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Neue Eskalation im großen Klimastreit

Das Heartland Institute in den USA ist eine Bastion der sogenannten Klimaskeptiker, die nicht an einem menschgemachten Klimawandel glauben wollen. Vor wenigen Tagen tauchten vertrauliche Dokumente der Organisation im Internet auf, nach denen das Institut prominente Wissenschaftler unter den Klimaskeptikern bezahlt haben soll.

Von Volker Mrasek | 22.02.2012
    Es ist die nächste Eskalation in einem Streit, der offenbar nicht enden will. 2009 wurden Tausende private E-Mails führender Klimaforscher im Internet verbreitet. Unbekannte waren zuvor in einen britischen Universitätsrechner eingedrungen. Jetzt trifft es die Gegenseite, die sogenannten Klimaskeptiker, und eine ihrer Bastionen: das Heartland Institute in den USA. Vor wenigen Tagen tauchten vertrauliche Dokumente der Organisation im Netz auf, unter anderem ein Budget- und ein Geldbeschaffungsplan für 2012. Demnach bezahlt das Institut offenbar prominente Wissenschaftler unter den Klimaskeptikern.

    In einer ersten Stellungnahme reagierte die Institutsleitung aufgebracht:

    "Diejenigen, die sich bisher zu den Dokumenten äußern, haben nicht gewartet, bis das Heartland Institute ihre Echtheit bestätigt oder negiert. Wir glauben, dass es sich um zivilrechtliche und möglicherweise kriminelle Vergehen handelt. Wir planen, Schadenersatzansprüche geltend zu machen."

    Auch dem Dieb der Dokumente droht das Institut mit ernsten Konsequenzen:

    "Wir haben vor, diese Person ausfindig zu machen und ihn oder sie ins Gefängnis zu bringen."

    Inzwischen weiß man, wer sich die vertraulichen Dokumente beschaffte. Es ist Peter Gleick, ein US-Forscher, der sich in seinen Studien mit Klimaeinflüssen auf den Wasserhaushalt beschäftigt. Gleick hat sich gestern wie berichtet dazu bekannt.

    Ein Interview lehnte der Hydroklimatologe allerdings ab. Stattdessen verwies er auf seine Stellungnahme in einem Internetblog. Dort heißt es, im Januar sei Gleick ein internes Strategiepapier des Heartland Institutes zugespielt worden. Ihm selbst sei es später gelungen, weitere Dokumente direkt von dem Institut zu erhalten, und zwar unter falschem Namen. Und weiter:

    "Ich kann ausdrücklich bestätigen, dass die Dokumente, die mir das Heartland Institute per E-Mail geschickt hat, identisch sind mit denjenigen, die jetzt öffentlich geworden sind."

    Offenbar bedauert der Forscher seine Tat inzwischen und begründet sie so:

    "Mein Urteilsvermögen war getrübt durch meine Frustration über die fortgesetzten, oft anonymen und koordinierten Angriffe gegen die Klimaforschung und gegen Klimaforscher. Und über die Versuche, eine rationale öffentliche Debatte über die Realität und die Risiken des Klimawandels zu verhindern."

    Was Gleick getan hat, war nicht legal. Aber was er sagt, stimmt: Das Heartland Institute hat immer schon versucht, die etablierte Klimaforschung zu diskreditieren.

    Bestätigen kann das Riley Dunlap, Professor für Soziologie an der Staatsuniversität von Oklahoma in Stillwater. Dunlap beschäftigt sich seit Jahren mit den Praktiken der sogenannten konservativen Thinktanks, zu denen er auch das Heartland Institute zählt - auch wenn es von sich selbst behauptet, es sei politisch unabhängig.

    Der Umweltsoziologe in einem früheren Interview:

    "Diese Leute haben erkannt: Statt den Umweltschutz infrage zu stellen, ist es aussichtsreicher, die Wissenschaft dahinter zu attackieren. Und so haben sie die allgemein anerkannte Umweltforschung als Schrott bezeichnet. Die ganze Diskussion über Umweltschutzmaßnahmen basiere auf diesem Mist, also seien sie auch nicht notwendig."

    In die aktuelle Diskussion um den Dokumentenklau aus dem Heartland Institute schalten sich auch Klimaforscher ein, die im Zentrum des sogenannten Climategate-Skandals von 2009 standen und deren E-Mails im Netz auftauchten. Sieben von ihnen äußern sich jetzt in einem offenen Brief. Unter ihnen Raymond Bradley, Direktor des Klimaforschungszentrums an der Universität von Massachusetts:

    "Die Dokumente zeigen ziemlich klar, dass das Heartland Institute Millionensummen von Spendern bekommen hat. Um Leute zu unterstützen, die in ihren Veröffentlichungen behaupten, Klimaforscher bastelten sich ihre Ergebnisse zurecht."

    Bradley und seine Kollegen werfen den Institutsverantwortlichen eine Doppelmoral vor:

    "Was uns wie eine große Ironie erscheint, ist, dass sie jetzt von einer unerhörten und illegalen Aktion sprechen. Dabei haben sie sich damals vor Freude die Hände gerieben, als unsere privaten E-Mails im Netz auftauchten. Um sie dann zu kommentieren und fälschlicherweise zu verbreiten, Klimaforscher fabrizierten ihre Daten einfach."

    Die Affäre wird die Öffentlichkeit noch eine Weile in Atem halten. Peter Gleick hat sich einen Rechtsbeistand gesucht, das Heartland Institute weitete Stellungnahmen angekündigt.

    Die Bastion der Klimaskeptiker gerät durch die Veröffentlichung der internen Dokumente in Erklärungsnot. In den Papieren sind nicht nur Honorare genannt, die das Institut US-Wissenschaftlern offenbar jeden Monat zahlt, etwa Craig Idso und Fred Singer - lauter bekannten Klimaskeptikern. Es ist auch die Rede von Plänen, Schulen und Lehrer zu beeinflussen, stärker im Sinne der Zweifler zu unterrichten. Es bleibt auf jeden Fall brisant.

    [Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes wurde irrtümlich neben Craig Idso und Fred Singer auch noch Richard Lindzen unter die Forscher gezählt, die Mittel erhalten. Lindzen taucht im entsprechenden Budget-Plan nicht auf. Redaktion und Autor entschuldigen sich für diesen Irrtum]