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Neue Bußgeldpraxis beim Parken
Private Wachdienste verteilen Knöllchen

Parkplätze in Innenstädten sind rar und teuer. Manche Autofahrer weichen daher aus - etwa auf Stellplätze vor Supermärkten. Die Läden schalten deshalb zunehmend private Dienstleister ein, die Knöllchen verteilen. 30 Euro pro Strafzettel sind mittlerweile Usus. Juristisch ist diese Praxis allerdings umstritten.

Von Karsten Zummack | 05.05.2017
    Ein überdimensionales Schild "Parkplatz" hängt am 29.04.2015 an einer Parkfläche für Pkw in Gera (Thüringen)
    Strafzettel, auch Knöllchen genannt, sind neuerdings auch auf Supermarktparkplätzen zu haben. Rechtlich gibt es dagegen Bedenken. (dpa / Jan Woitas)
    Einkaufswagen werden eilig Richtung Ladeneingang geschoben. Zwischendrin bahnen sich Autofahrer ihren Weg zu den besten Stellplätzen. Nachmittags 16 Uhr, Rushhour vor dem Supermarkt. Im Eifer des Gefechts achten nicht alle Kunden auf die großen blauen Hinweisschilder, die zur Benutzung einer Parkuhr auffordern. Ein teures Versäumnis, wie der Fotograf Kai Stuht jetzt in Berlin erfahren musste:
    "Also wir haben in der Nähe ein Büro. Und ich bin dann mit meinem Wohnmobil auf den Parkplatz gefahren, habe den auch ein bisschen seitlich abgestellt und bin dann bei Aldi einkaufen gegangen und habe dann noch schnell was aus dem Büro geholt. Und dann hatte ich so einen langen gelben Zettel – habe ich das erste Mal gesehen – an der Scheibe. Und war ziemlich erbost, weil es ein privater Dienst war, der irgendwie 30 Euro für das Strafticket nimmt."
    Verständnis für Rigorosität
    Kai Stuht fühlt sich abgezockt. Schließlich hatte er zuvor für 150 Euro im Supermarkt eingekauft. Tatsächlich müssen Kunden immer öfter auf solchen Parkplätzen die Parkuhr stellen. Ansonsten droht ein Knöllchen.
    Björn Fromm, der in Berlin zwei Edeka-Supermärkte betreibt, verzichtet auf solche Sanktionen und Kontrollen, äußert aber Verständnis für seine rigoroseren Kollegen:
    "Die Flächen natürlich – ob man sie gemietet hat oder das im Eigentum ist –, die betreibt man, die bewirtschaftet man, die kosten ja auch Geld. Und die werden natürlich für die Kunden vorgehalten. Und Kunden kommen gern dorthin, wo auch viele Parkplätze sind. Und deswegen muss man sich natürlich dagegen wehren, wenn diese vollgeparkt werden von Leuten, die eben unseren Besitz stören und damit den Kunden das Einkaufen nicht ermöglichen."
    Mit jedem Kunden, der keinen Parkplatz findet, gehen schätzungsweise 30 bis 40 Euro Umsatz je Einkauf verloren. Deshalb müssen Kunden und Falschparker verstärkt mit Knöllchen rechnen. Viele Supermärkte haben diese Aufgaben ausgelagert an Fremdfirmen. Das ist für die Marktbetreiber bequemer als selbst die Parkplätze zu überwachen, erklärt Michael Reink, Bereichsleiter Verkehrspolitik beim Handelsverband Deutschland:
    "Die Kernkompetenz ist ja letzten Endes des Händlers nicht, dementsprechend seinen Parkraum dort zu bewirtschaften, sondern seine Kernkompetenz ist eben, ein gutes Angebot zu machen. Wenn man sich vorstellt, was ein Händler alles dementsprechend machen muss, dann wird er garantiert nicht auf seinem Parkplatz den ganzen Tag unterwegs sein, um da zu sehen, wie dort im Einzelnen geparkt wird. Sondern wenn es dort offensichtlich Probleme gegeben hat: Einige gehen dann auf Dritte, das heißt auf Dienstleister zu."
    Für diese Firmen wie zum Beispiel Park & Control oder Fairparken, die nicht zum Interview bereit sind, ist das ein neues Geschäftsmodell. Sie verdienen auf den Supermarktparkplätzen gutes Geld. Schließlich sind sie nicht an die öffentlichen Verwarnungs-Entgelte gehalten, sondern kassieren teilweise dreimal so hohe Strafen. 30 Euro sind mittlerweile Usus. Wer nicht fristgerecht zahlt, muss zusätzlich mit Mahn- und Inkassokosten rechnen. Juristisch sei eine solche Praxis durchaus umstritten, sagt ADAC-Rechtsexperte Klaus Heimgärtner.
    "Kleingedrucktes mehr oder weniger deutlich an der Zufahrt"
    "Rechtlich sind es keine Bußgelder. Weil: Bußgeld kann tatsächlich nur von Behördenseite verhängt werden. Es ist eine sogenannte Vertragsstrafe. Es wird eben Kleingedrucktes mehr oder weniger deutlich an der Zufahrt zu den Parkplätzen angeschrieben. Und wir haben einen Vertrag, der durch konkludentes Handeln zustande kommt. Also allein dass ich mich dort hinstelle, kommt der Vertrag zustande. Und dann plötzlich muss ich mit Kleingedrucktem leben, wo eben auch von mir irgendwelche Summen verlangt werden. Und das sehen wir durchaus kritisch."
    Amtsgerichte haben in dieser Frage bislang sehr unterschiedlich geurteilt. Ein Widerspruch kann sich also lohnen. Manche Supermärkte zeigen sich aber auch schon vorher kulant – lassen die Strafe fallen, wenn der Kunde den Kassenbon vorzeigen kann. Verbraucher Kai Stuht hingegen hat die geforderten 30 Euro für sein Versäumnis bezahlt, zieht aber für sich Konsequenzen:
    "Also ich werde bei Aldi jetzt auch erstmal nicht mehr einkaufen. Das bringt natürlich nichts. Aber trotzdem werde ich jetzt einfach die 300 Euro, die ich vielleicht im Monat bei Aldi gelassen habe, dann einfach mal verteilen auf andere."
    Und genau aufpassen, ob dort ebenfalls eine Parkuhr hinter der Windschutzscheibe vorgeschrieben ist.