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Neue EU-Richtlinien
Filmproduzenten protestieren gegen Online-Lizenzen

Die EU will die Ländergrenzen beim Verkauf von Online-Lizenzen für Filme abschaffen. Dann könnten viele Serien und Filme nicht mehr produziert werden, denn teure Produktionen lohnen sich häufig erst in der Zweitverwertung. Europas Filmproduzenten protestieren dagegen ebenso, wie die privaten Fernsehsender.

Von Vera Linß | 26.07.2017
    Eine Computer-Tastatur mit Europa-Flagge
    Eine Computer-Tastatur mit Europa-Flagge (Imago)
    "Deutschland 83"
    "Musik - Der kann das. - Sind Sie bereit, der Partei alles zu opfern. – Natürlich. – Und auch ihr Leben? - Dein Land braucht dich. - Deutschland 83. Jetzt!"
    Viel Quote brachte sie nicht - die RTL-Serie um den ostdeutschen Kundschafter Martin Rauch. Doch anders als hierzulande fand "Deutschland 83" im Ausland ein breites Publikum. RTL brachte dies zusätzliche Einnahmen - auch in Europa. Denn die Lizenzen für die Serie konnten gewinnbringend verkauft werden, erklärt Julia Maier-Hauff vom Lobbyverband der Privatsender, VPRT.
    "Das war 'ne sehr teure Produktion und die hat sich dann erst in der Zweitverwertung gelohnt. Deswegen ist es auch wichtig, dass man entscheiden kann, zeige ich diese Serie nur in Deutschland? Das wäre online dann geblockt für andere Mitgliedstaaten-Abrufe und kann es dann eben noch mal zweitverwerten."
    Angriff auf Territorialprinzip
    Mit dieser Zweitverwertung könnte innerhalb des europäischen Binnenmarktes bald Schluss sein. Das fürchten zumindest die Kritiker einer EU-Verordnung, die derzeit in Planung ist. Diese sieht vor, dass Fernsehsender künftig die Online-Rechte für eine Produktion nur noch für das Land klären müssen, in dem sie den Inhalt veröffentlichen. Wenn Zuschauer im Ausland - etwa über eine Mediathek - diese Inhalte auch empfangen, wäre das dann rechtlich kein Problem mehr. Allerdings ließen sich Sendelizenzen dann für diese Region nur noch schwer verkaufen. Für Alfred Holighaus, Präsident der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft, SPIO, ein inakzeptabler Plan:
    "Das ist das, wogegen wir uns wehren. Und das greift natürlich eine grundsätzliche Möglichkeit der Filmfinanzierung extrem an. Nämlich das Territorialprinzip, wonach ich die Möglichkeit habe, Filme rechtlich und zeitlich begrenzt zu lizenzieren."
    "Die Vertragsfreiheit wird nicht eingeschränkt"
    Produktionsfirmen und Branchenverbände aus ganz Europa haben in einem offenen Brief gegen die Pläne der EU protestiert. Sie fordern den Erhalt des Territorialprinzips, da andernfalls Einnahmeverluste entstünden, die ihre Existenz bedrohten. Auf durchschnittlich 15 Prozent beziffert Alfred Holighaus den Anteil der Online-Rechte am Gesamtbudgets einer Produktion. Oft der Betrag, der die Finanzierung eines Filmes erst komplettiere.
    Diese Sorgen werden allerdings nicht von allen geteilt. ARD und ZDF unterstützen den Vorschlag der EU-Kommission. Die Reform bringe mehr Rechtssicherheit, begründet Nicola Frank von der Europäischen Rundfunkunion, EBU, die Position der öffentlich-rechtlichen Sender in Europa. Das Territorialprinzip werde nicht aufgehoben, denn die Grenzüberschreitung von Inhalten werde ja nicht vorgeschrieben.
    Nicola Frank: "Die Produzenten werden ja immer noch verhandeln mit den Rundfunkveranstaltern. Die Vertragsfreiheit wird nicht eingeschränkt. Das heißt, for free wird es nur angeboten, also ohne Geoblocking über die Grenzen hinaus, wenn vorher der Produzent dem zugestimmt hat. Wenn er das aber nicht tut aus kommerziellen Interessen, dann wird das auch nicht stattfinden. Also insofern können wir diese Befürchtung nicht verstehen."
    Nicola Frank geht davon aus, dass mit der neuen Verordnung wesentlich mehr Inhalte der Rundfunkveranstalter grenzüberschreitend online gestellt werden könnten. Immerhin 18 Milliarden Euro investieren die Öffentlich-rechtlichen jährlich europaweit in Inhalte, davon über 80% in Originalproduktionen, die sie selbst oder andere im Auftrag für sie herstellen.
    Genau diese Marktmacht aber verhindere, dass Produzenten tastsächlich mitbestimmen können, kritisiert Alfred Holighaus von der SPIO. Auch wenn es formal heiße, man müsse ja nicht die Online-Rechte abgeben.
    "Das ist auf dem Papier zwar richtig, aber in Wirklichkeit wird der Film möglicherweise dann auf einmal nicht möglich sein. Vertragsfreiheit gibt's, das ist wahr. Das wird nicht angetastet dadurch. Aber es ist in Wirklichkeit nicht realisierbar, aber es geht nur, wenn ich auf gleicher Augenhöhe bin. Wenn ich von einem Partner so abhängig bin, wie es deutsche Produzenten zu großen Teilen immer noch von öffentlich-rechtlichen Sendern sind, dann ist das ein bisschen Selbstbetrug zu glauben, es gäbe eine Vertragsfreiheit."
    Das EU-Parlament und der Rat der EU befassen sich noch mit der geplanten Verordnung
    Julia Maier-Hauff vom Lobbyverband VPRT sieht zudem auch die Privatsender in der Defensive, sollte die neue EU-Verordnung kommen. Auch Sportrechte könnten dann nämlich grenzüberschreitend verkauft werden - etwa an finanzkräftige Player wie Netflix oder große US-Sender, so ihre Befürchtung.
    "Langfristig wird's so sein, dass dann nur der Große noch die Rechte erwerben kann, weil die Sportrechte sind beliebt oder wichtige Filme, die ich unbedingt zeigen will, die wird dann ein großer Player bekommen, der es dann tatsächlich für die 28 EU-Staaten einkaufen wird."
    Noch allerdings muss die geplante Verordnung durch das parlamentarische Verfahren. Nach dem Rechtsausschuss werden sich im Herbst dann das EU-Parlament und der Rat der EU damit befassen.