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Netzwerk an verflochtenen Meeresschutzgebieten

Um die Wasserverschmutzung zu verhindern, will die australische Regierung das weltweit größte Meeresschutzgebiet einrichten. Es so neunmal so groß sein, wie Deutschland. Der australische Umweltminister ist begeistert – aber nicht alle teilen seine Freude.

Von Andreas Stummer | 27.07.2012
    Für den australischen Umweltminister Tony Burke ist der Fall ganz klar: Dies ist ein historischer Tag für die Weltmeere. Für andere aber ist die Entscheidung ein Schlag ins Wasser. Australien will vor seinen Küsten, rund um den Kontinent, das weltweit größte Meeresschutzgebiet einrichten. Mehr als drei Millionen Quadratkilometer, eine Fläche etwa neunmal so groß wie Deutschland. Aus derzeit 27 einzelnen, soll künftig ein Netzwerk aus 60 verflochtenen Schutzgebieten werden. In vielen dieser Zonen ist es verboten, zu fischen, in anderen wird die Suche nach Erdöl und Erdgas untersagt und ihre Förderung eingeschränkt.

    "Dies sind die bedeutendsten Maßnahmen zum Schutz von Meeresgebieten, die es – weltweit – je gegeben hat",

    sagt Australiens Umweltminister:

    "Wir wollen der übrigen Welt zeigen, wie wichtig uns das Bewahren der Artenvielfalt in unseren Ozeanen ist. Australien kümmert sich um seine Fischbestände – jetzt aber wollen wir riesige Nationalparks im Wasser einrichten."

    Ein Drittel des gigantischen Meeresgebietes Australiens und weite Teile des Korallenmeeres: eine einzige Schutzzone. Für Michelle Grady vom australischen Arm der PEW-Umweltorganisation ist es ein erster Schritt auf dem langen Weg zu gesünderen Ozeanen. Meeresgebiete überall seien bedroht.

    "Den Weltmeeren geht es zusehends schlechter, aber mit diesem Plan werden Australiens einzigartige Unterwasserlebewesen auch in Zukunft geschützt sein. Einige Schutzzonen aber sind dort, wo auch Rohstoffe sind. Wir müssen verhindern, dass in diesen sensiblen Regionen Öl oder Gas gefördert werden."

    Doch was Tier- und Meeresschützer als Neubeginn im Kampf gegen das Überfischen der Ozeane feiern, kritisieren Freizeit- und Berufsfischer in Australien als den Anfang vom Ende. Ganze Küstenregionen würden in den Ruin getrieben. Und Tausende Jobs in der Fischereiindustrie würden sinnlos geopfert für grüne Wählerstimmen in Sydney oder Melbourne. Ron Boswell von der konservativen Nationalpartei will den Plan anfechten.

    "Fische halten sich nicht an die Grenzen eines Meeresschutzgebietes. Einen Meter außerhalb der Schutzzone im Korallenmeer lässt die Regierung von Papua Neuguinea internationale Fischereiflotten jährlich 700.000 Tonnen Thunfisch fangen. Australien schützt diese Fische und sind sie groß genug, dann werden sie von anderen gefangen. Und unsere Fischer müssen dabei tatenlos zusehen."

    Fangverbote, Schutzgebiete und Sperrzonen: Nach Angaben der Vereinigung der kommerziellen Fischer in Australien steht bis zu 30.000 Mitarbeitern das Wasser bis zum Hals. Die australische Regierung hat allen Betroffenen Entschädigungszahlungen versprochen. Fischern wie Nick Schulz: Er fängt seit 35 Jahren vor Hervey Bay, südlich von Brisbane, Barsche und Garnelen. So wie sein Großvater und sein Vater vor ihm. Er will kein Geld von der Regierung, Nick Schulz will seine Lizenz behalten. Denn in seinem Heimathafen, sagt er, sitzen alle in einem Boot.

    "Wir haben Netzschuppen und Werkstätten an Land. Dazu kommen Anlegestellen und Betriebe, in denen der Fisch verarbeitet wird. Das sind Dutzende Arbeitsplätze. Wir werden uns wehren. Denn: Selbst, wenn mir die Regierung meine Fischereilizenz abkauft – was soll ich dann mit meinem Boot anfangen?"

    70 Prozent der Erdoberfläche ist von Wasser bedeckt. Erforscht ist aber nur ein Bruchteil der Weltmeere. Kein Wunder, dass der Umweltschutz in vielen Ländern an den Küsten aufhört. Australien aber wagt sich nun vor mit seinem Riesenschutzgebiet. Und sollten andere Nationen ihre Meeresschutzgebiete ähnlich vergrößern, dann ist für die Weltmeere und ihre Bewohner vielleicht auch wieder Land in Sicht.