Wahlrechtsreform

Weniger Abgeordnete, aber wie?

06:31 Minuten
Abgeordnete des Deutschen Bundestages geben bei einer namentlichen Abstimmung ihre Stimmkarten zum Haushalt 2020 ab.
Ganz schön voll ist es im Plenarsaal des Bundestags: Das Parlament hat derzeit 110 Abgeordnete mehr als vorgesehen. © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Knut Bergmann im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 24.06.2020
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Der Bundestag hat zu viele Abgeordnete. Die Parteien streiten darüber, wie man die Zahl der Parlamentarier verkleinern könnte. Wahlkreise reduzieren oder deren Größe verändern? Knut Bergmann vom Institut der deutschen Wirtschaft findet das zweischneidig.
Der Bundestag wird immer größer. 709 Abgeordnete drängen sich mittlerweile im Parlament. Dass es fast Jahr für Jahr immer mehr werden, liegt an den sogenannten Überhangmandaten. Die entstehen, wenn eine Partei bei der Wahl zum Bundestag mehr Direktmandate über die Erststimmen erhält, als ihr Sitze im Bundestag gemäß der Anzahl der Zweitstimmen zustehen. Die anderen Parteien bekommen aber Ausgleichsmandate, denn allein die Zahl der abgegebenen Zweitstimmen entscheidet über die Kräfteverhältnisse im Bundestag.
Was tun? Eine Wahlrechtsreform scheint die einzige Lösung zu sein. Aber wie? Denn dabei stünden sich handfeste politische Interessen gegenüber, sagt Knut Bergmann, Kommunikationschef des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Deckeln oder verkleinern?

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) schlug eine Deckelung der Zahl der Sitze im Parlament vor. Eine andere Option, eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise, hält er bis zur nächsten Wahl 2021 für nicht mehr realisierbar. Vor allem CDU und CSU halten bislang nichts von der Idee, die Zahl der Wahlkreise zu verringern. Der Grund liegt auf der Hand: Beide Parteien verfügen über viele Direktmandate.
In der Diskussion müsse man sich vor Augen halten, dass es bei den bestehenden Wahlbezirken krasse Größenunterschiede gebe: So sei Deutschlands größter Wahlbezirk, um Rostock herum, 6300 Quadratkilometer groß. Dort Bürgernähe herzustellen, sei für den Abgeordneten angesichts der großen Entfernungen fast unmöglich. Umgekehrt sei Deutschland kleinster Wahlkreis, in Berlin, gerade mal 25 Quadratkilometer klein.
Knut Bergmann, Leiter des Hauptstadtbüros des Instituts der deutschen Wirtschaft.
Knut Bergmann, Leiter des Hauptstadtbüros des Instituts der deutschen Wirtschaft.© Foto: IW Medien
"Kann man die Wahlkreise anders zuschneiden? Da würde man natürlich sagen: Ja. In ländlichen Gebieten lässt man sie gleich, in Ballungsgebieten weitet man sie aus. Nur: Dann haben Sie auf einmal ein Repräsentationsproblem, weil der eine Politiker dann 100.000 Wählerinnen und Wähler vertritt. Der andere aber 250.000."

Knut Bergmann, Jahrgang 1972, ist Politologe und Publizist und seit 2012 beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft. Er leitet dessen Kommunikationsabteilung und das Hauptstadtbüro. Bergmann war zuvor Redenschreiber bei Bundespräsident Horst Köhler und Bundestagspräsident Norbert Lammert. Er hat unter anderem das Buch "Mit Wein Staat machen. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" geschrieben.

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