bundesamt für Verfassungsschutz von Journalisten, dann wird da wegen Landesverrats ein Verfahren eingeleitet. Da scheint doch einiges aus dem Lot geraten."
    CSU: Auch Journalisten sind nicht sakrosankt
    Doch es gibt an diesem Tag auch andere Stimmen. Zum Beispiel von Stephan Mayer (CSU), dem innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion. Die Presse- und Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, so Mayer im Deutschlandfunk:
    "Aber natürlich sind auch Journalisten nicht sakrosankt. Und wenn Journalisten Geheimdokumente veröffentlichen oder weitergeben, dann machen sie sich genauso strafbar wie andere Personen oder wie zum Beispiel auch Mitglieder von parlamentarischen Kontrollgremien, die genauso sich strafbar machen, wenn sie geheimhaltungsbedürftige Dokumente in fremde Hände geben."
    Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bisher nicht zu dem Fakk geäußert. Doch im Bundeskanzleramt hält man das Vorgehen von Bundesanwaltschaft und Verfassungsschutz gegen das Blog Netzpolitik.org für problematisch, berichtet die Deutsche Presse-Agentur.