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Neue Brücke in Bangladesch
Viel mehr Heiratsanträge als vorher

Wenn eine sichere Brücke über den Fluss fehlt so wie bisher am Chitra-River in Bangladesch, versäumen Mädchen ihren Unterricht, können Kranke nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht werden und Kinder ertrinken beim Kentern der Boote. Eine neue Brücke aus Beton hingegen verbessert Leben und Einkommen der Einwohner immens.

Von Ulrich Leidholdt | 14.05.2016
    Arbeiter in Bangladesch bauen die vom Zyklon "Aila" betroffenen Gegend um Khulna, wieder auf. Khulna liegt 400 km südlich von Banladeschs Hauptstadt Dhaka
    Eine Brücke aus Beton könnte Wege kürzer und sicherer machen und Leben und Einkommen der Einwohner in Bangladesch immens verbessern (picture-alliance / dpa/epa/Abir Abdullah)
    "We are standing here – this is the Chitra River…"
    "Hier an der Narikelbari-Straße und –Brücke werden die Probleme Bangladeschs sehr deutlich. Ein Fluss, über den es bisher keine Verbindung gegeben hat - mit Ausnahme eines schwankenden Stegs aus Bambuslatten, über den die Leute sich hinüber tasten von einer Seite des Ufers zur anderen. Wenn sie schwereres Gepäck haben oder Güter transportieren, dann steht ihnen ein kleiner Kahn zur Verfügung, mit dem sie übergesetzt werden müssen.
    Nun soll eine neue, feste Brücke aus Beton diesen Zustand verändern, damit die Leute von der einen Seite des Flusses auf die andere viel leichter kommen können - auch mit dem, was hier das Delta im Süden von Bangladesch hergibt an Früchten, an Lebensmitteln, an Obst und Gemüse – damit das von einer Seite des Flusses zur anderen gebracht werden kann und die Leute davon profitieren. So sehen es hier auch die Experten, die jetzt für den Bau der Brücke verantwortlich sind und diese Baumaßnahme vorantreiben zum Vorteil der Menschen links und rechts des Flusses."
    Der entscheidende Unterschied: eine 90-Meter-Betontraverse
    "All this is the implication of the bridge by the implementation of this infrastructure here.”
    Während Abu Muhammad mit der Nüchternheit des Ingenieurs Technik und Vorteile der Brücke beschreibt, weckt die 90-Meter-Betontraverse in Schülerin Rumi spürbar Begeisterung. Die 15-jährige sieht durch die neue Flussquerung plötzlich ihren Lebenstraum wahr werden.
    "Ich wohne am anderen Flussufer und möchte mal Ärztin werden. Im Moment bin ich die Beste meiner Klasse. Das ist ganz schön anstrengend. Ich muss jeden Tag über den Fluss, aber oft kam ich nicht oder zu spät rüber. Bei Regen ist alles nass - meine Kleidung, mein Rucksack und meine Schulbücher. Manchmal musste ich dann wieder zurück nach Hause. Aber man muss damit klar kommen. Die neue Brücke ist super. Sie verändert mein Leben und so könnte mein Berufsziel wahr werden. "
    Vor allem Mädchen gaben vor dem Bau der Brücke oft die Schule auf oder versäumten zumindest viel Unterricht. Nur eins von vielen wetterbedingten Alltagsproblem Bangladeschs. Sie sind Folge der Geografie des 160-Millionen- Landes auf der Hälfte der Fläche Deutschlands: Ein Gewirr von Flüssen und Flussarmen durchzieht das Land. Besonders in der sechs- bis neunmonatigen Regenzeit treten sie täglich über ihre Ufer.
    Wetterbedingte Alltagsprobleme beeinträchtigen Leben und Einkommen
    Viele Regionen liegen nur knapp über dem Meeresspiegel. Der steigt durch den Klimawandel an. Auch am Chiva-River fehlte ein Hochwasserschutz. Unbefestigte Straßen und Hütten wurden regelmäßig weggespült. Das beeinträchtigt Leben und Einkommen der Menschen in Bangladesch erheblich.
    Immer wieder wollten Leute auch nachts oder bei schlechtem Wetter über den Fluss weiß Abu Mohammad. Oft gab es Tote, Kinder ertranken, wenn Boote kenterten. Hatte jemand nachts einen Herzanfall, dann kam er nicht ins Krankenhaus drüben. Die Alternative war Tod oder Gottes Gnade. Ein Alltag, der sich jetzt verändert.
    Auch auf dem Nakelbari-Markt gleich hinter der Brücke spüren sie die Vorteile des intensiven und sicheren Hin und Her am Chiva. Händlerin Mukti Schikdar hat gerade ihren schmucken Stand eröffnet, sie verkauft Schuhe und Tücher. Und setzt große Erwartungen in die Brücke.
    "Früher hätte ich so einen Stand nicht aufmachen können. Jetzt können viele Leute zum Markt kommen – ich hoffe auf gute Geschäfte. Außerdem kann ich meine Sachen jetzt auch auf der anderen Seite verkaufen und weiter ins Land reinfahren. In meiner Familie stehe ich besser da, weil ich selbstständig und erfolgreich bin. So kann ich Vorbild sein für mein Dorf und mit Gottes Hilfe wird alles besser. "
    Wege werden kürzer und sicherer mit der Brücke
    Noch wird letzte Hand an die Verbindung über den Chiva gelegt. Schon längst jedoch zeigt die ihre Wirkung und verbessert im wahrsten Sinne des Wortes das Klima.
    Robuster Beton und die um einen Meter höher gelegte Trasse sichern Straße und Brücke, die Überschwemmungen, Stürmen und Regengüssen widerstehen können. Abwasserrohre, Waschräume und Toiletten schaffen bessere Lebensbedingungen und erhöhen die Einkommen am Narikelbari-Markt. Wege werden kürzer und sicherer, der Handel floriert, Anwohner kommen schneller zur Arbeit, das Hospital und fünf Schulen sind besser erreichbar. Straße und Brücke würden sogar zum zwischenmenschlichen Erfolgsmodell für 80.000 Menschen direkt am Fluss hat Ingenieur Abu Mohammad erfahren.
    Dorfbewohner von der anderen Seite erzählen, ihre Töchter seien vor der Brücke nur schwer zu verheiraten gewesen. Sie konnten ja kaum Männer von drüben treffen. Jetzt gibt es viel mehr Heiratsanträge, weil sie sich leichter sehen können.