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Neue deutsche Komödien
Jenseits von Til Schweiger

Wer in Komödien von Til Schweiger geht, weiß, was ihn erwartet. Dass es auch anders geht, beweisen jetzt zwei neue deutsche Filme: Während "Marry Me" von Neelesha Barthel von einer ungeplanten Multikulti-Hochzeit in Berlin erzählt, entführt "Worst Case Scenario" von Franz Müller auf einen polnischen Campingplatz und in einen Film im Film.

Von Josef Schnelle | 02.07.2015
    "Was sollen dieses Bedenken ständig. Ich will einfach 'ne Komödie machen. Man muss was wagen. Um Filme zu machen, muss man in der Lage sein, seine Mutter umzubringen. "
    Um deutsche Komödien ist es nicht zum Besten bestellt. Entweder sie werden von Till Schweiger gedreht und bedienen sein spezielles Klientel oder sie verlassen sich auf den Schenkelklopfhumor wie zu den Zeiten von Opas Kino.
    Nun ist es auch nicht ganz leicht, eine Filmkomödie zu drehen. Vielleicht hat Regisseur Georg, der in "Worst Case Szenario" den Film im Film realisiert, ja recht: Man muss etwas wagen. Er sowieso, denn sein Film, der während der Fußball-EM auf einem Campingplatz in Polen gedreht werden soll, wird urplötzlich von der Produktion gestoppt. Kein Geld mehr. Also kein Film?
    Immer mehr Schauspieler und Mitarbeiter verlassen den Set. Zugleich muss der Regisseur seinen Film den gegebenen Umständen anpassen. Das heißt, er muss heftig improvisieren. Die Bewohner des Campingplatzes werden immer wichtiger - als Laiendarsteller, Statisten und auch als kreative Partner.
    Franz Müllers Film bringt frischen Wind in die deutsche Komödie und ist ein herrlicher Filmspaß, auch, wenn er gelegentliche Ausrutscher nicht vermeiden kann. Franz Müller paraphrasiert ein Projekt, das er selbst hatte und wegen Einwände der Produktion stoppen musste. So kam ihm die Idee zu "Worst Case Szenario" als Film im Film im Film.
    "Nina findet's nicht schlimm, dass ihre Eltern getrennt sind. Dafür hat sie zwei Kinderzimmer im Haus." - "Du musst doch wissen, wo du die hingetan hast. Na gut - manchmal ist es 'n bisschen chaotisch hie, aber unser Haus ist für sie ein kleines Paradies, so wie für die meisten hier."
    Heirat wider Willen
    Was tun, wenn die indischen Wurzeln, mit denen Kissy eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte, plötzlich in Gestalt ihrer Oma vor der Tür stehen? Bislang wollte die junge Frau, die in Berlin-Kreuzberg ein Café betreibt, davon nämlich nichts wissen. Sie lebt als überzeugte Single-Frau in der Berliner Szene. Auch mit dem Vater ihrer Tochter, die sie - längst von ihm getrennt - alleine aufzieht, hat sie es nicht leicht. Ausgerechnet ihn zu heiraten käme ihr nicht in den Sinn.
    Das aber ist der Plan der Oma, die ein bisschen Ordnung in ihr Leben bringen möchte. Heiraten - indisch mit allem Pomp - und natürlich Kindsvater Robert gehört dazu. Bevor Kissy auch nur "Piep" sagen kann, sind die Hochzeitsvorbereitungen auch schon in vollem Gange. Die resolute Großmutter ist nicht aufzuhalten. Also überzeugt Kissy um des lieben Friedens willen Robert, der längst eine neue Freundin hat, sie wenigstens "zum Schein" zu heiraten.
    "Heiraten hört sich so anstrengend an." - "Robert, du hängst hier seit 'nem halben Jahr rum. Du kannst mich doch kurz Mal heiraten." - "Ich häng hier nicht rum. Ich sammel' Energie." - "Er ist halt noch nicht so weit." - "Okay und wann ist er soweit." - "Bald."
    Doch nun geht der Kulturkampf erst richtig los. Kissy entdeckt, dass ihre Familiengeschichte noch einige Geheimnisse birgt, deren Kenntnis ihr heutiges Leben verändern wird und dass sie auch ihre Frauenrolle hinterfragen und ihre Bindungsängste verlieren kann.
    Eine bunte, lebensfrohe Multikulti-Komödie mit viel Herz und ernstem Hintergrund. Natürlich ist dieser Film knallbunt wie das Leben der Regisseurin und das der Hauptdarstellerin, halb indisch und halb deutsch. Da kann die typische Bollywoodmusik nicht weit sein.