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Neuauflage
Rührstück eines traurigen Teenagers

In "Cocktails" geht es um das Elend des nicht mehr Kind- und noch nicht Erwachsenseins. Geschrieben wurde der Roman 1956 von der damals 18-jährigen Pamela Moore. Nun wurde er neu aufgelegt. Auch wenn er in das Genre von "Fänger im Roggen" oder "Bonjour Tristesse" passt, erreicht er doch nicht ihre Ausdruckskraft.

Von Verena Sacha | 19.01.2016
    Wäre da nicht die schlagende Symbolik, könnte man die vielen Bananen für einen Werbegag von Chiquita halten. Die Protagonisten in Pamela Moores Roman sind beim Verspeisen von Bananen bevorzugt dürftig bekleidet, im Bett und in Gespräche über Sex vertieft. Was für die Bananen gilt, gilt für dieses Debüt insgesamt: Es gibt darin zu viel zu Offensichtliches.
    "Cocktails", so der deutsche Titel, wurde von einer 18-Jährigen verfasst und zu einem internationalen Bestseller. Das war 1956. "Chocolates for Breakfast", "Schokolade zum Frühstück" hieß das Buch im Original, obgleich darin lediglich von Champagner zum Frühstück die Rede ist. Alkohol fließt auf jeden Fall in rauen Mengen. Allerdings nicht genug, um alles Leid darin zu ertränken. Die Hauptleidende ist die 15-jährige Courtney Farrell. Courtney kommt von einem Internat in Neuengland, das sie hasst, nach Hollywood, das sie hassen lernt, schließlich nach New York, wo sie auch nicht glücklich wird. Courtneys Mutter ist eine ausgemusterte Schauspielerin, ihr abwesender Vater ein gut verdienender Verleger und ihre beste und einzige Freundin eine Tochter aus reichem Haus, die sich dem Nuttendasein verschrieben hat.
    Zwischen Kindsein und Erwachsenwerden
    Es geht ums Elend des nicht mehr Kind- und noch nicht Erwachsenseins. "Ich bin ja noch ein Kind!", "Ich bin kein Kind mehr!", "War sie also doch noch ein Kind?", "Dann bist du jetzt kein Kind mehr.", "kindisch", "kindlich": Keine Szene vergeht, ohne dass darin eine verlorene Kindheit beweint oder verleugnet wird, während die Welt der Erwachsenen zugleich abschreckt und lockt:
    "Man hatte (Courtney) Verantwortung übertragen, wie sie ein Kind niemals haben dürfte, sie war mit Wahrheiten konfrontiert worden, von denen ein Kind nichts wissen sollte, bis es sich von selbst entschließt, aus dem Elfenbeinturm der Phantasie in die Tiefebene Babylons hinabzusteigen."
    Pamela Moore lässt nichts ungesagt. Courtney wiederum lässt nichts unversucht. Sie flirtet mit ihrer Englischlehrerin und opfert ihre Jungfräulichkeit einem verkappt schwulen Schauspieler. Sie liest in engen Jeans Baudelaires "Les Fleurs du Mal" und wankt in New York am Arm nichtsnutziger Yale-Absolventen von Oberschichtsparty zu Oberschichtsparty. Das alles auf der Suche nach dem wahren und schönen, dem guten und echten Gefühl und dem Leben, das sie natürlich nirgends findet.
    "Cocktails" ist das Rührstück eines traurigen Teenagers über traurige Teenager. Das erklärt die unbeholfene Prosa und die Unstimmigkeiten in der Handhabung der Erzählperspektive. Das erklärt auch die Sentimentalität und die Vergleiche, die gezogen wurden, als das Buch in den USA 2013 eine Neuauflage erfuhr, nach einem halben Jahrhundert in Vergessenheit. Von der Ebenbürtigkeit mit J.D. Salingers "Der Fänger im Roggen" sprachen die Kritiker. Mit Syliva Plaths "Die Glasglocke" und "Bonjour Tristesse" von Françoise Sagan. Es stimmt, dass "Cocktails" in dieselbe Kategorie gehört. Und das ist kein literarisches Gütesiegel. Gerne wird auf den autobiografischen Hintergrund des Werkes verwiesen. Das ist ein besonders tragischer, da Pamela Moore sich 1964 im Alter von 26 Jahren erschoss.
    Wie schön wäre es, wenn es sich bei diesem Sehnsuchtsprotokoll einer früh Gereiften um einen lohnende Wiederentdeckung handeln würde. So aber ist es einfach nur eine Wiederentdeckung.
    Pamela Moore: Cocktails. Roman.
    Aus dem Amerikanischen von Tanja Handels.
    Piper Verlag, München 2015. Mit einem Nachwort von Emma Straub.
    302 Seiten. 20 Euro.