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Neue EU-Leitlinien für Netzneutralität
Regeln für den Datenverkehr der Zukunft

Das Prinzip der sogenannten Netzneutralität sieht vor, dass im Internet alle Inhalte zu denselben Bedingungen durchgeleitet werden. Festgelegt werden sollte dieser Grundsatz in einer Verordnung, die das EU-Parlament im Oktober vergangenen Jahres verabschiedet hat. Weil auch Ausnahmen erlaubt sind, wird jetzt noch nachverhandelt. Bürger können sich daran beteiligen.

Von Vera Linß | 16.07.2016
    Großaufnahme von weißen Internetkabeln
    Großaufnahme von weißen Internetkabeln (picture alliance / dpa)
    "Sie fragen sich: Warum kämmt der Typ sich hier seinen Schnurrbart? – Ich frage mich: Warum schauen Sie sich das an? – Schau nur, was du schauen willst. Welcome to Netflix."
    Ob Netflix, Maxdome oder die Mediatheken von ARD und ZDF: Videos und Filme im Netz boomen. Weltweit – so Schätzungen – wird der Internet-Traffic bis 2019 auf zwei Billionen Gigabyte im Jahr anwachsen. Und damit auch die Konkurrenz um Bandbreiten. Umso wichtiger sind klare Kriterien, nach denen Inhalte durchgeleitet werden, sagt Thomas Fuchs, Chef der Medienanstalt Hamburg-Schleswig-Holstein.
    "Die Hauptfragestellung ist, kann jeder Inhalteanbieter, der über das Netz seine Kunden erreichen will, zu den gleichen Bedingungen und ohne Zusatzkosten den Kunden erreichen. Das ist die Kernfragestellung und die ist deswegen wichtig, damit der Inhalteanbieter nicht benachteiligt wird gegenüber finanzstärkeren Konkurrenten."
    Genau das ist ein Streitpunkt bei der Netzneutralität. Erhalten bestimmte Anbieter für ihre Inhalte Vorfahrt, wenn sie extra dafür an die Netzbetreiber zahlen? Und werden andere stattdessen ausgebremst? Denkbar wäre dies, wenn ein Netzbetreiber sogenannte Spezialdienste anböte – etwa Videotelefonie oder Spiele.
    Die europäische Regulierungsbehörde BEREC hatte Anfang Juni im Rahmen der Konsultation zur Netzneutralität Leitlinien vorgelegt, in denen sie die schwammige EU-Verordnung vom Oktober konkretisiert – auch mit Blick auf diese Zusatzdienste, erklärt Alexander Sander vom netzpolitischen Verein Digitale Gesellschaft.
    "Hier ist es zum Beispiel so, dass, wenn ich einen Spezialdienst als Provider an den Markt bringe, dass das keinen Einfluss auf andere Nutzerinnen und Nutzer haben darf. Das bedeutet, dass ein bestimmtes Qualitätsniveau erhalten bleiben muss, und dass dieser Spezialdienst nicht dazu führen darf, dass dann dieses bestimmte Qualitätsniveau für alle Nutzerinnen und Nutzer, um das Internet normal nutzen zu können, absackt."
    Allerdings, kritisiert Sander, habe die Behörde nicht definiert, wie so ein Basis-Qualitätsniveau eigentlich aussieht. Auch andere Punkte sind strittig. Etwa das sogenannte Verkehrsmanagement – die Frage also, ob die Provider zu Spitzenzeiten im Netz Dienste drosseln oder beschleunigen dürfen.
    Deshalb sei es wichtig, dass sich die Bürger einmischen. Über 350.000 Wortmeldungen sind europaweit bis Samstagmittag über die Plattform savetheinternet.eu bei der BEREC eingegangen. Deutlich weniger als bei ähnlichen Konsultationen in Indien oder den USA, bedauert Barbara von Schwewick, Rechtsprofessorin an der Stanford Law School.
    "Da denken die meisten Leute, ach, das ist ja ein förmliches Verfahren, da kann ich als normaler Mensch doch nicht teilnehmen. Und das ist eben ein Fehler so zu denken, denn zum Beispiel in den USA: Mehr als vier Millionen Menschen haben da an der öffentlichen Konsultation zum Thema Netzneutralität teilgenommen und das hat ganz massiv die Regulierungsbehörde dort dann auch beeinflusst."
    Schließlich machen auch die Netzbetreiber Druck. Seitens der Deutschen Telekom heißt es zwar vage, man stehe für ein freies und offenes Netz. Der europäische Branchenverband etno droht jedoch, zu restriktive Regeln zur Netzneutralität könnten den Ausbau der nächsten Generation den Internets – des mobilen 5G-Netzes – gefährden.
    Bereits im Oktober hatte die Telekom angekündigt, dass für sie bezahlpflichtige Überholspuren im Internet vorstellbar seien. Das könnte nicht nur die Vielfalt im Netz bedrohen, warnt Jürgen Brautmeier, Chef der Landesanstalt für Medien in NRW. Auch für den normalen Nutzer hätte das unangenehme Folgen.
    "Es würde vor allen Dingen bedeuten, dass er mehr bezahlen muss. Denn irgendwo muss das Geld ja herkommen, was da fließt, wenn ich bevorzugte Behandlung habe, wenn ich andere, weil sie nicht zahlen können, dann vielleicht sogar in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Dann sind wir bei dem Thema Vielfalt, was bedeutet das für die Vielfalt und wer entscheidet darüber, was zur Vielfalt dazu gehört oder wer entscheidet darüber, wer sich auf diesen Wegen der Konkurrenz stellen kann."
    Fragen, die zu klären sind. Noch bis zum 18. Juli können Kommentare an die BEREC geschickt werden.