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Neue Einigkeit in der UNIX-Welt

Während Branchen-Primus Microsoft das Desktop-Marktsegment fest im Griff behält und lediglich Apple mit wohlgefälligem Design von Hard- und Software dagegen hält, bewegt sich Linux weiter im Randbereich einer überschaubaren Gruppe Andersdenkender. Dagegen kann das freie Betriebssystem aber im Mittel- und Großrechner-Sektor beachtliche Erfolge verzeichnen. Besonders bei UNIX-Anlagen setzt Linux inzwischen völlig neue Standards.

Achim Killer | 12.01.2002
    Einer der Entwickler, die Linux auf Mainframe-Großrechner portierten, ist Alexander Stark. Inzwischen ist der ausgewiesene Experte bei IBM für Linux-Architekturfragen zuständig. Für Außenstehende erschien es abwegig, das Alternativbetriebssystem auf die mehrere Millionen Dollar teuren Großrechner anzupassen. Doch nicht aus reiner Freude an der Bastelei oder schierem Altruismus unternahmen Stark und seine Kollegen die Titanenaufgabe, vielmehr trieb sehr rationales Marketing-Kalkül die Forscher an: "Das Motiv für das Linux-Engagement aller großen Computerfirmen ist, die Attraktivität ihrer Rechner dadurch zu erhöhen, dass sie das freie Betriebssystem darauf lauffähig machen und so ihren Kunden dann sehr viel mehr Anwendungen zur Verfügung stellen als auf Maschinen, die es nur mit einer herstellereigenen Unix-Variante gibt."

    Eine weitere Strategie der traditionellen Computer-Konzerne sei die Erweiterung eigener Unix-Versionen um neue Anwendungsschnittstellen von Linux, um so dem eigenen Betriebssystem zu mehr Attraktivität zu verhelfen. So verfügt AIX beispielsweise inzwischen über alle Linux-Interfaces, und auch bei HP-UX, einer Variante aus dem Hause Hewlett-Packard, sind die Schnittstellen immerhin schon zu 96 Prozent implementiert. Selbst Großanlagen-Spezialist Sun portiert immer mehr Linux-Schnittstellen auf das eigene Solaris. Bereits früher versuchten herstellerübergreifende Gremien wenig erfolgreich, was jetzt mit dem zumindest unter Kennern beliebten Linux verblüffend flüssig gelingt: die Schaffung umfassender De-facto-Standards für Unix. "Weil Linux ein freies Betriebssystem mit offenen, quasi beliebig erweiterbaren Standards ist, entwickelt es sich sehr schnell und überdies in aller Öffentlichkeit", konstatiert Stark.

    Doch auch ein weiterer Grund nährt das Interesse der Industrie an Linux: Damit sich die Entwicklung neuer Anwendungen lohnt, müssen sie auf mehreren Plattformen laufen. Früher mussten Programme dazu aber zunächst auf einer Unix-Version entwickelt und anschließend aufwändig auf andere Varianten portiert werden. Inzwischen zeigte sich jedoch, dass es für Hersteller viel einfacher ist, Anwendungen zunächst für Linux zu entwerfen und sie dann auf Unix-Versionen zu übertragen. "Zwar muss auch dabei berücksichtigt werden, möglichst betriebssystemunabhängig zu entwickeln. Dennoch bietet die Linux als primäre und universelle Umsetzungsplattform den Vorteil, dass eine individuelle Anpassung anschließend schneller vonstatten geht", betont Ulrich Weigand, Linux-Entwickler bei IBM und überdies in der Open-Source-Gemeinde zuständig für die Freigabe neuer Linux-Compiler-Versionen für Großrechner. Die Chancen, dass Linux zum Standard im Unix-Bereich wird, stünden gut: "Zwar ist damit nicht gesagt, dass Linux andere Unix-Formen verdrängen wird, doch was Schnittstellen und Applikationskompatibilität anbetrifft, wird sich das alternative Betriebssystem fest etablieren."