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Neue Anbauregeln für Genpflanzen
Verbote auf nationaler Ebene möglich

Beim Anbau von Genpflanzen sollen die EU-Länder künftig mehr Spielraum für nationale Verbote bekommen. Darauf haben sich Unterhändler der Staaten und des Europaparlaments verständigt. Kritik am Ergebnis kommt sowohl aus der Biotech-Branche als auch von den Grünen.

Von Jörg Münchenberg | 04.12.2014
    Symbolisch steht ein Schild mit der Aufschrift "Genfood" vor einem gentechnisch veränderten Maiskolben auf einem Feld nahe Ramin im Landkreis Uecker-Randow.
    Der Anbau von Genpflanzen kann nach einer vorläufigen EU-Einigung künftig leichter verboten werden. (picture-alliance / ZB)
    Fast sieben Stunden dauerten die Verhandlungen in der zurückliegenden Nacht, dann hatten sich die Unterhändler von EU-Parlament, Rat und Kommission auf einen Kompromiss für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen verständigt. Künftig sollen die Mitgliedstaaten deutlich mehr Flexibilität bei der Entscheidung haben, ob sie beispielsweise gentechnisch veränderten Mais anbauen wollen oder nicht.
    Bislang ist hier die Einschätzung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, kurz EFSA, entscheidend. Gibt sie auf der Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung für den Zulassungsantrag eines Unternehmens grünes Licht, können die Mitgliedsstaaten dies eigentlich kaum mehr verhindern.
    Das werde sich mit den neuen Regeln ändern, erklärte heute die christdemokratische EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger aus Österreich. Sie hat für das Parlament mit verhandelt. Künftig soll es nun ein Zweistufenverfahren bei einem Zulassungsantrag geben, bei dem die Mitgliedstaaten frei entscheiden könnten:
    "In dieser Phase eins gibt es eben die Möglichkeit, es soll verboten werden. Gibt es keine Einwände dieses Antragstellers, dann tritt dies auch in Kraft. Sollte es doch Einwände geben, dann tritt Phase zwei in Kraft. Und dort müssen dann Gründe angegeben werden, warum Gentechnik verboten werden soll. Diese Gründe sind Umweltnatur und auch sozioökonomische Gründe, also beispielsweise auch Koexistenzen und eben auch die ablehnende Haltung der Bevölkerung."
    Umstritten zwischen Rat und Parlament war die Konsultation der Gentechnik-Firmen durch die Mitgliedstaaten. Die Abgeordneten wollten zunächst die alleinige Entscheidungshoheit der EU-Staaten, ohne Konsultation. Nur so könnten mögliche Absprachen verhindert werden, heißt es etwa bei den Grünen im Europäischen Parlament.
    Gentech-Firmen müssen nicht für Verunreinigungen haften
    Der Rat wiederum sprach sich für die Einbeziehung der Gentechnik-Firmen aus, um so das Verfahren insgesamt zu beschleunigen. Nach dem jetzt gefunden Kompromiss soll nun beides möglich sein. Zugleich verzichtete das Parlament auf die bisherige Forderung, dass Gentechnik-Firmen für Verunreinigungen etwa durch Pollenflug auf Nachbarfeldern haften müssen.
    "Da hat es keine Möglichkeit gegeben, den Rat davon zu überzeugen. Der Rat hat da kein Mandat gehabt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass es eine Berichtspflicht der Staaten gibt, die Gentechnik anbauen werden, und die Kommission wird das evaluieren. Es kriegt nie jemand in Europa alles und irgendjemand nichts. Und hier ist es auch wirklich um die Rechtssicherheit gegangen. Deswegen hat das Parlament am Ende dem Rat auch das Zugeständnis gemacht, nicht alles durchzubekommen", verteidigt die christdemokratische EU-Abgeordnete Köstinger den Kompromiss.
    Die Grünen kritisierten dennoch die erzielte Einigung. Nun drohe in Europa ein gentechnischer Flickenteppich. Tatsächlich aber gibt es mit Spanien und Großbritannien nur zwei Mitgliedsländer in der EU, die verstärkt gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen.
    Das Parlament dürfte ohnehin mit breiter Mehrheit den erreichten Kompromiss mittragen. Offen ist jedoch das Votum der Mitgliedstaten, die schon in der kommenden Woche über die heutige Grundsatzeinigung abschließend entscheiden wollen.