Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Neue Filme
Alte Superhelden, eine Glaubenskrise und das Opium des Volkes

Die Superhelden-Franchises aus den Comic-Universen nehmen und nehmen kein Ende. Trotzdem gibt es ein gehöriges Lob auf einen Superhelden - einen Helden in Rente: "Logan - The Wolverine", gespielt von Hugh Jackman. Außerdem in den "Neuen Filmen": ein filmisches Porträt über den jungen Karl Marx sowie der neue Film von Martin Scorsese mit dem Titel "Silence".

Von Hartwig Tegeler | 01.03.2017
    Hugh Jackman mit einer Actionfigur von Wolverine vor einer Pressekonferenz des Regisseurs James Mangold zum Film "Logan - The Wolverine" in Taiwan
    Hugh Jackman spielt Wolverine - Der dritte Ableger der "X-Men"-Serie "Logan" kommt in die Kinos (imago stock&people/VCG)
    "Silence" von Martin Scorsese
    Und wenn Gott schweigt?
    "Die Last deines Schweigens ist furchtbar."
    Das Werk von Martin Scorsese ist bevölkert von Männern, die in eine Glaubenskrise geraten. Das war in "Hexenkessel" (1973) nicht anders als in "Die letzte Versuchung Christi" oder jetzt in "Silence". - 17. Jahrhundert. Japan hat sich vom Westen isoliert und betreibt systematische Christenverfolgung.
    Pater Rodrigues (Andrew Garfield, vorne stehend) zelebriert die Heilige Messe für die christlichen Dorfbewohner im Geheimen.
    Pater Rodrigues (Andrew Garfield, vorne stehend) zelebriert die Heilige Messe für die christlichen Dorfbewohner im Geheimen. (2017 Concorde Filmverleih GmbH)
    "Tausende sind für das, was wir ihnen gebracht haben, gestorben."
    Zwei portugiesische Priester - gespielt von Andrew Garfield und Adam Driver - reisen nach Japan, um herauszufinden, ob ihr Mentor und Lehrer - Liam Neeson - tatsächlich vom Glauben abgefallen ist. Und geraten in der Bedrohung durch Folter und Hinrichtung selbst in eine Glaubenskrise.
    "Hat Gott ihre Gebete gehört, als sie starben? Aber hat er auch ihre Schreie gehört?"
    Pater Rodriguez in "Silence" stellt sich am Ende die Frage, ob er bereit ist, abzuschwören, wenn das anderen Menschen das Leben rettet. Eine perfide Alternative, vor die ihn der japanische Inquisitor stellt.
    "Ich habe sie sterben sehen, ich habe sie sterben sehen, und ihr Tod war nicht sinnlos. - Nein, das war er nicht. Sie sind für dich gestorben."
    "Silence" entwirft ein magisches Bilderpanorama, das in dieser Geschichte aus dem 17. Jahrhundert Fragen philosophischer, religiöser und spiritueller Natur stellt, die auch in unserer entzauberten digitalen Welt nicht erledigt sind:
    "Ich spüre die Versuchung. Die Versuchung zu verzweifeln."
    "Silence" von Martin Scorsese - herausragend
    "Logan - The Wolverine" von James Mangold
    "Was ist aus mir geworden, mein liebster Freund? Jeder, den ich kenne, stirbt am Ende", singt Johnny Cash in seiner Version des Nine-Inch-Nails-Songs "Hurt" im Soundtrack zu "Logan - The Wolverine". Hugh Jackmans Auftritt als Wolverine im dritten Ableger der "X-Men"-Serie ist durchzogen von Trauer, Abschied, vom Gefühl der Vergänglichkeit, auch die der verlorenen Macht des Superhelden in einer Welt, die von den Superschurken übernommen wurde. Die Kraft des Mutanten Wolverine lag in seiner Regenerationsfähigkeit und seiner unbändigen Aggressivität. Jetzt scheint er von Anfang an gebändigt durch das Alter. Die Mutanten - fast alle verschwunden. Jeder, den er kannte, starb am Ende. Außer dem im Rollstuhl sitzenden Professor X. Mit letzter Kraft machen sie sich aus, um das Mutanten-Mädchen und ihre Freunde, gezüchtet in einem Gen-Labor, zu retten. Dazu muss Wolverine noch einmal die Metall-Krallen ausfahren, was ihm aber immer schwerer fällt. Bis auf wenige Ausnahmen, ohne die "Logan - The Wolverine" natürlich nicht auskommt.
    Patrick Stewart mit einer Action-Figur vor einer Pressekonferenz des Regisseurs James Mangold zum Film "Logan - The Wolverine" in Taiwan
    Patrick Stewart mit Action-Figur zum Film "Logan - The Wolverine" (imago stock&people/VCG)
    "Er ist ein Freund von mir. - Mit einem großen Mundwerk. - Das höre ich oft. - Dann haben Sie das wahrscheinlich auch schon gehört - Öfter, als ich wollte. - Ich zähle bis drei. Und dann verschwindet ihr von hier. - Ich habe ein Recht auf das Wasser. - Eins … - Und habe einen Anwalt. - Zwei … - Drei!"
    James Mangold hat einen spannenden, harten Actionfilm inszeniert, der die Brutalität, Schmutzigkeit und Härte der Geschichte nicht mit einer Computerbilder-Orgie abmildert und läppisch wirken lässt. Nein, dieser Film wirkt physisch, ganz und gar körperlich. Hugh Jackman alias Logan als Alternder, als Vergehender, am Ende melancholischer Vater, der seine Tochter, egal, ob sie das nun wirklich ist, retten will: Er gibt eine wunderbar berührende Vorstellung. Und angesichts all der Superhelden-Filme kann man bei diesem Ex-Superhelden-Werk nur sagen: Geht doch!
    "Logan - The Wolverine" von James Mangold - herausragend
    "Der junge Karl Marx" von Raoul Peck
    "Was hätte ich denn tun sollen? Den Mund halten? Mich zensieren lassen? Mich mit Anspielungen begnügen, so, wie ihr das macht?"
    Marx zeigt seinen Mitstreitern deren intellektuelle Grenzen. Ob das Werk von Karl Marx angesichts der immer weiter klaffenden Schere zwischen Arm und Reich heute noch Antworten liefen kann auf brennende Fragen? Das wäre zumindest ein Motiv, sich der Arbeit und dem Leben des 26-jährigen Karl Marx in seinem Pariser Exil zuzuwenden. "Der junge Karl Marx", Raoul Pecks Biopic, spielt 1844. Marx lernt den Fabrikantensohn Friedrich Engels kennen.
    Schauspieler August Diehl zu Gast beim Deutschlandradio Kultur auf der Berlinale 2017.
    Schauspieler August Diehl zu Gast beim Deutschlandradio Kultur auf der Berlinale 2017. (Audi)
    "Trinken wir auf die Köpfe, die wirklich denken und auf alle Freigeister."
    Marx und Engels kämpfen und schreiben zusammen. Am Ende des Films ist das "Kommunistische Manifest" fertig, das die Welt verändern sollte.
    "Ich hoffe, dass ich diese alte Welt sehr bald zusammenbrechen sehe. - Wir heben sie aus den Angeln."
    Raoul Pecks Biopic wirkt leider merkwürdig abstrakt, weil seine Figuren, trotz des grandiosen Spiels von August Diehl als junger Karl Marx, in diesem sehr genau ausgestatteten Ambiente historisch erscheinen. Was sie treibt, wird nicht klar. Es bleibt das Gefühl einer opulent ausgestatteten Geschichtsstunde. Und wenn die zentralen Sätze aus Marx' und Engels' "Kommunistischem Manifest" August Diehl und Stefan Konarske als Dialog in den Mund gelegt sind, so ist das aufgesetzt, hölzern, ja, albern.
    "Der junge Karl Marx" von Raoul Peck - annehmbar