Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Neu im Kino
Sterbehilfe mit bittersüßem und schwarzem Humor

Die Legalisierung der Sterbehilfe ist schon Motiv vieler Filme gewesen. Mit "Am Ende ein Fest" gelingt es den beiden israelischen Filmemachern Sharon Maymon und Tal Granit, ein bewegendes Manifest für selbstbestimmtes Leben und Sterben auf die Leinwand zu bringen, meint unser Rezensent.

Von Jörg Albrecht | 23.09.2015
    Einer Szene des Kinofilms "Am Ende ein Fest"
    Einer Szene des Kinofilms "Am Ende ein Fest" (dpa/picture alliance/Neue Visionen Filmverleih/dpa )
    "Zelda! – Gott, bist du das? ..."
    Damit seine Mitbewohner in einem Jerusalemer Seniorenheim niemals aufgeben und neuen Lebensmut fassen, wendet der 72-jährige Yehezkel unkonventionelle Methoden an. Dann wird er auch mal zu Gott.
    "Es gibt keinen Platz im Himmel?"
    "Warte! Ich sehe noch mal nach ... Alles voll! ... Gib nicht auf! Lass dich behandeln!"
    Gleich die erste Szene in "Am Ende ein Fest" gibt den Ton des Films vor: Dem todernsten Thema vom Sterben wird hier mit Humor begegnet. Nun ist es eine Sache sich am Telefon als Gott auszugeben, eine andere aber, wenn man wirklich Gott spielt und über Leben und Tod entscheidet. Genau das wird passieren, als sich die Frau von Yehezkels bestem Freund Max an ihn wendet. Max, der unheilbar krank ist, soll von seinem Leiden erlöst werden.
    Yehezkel steht vor einem ethischen Dilemma. Und so beginnt er damit, an einer Apparatur zu tüfteln, die es dem sterbewilligen Patienten selbst überlässt, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem sein Leben enden soll. Aber die Sache mit dem würdevollen Sterben ist längst nicht das Einzige, worüber sich die Senioren den Kopf zerbrechen.
    "Nur ihr wisst bisher von uns Beiden. Seine Frau hat keine Ahnung. Er hat sich noch nicht geoutet."
    "Ruhig Blut! Sag ihm, dass er sich keine Sorgen machen muss!"
    "Meine Mutter weiß auch nichts davon. ..."
    In einem anderen Film wären ein im Kleiderschrank versteckter Liebhaber und eine Nacktparty im Garten der Seniorenresidenz nur aufgesetzter Klamauk. Hier aber werden damit en passant auch noch Problemfelder wie Homosexualität im Alter und Demenz angeschnitten. Vor allem aber dem sensiblen Thema Sterbehilfe mit mal bittersüßem, mal schwarzem Humor zu begegnen, ist eine Gratwanderung. Doch die meistern die beiden israelischen Filmemacher Sharon Maymon und Tal Granit samt ihrer exzellenten Darstellerriege mit Bravour. Ihnen ist ein bewegendes Manifest für selbstbestimmtes Sterben und erst recht für selbstbestimmtes Leben geglückt.
    "Am Ende ein Fest": herausragend
    "La mer"
    Was überhaupt nicht geht – schon gar nicht in einem französischen Film, ist ein Vorspann, zu dem "La Mer" erklingt. Das Chanson lässt nun mal übelste Klischees befürchten. Und die erfüllt "Der Vater meiner besten Freundin" alle. Das wird einem schon nach wenigen Minuten klar, wenn die vier Hauptfiguren eingeführt worden sind.
    "Ich kann nicht hierbleiben."
    "Und hier gibt es kein Netz. Echt genial."
    "Könnt ihr mal aufhören, euch wie ein bescheuertes Klischee eurer Generation zu benehmen?"
    Stimmt! Schön wär´s! Louna und Marie, die Töchter von Antoine und Laurent, sind Girlie- und Lolilta-Klischee pur, während das Drehbuch die Väter der Mädchen zu kompletten Vollidioten abstempelt. Das ist besonders tragisch, weil die Zwei doch von den gestandenen Schauspielern François Cluzet und Vincent Cassel verkörpert werden. Letzterer – in der Rolle von Laurent – wird während eines Urlaubs auf Korsika für Antoines Tochter Louna zum Objekt ihrer Begierde.
    "Ich sage nur, dein Vater ist mein bester Freund und du bist minderjährig. Hast du kapiert?"
    "Ja, aber wir lieben uns doch."
    "Nein, wir lieben uns nicht. Ich liebe dich nicht."
    "Es ist normal, dass du das leugnest, aber ich habe es gestern in deinen Augen gesehen: Du liebst mich."
    Man wird das Gefühl nicht los, Regisseur Jean-François Richet hatte vor, einen Éric-Rohmer-Film wie "Pauline am Strand" in die heutige Zeit zu übertragen. Doch statt einer luftig-leichten Romanze fabriziert er nur Schmierentheater mit Figuren, die jeden Pazifisten auf eine harte Probe stellen.
    "La Mer" bleibt trotzdem ein wunderbares Chanson und schön ist es auf Korsika auch.
    "Der Vater meiner besten Freundin": ärgerlich
    "Mein Name ist Werner Schmidt. Ich bin 45 Jahre alt und wohne in Waiblingen bei Stuttgart."
    Außerdem arbeitet Herr Schmidt in einem Baumarkt, hat ein kleines Häuschen und ist sein ganzes Leben schon ledig. Farbloser könnte der Protagonist eines Films kaum sein. Aber auch Herr Schmidt hat ein Geheimnis: ein hochexplosives.
    Nachts wird der Biedermann nämlich regelmäßig zum Brandstifter und jagt Autos in die Luft. Fast hätte er dabei eine Frau auf dem Gewissen gehabt. Doch im letzten Moment kann er sie retten und nimmt sie mit zu sich nach Hause. Ein schmerzhafter Fehler, wie sich herausstellt, denn Sybille – so nennt sich die Unbekannte – ist auf der Flucht. Kriminelle Immobilien-Haie sind hinter ihr her, denn Sybille ist im Besitz eines Videos, an dem die Staatsanwaltschaft Interesse haben dürfte.
    "Wo ist sie?"
    "Wo ist was?"
    "Wo ist die Schneekugel?"
    "Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden."
    Dass schwarzer Humor nicht unbedingt eine deutsche Erfindung ist und erst recht keine schwäbische, sieht man dem Regiedebüt von Marc Schlegel in so einigen Szenen an. Zwischen Provinzposse und Krimikomödie changiert sein Film mit Michael Lott in der Hauptrolle. Dem Regisseur schwebte wohl eine Art schwäbisches "Bang Boom Bang" vor. Im direkten Vergleich aber zieht "Schmidts Katze" den Kürzeren. Zu behäbig ist das alles inszeniert, was allerdings als stimmiges Lokalkolorit ausgelegt werden kann.
    "Auf das hier endlich wieder Ruhe einkehrt! Prost!"
    "Schmidts Katze": zwiespältig