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Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Wie das Bundesamt für Justiz über das NetzDG wacht

Seit Anfang des Jahres ist das umstrittene NetzDG zur "Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" scharf geschaltet. Allzu viele Beschwerden sind noch nicht eingegangen. Die neuen Aufgaben stellen die Mitarbeiter im Bundesamt für Justiz dennoch vor einige Herausforderungen.

Von Henning Hübert | 24.01.2018
    Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll Hetze und gefälschte Meldungen (Fake News) in sozialen Netzwerken unterbinden.
    Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll Hetze und gefälschte Meldungen (Fake News) in sozialen Netzwerken unterbinden. (imago / Christian Ohde)
    Keine Aufregung, alles läuft in ruhigen Bahnen – den Eindruck vermittelt das Bundesamt für Justiz in Bonn. Es hat extra wegen des NetzDGs 40 Beschäftige neu eingestellt. Doch die großen Debatten rund um das neue Gesetz betreffen es nicht direkt. Wenn dem Satiremagazin Titanic sein Twitter-Account gelöscht oder Karikaturist Schwarwel sein Facebook-Auftritt gesperrt wird, dann ist das Bundesamt für Justiz gar nicht zuständig, sagt Thomas Ottersbach, Leiter des Organisationsreferats und Pressesprecher:

    "Also in dem Moment, wo ein Netzwerk einen Account löscht oder sperrt, hat das mit dem NetzDG nichts zu tun. Das NetzDG verlangt nicht die Löschung oder die Sperrung eines Accounts. Sondern es geht da nur um die einzelnen Einträge."
    Bußgeldverfahren bei Gewaltvideos
    In den ersten dreieinhalb Januarwochen hat die Behörde 98 Beschwerden gezählt, die über ihr Onlineformular eingereicht wurden. Das verlangt anzugeben, ob man sich bereits zuvor erfolglos bei einem sozialen Netzwerk beschwert hat – darüber, dass es einen rechtswidrigen Inhalt nicht gelöscht oder gesperrt hat. Geht danach eine Beschwerde über Hasskriminalität in Bonn ein, schauen sich die Beschäftigten im Bundesamt für Justiz den Inhalt nur unter ganz bestimmten Aspekten an. Thomas Ottersbach nennt als Beispiel für mögliche Bußgeldverfahren Gewaltvideos:

    "Da foltert jemand einen. Das ist erstmal eine Straftat. Aber das dann ins Netz zu stellen, ist wiederum auch eine Straftat, weil es eine Gewaltverherrlichung ist. Beides ist nicht das, was das Bundesamt für Justiz sanktioniert. Beides ist eine Sache der Staatsanwaltschaft und der Polizei.
    Wir sanktionieren das Unterlassen des Netzwerks, dass sie diese Löschung nicht vorgenommen haben. Also es geht nur um das Verhältnis zwischen dem eingetragenen Inhalt, der rechtswidrig sein muss nach den Strafgesetzen - und auf der andern Seite dem Nichtlöschen des Netzwerkbetreibers. Es geht nicht um die Straftat, die vielleicht gefilmt worden ist."
    Psychologen betreuen Mitarbeiter
    Die sich die für das NetzDG zuständigen Mitarbeiter im Amt dennoch ansehen müssen - Stichwort Prüfung auf Rechtswidrigkeit.

    "Insbesondere die bewegten Bilder, das ist sicherlich nicht einfach, die aus dem Kopf wieder zu bekommen, wenn man abends nach Hause geht. Und deshalb versuchen wir wirklich von Anfang an unsere Beschäftigten gut zu betreuen. Wir haben dafür zwei Psychologinnen eingestellt, die von Anfang an, vom ersten Tag an jetzt, mithelfen sollen, dass von unseren Beschäftigten das auch jeder für sich gut psychisch bewältigt", sagt Ottersbach. Vorgesorgt ist also.
    Allein: Sollte dauerhaft das so genannte Overblocking eintreten, hätte die Bonner Behörde mit dem NetzDG kaum etwas bis nichts zu tun. Overblocking ist das übermäßige Löschen beanstandeter Inhalte bereits durch die Anbieter sozialer Netzwerke. Die sich auf ihre selbst gegebenen Compliance-Regeln berufen und womöglich die hohen Bußgelder aus Bonn fürchten. Erledigen also die Firmen routinemäßig und hundertprozentig, worauf sich eigentlich das Bundesamt und das zuständige Bonner Amtsgericht eingestellt haben? Also das Abwägen in strittigen Fällen, welches Posting denn nun rechtswidrig ist oder nicht? Nach einem Widerspruch im Bußgeldverfahren wäre diese Entscheidung laut NetzDG Sache eines Richters. Die Bonner Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann hat sich darauf eingestellt, solche Fälle zu prüfen und dann zur Entscheidung einem von vier Bonner Schöffenrichtern vorzulegen. Allein: Es gibt noch kein einziges Bußgeldverfahren.
    "Es ist sehr schwer, den Aufwand zu beurteilen. Wir haben mit großem Aufwand gerechnet und sind jetzt im Moment ein kleines bisschen überrascht. Aber das ist vielleicht dem Zeitablauf geschuldet. Darüber hinaus muss das Bundesamt für Justiz in seinem Bußgeldbescheid feststellen, dass Facebook, Google etc. keine ordnungsgemäße Organisation zum Umgang mit rechtswidrigen Eintragungen bereithalten. Und das kann man nicht schon dann feststellen, wenn ein, zwei Mal ein rechtswidriger Inhalt nicht gelöscht wurde" sagt Birgit Niepmann.
    Bußgelder bei Fehlen von formalen Angaben
    Betreiber könnten dennoch mit teuren Bußgeldern aus Bonn zu tun bekommen: Wenn sie formale Fehler begehen bei ihrer Berichtspflicht, mahnt Thomas Ottersbach:

    "Jedwedes Netzwerk, was unters NetzDG fällt, muss einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen und den entsprechend auf seiner Homepage für die Bürgerinnen und Bürger veröffentlichen. Und darüber hinaus noch eine für die Strafverfolgungsbehörden zuständige Ansprechperson."
    Fehlen diese Angaben, drohen bis zu 500.000 Euro Bußgeld. Da kontrolliert das Bundesamt für Justiz jetzt auch kleinere Anbieter.