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Neue EU-Kommissare
Malmström stellt Klagerecht bei TTIP in Frage

Die als EU-Handelskommissarin vorgesehene Schwedin Cecilia Malmström hat die Sonderklagerechte für Konzerne im geplanten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA in Zweifel gezogen. "Ich schließe nicht aus, dass es am Ende da herausgenommen wird", sagte Malmström bei der Anhörung der designierten EU-Kommissare im EU-Parlament. Auch der deutscher Bewerber Oettinger kam dort zu Wort.

29.09.2014
    Cecilia Malmström stellt die Investorenschutzklausel in Frage
    Cecilia Malmström stellt die Investorenschutzklausel in Frage (afp / Emmanuel Dunand)
    Die Schwedin Cecilia Malmström machte den Auftakt der Anhörungen der 27 designierten Kommissare im Europaparlament in Brüssel. Sie äußerte sich vor allem zu dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA, für das sie als Handelskommissarin auf Seiten der EU federführend zuständig wäre. Mit Blick auf die sogenannte Investor-Staat-Streitschlichtung (ISDS) sagte Malmström: "Es gibt Probleme mit ISDS." Es sei aber noch zu früh, um sicher von einer Streichung der Klausel sprechen zu können. Lösungen seien nicht einfach, denn es gebe in internationalen Verträgen tausende dieser Regelungen. "Sie existieren", sagte sie.
    Beim umstrittenen Investorenschutz geht es darum, dass ausländische Investoren bei für sie nachteiligen Gesetzesänderungen Staaten vor nicht-öffentliche Schiedsgerichte ziehen und auf Schadenersatz klagen können. TTIP-Gegner warnen seit längerem vor solchen Klagen. Die EU hatte in den TTIP-Verhandlungen mit Washington den Bereich Investorenschutz bereits auf Eis gelegt und eine öffentliche Befragung gestartet, auf die es über 150.000 Stellungnahmen gab. Die EU und USA wollen mit TTIP die größte Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Menschen schaffen.
    Verhandlungen über TTIP gehen weiter
    Vertreter von EU und USA kamen in Chevy Chase nahe Washington D.C. zusammen. Worum es konkret in dieser neuerlichen TTIP-Verhandlungsphase geht, ist kaum bekannt. Die Tagesordnung ist wie in der Vergangenheit nicht öffentlich. Allerdings heißt es, die Gespräche befänden sich noch auf technischer Ebene - es werde also noch über die Verhandlungspunkte an sich beraten, nicht über den konkreten Vertragstext. Ein Abkommen wird nicht vor Ende kommenden Jahres erwartet.
    Oettinger fordert Ausbau digitaler Strukturen
    Auch der einzige deutsche Bewerber für einen Kommissionsposten, Günther Oettinger, stellte sich heute der Anhörung im EU-Parlament. Er war bisher Energiekommissar und ist in der neuen EU-Kommission für den Posten Digitale Wirtschaft und Gesellschaft vorgesehen. Die Vergabe des Ressorts an den 60-jährigen früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg war teilweise mit Überraschung aufgenommen worden. Er rief die EU-Staaten bei der Anhörung dringend zu einem Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnik (ICT) auf. "Noch vor Straßenbau und noch vor Schienenwegebau ist nichts so sinnvoll wie die Modernisierung der Energie- und der ICT-Infrastruktur", sagte Oettinger. "Investitionen in die ICT-Infrastruktur sorgen für Wachstum und nicht nur für ein Strohfeuer für das Handwerk." Europa sei in diesem Bereich zurückgefallen, warnte er.
    #Oettinger: ICT-Infrastruktur hat starke Bedeutung in Mitgliedstaaten & Regionen #EPhearings2014 pic.twitter.com/68U8hz7HeY— Europaparlament (@Europarl_DE) 29. September 2014
    Im Nachteil sieht er die europäische Digitalwirtschaft insbesondere gegenüber den USA, wo die globalen Internetgiganten wie Google, Facebook oder Amazon ihren Sitz haben. Sie verfügten nach den Worten des CDU-Politikers über eine "unglaubliche Kapitalkraft". "Wenn Sie nur die zehn größten Adressen der USA addieren, haben Sie eine Kapitalkraft, mit der man gut und gerne die 50 bis 80 größten Unternehmen Europas übernehmen kann", sagte Oettinger. "Das heißt, hier steckt im Grund genommen ein Gefahrenpotenzial, das man in keiner Form unterschätzen darf."
    Die Anhörungen der designierten Kommissare im Europaparlament werden am Dienstag fortgesetzt. Sie dauern eine Woche. Die Abgeordneten müssen die neue EU-Kommission, deren Präsident Jean-Claude Juncker ist, erst noch billigen. Sie soll am 1. November ihre Arbeit aufnehmen.
    (nch/nin)