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Alter Wein in neuen Schläuchen

Disney recycelt weiter seine Erfolge. Nach „Dumbo“ und „Aladdin“ ist „Der König der Löwen“ das dritte Remake eines Zeichentrickklassikers in diesem Jahr. Eine Vater-Sohn-Geschichte erzählt „Made in China“ und eine Hommage an das Kino der Siebzigerjahre ist „Messer im Herz“.

von Jörg Albrecht | 17.07.2019
Das Löwenbaby beobachtet einen Käfer auf einem Stein
König der Löwen von Jon Favreau (www.imago-images.de )
"Alles, was das Licht berührt, ist unser Königreich. Die Herrschaft eines Königs geht auf und unter wie die Sonne."
Premiere für Disney: Die neue Version von "Der König der Löwen" ist nahezu eine Eins-zu-eins-Kopie des Zeichentrickfilms von 1994. Und das gilt nicht nur für Mufasas berühmte Worte, die er an seinen Sohn Simba richtet.
"Eines Tages, Simba, geht die Sonne meiner Herrschaft auch unter und geht mit dir als neuer König wieder auf."
Heldenreise à la Hamlet
Haben sich die bisherigen Neuverfilmungen von Zeichentrickklassikern wie "Die Schöne und das Biest", "Dumbo" und zuletzt "Aladdin" zumindest in Teilen von ihren Originalen unterschieden, verzichtet "Der König der Löwen" 2019 völlig auf einen eigenständigen inhaltlichen Beitrag. Aber warum auch etwas ändern?! Schließlich ist der Stoff mit seiner an Shakespeares Hamlet angelehnten Heldenreise zeitlos und die Coming-of-Age-Geschichte, die der Film erzählt, universell.
Allein die Form macht hier also den Unterschied. Mit fotorealistischen Bildern will der Film beeindrucken und schafft das auch. Lässt solch eine technische Leistungsschau für Fantasie nur noch wenig Platz? Man mag darüber streiten.
"Die Welt ist so ungerecht - während die einen in Saus und Braus leben, führen die anderen ein Schattendasein."
Disney's Löwenanteil
Fast ist es so, als würde Simbas böser Onkel Scar hier über Hollywood reden. Denn den Löwenanteil der Umsätze in der US-amerikanischen Filmindustrie sichert sich seit Jahren der Disney-Konzern. Aus allem Gold machen zu können, könnte sich allerdings – wie in der Sage von König Midas – als Fluch erweisen. Denn dieses Geschäftsmodell ist eine Bankrotterklärung an Kreativität, Visionen und Mut. Aber das ist eine andere Geschichte.
"Der König der Löwen": akzeptabel
"Gibt es ein Problem mit dem Essen meiner Mama?"
"Nein, ich habe mich nur gefragt, was es wohl ist."
"Es ist Hund."
"Das ist doch Schwachsinn. Ihr esst keine Hunde. Das ist Quatsch."
Gefühlt jeder zweite Film aus Frankreich behandelt gerade die Themen Immigration und Integration. Bei "Made in China" könnte es sich fast um einen Ableger der beiden "Monsieur Claude"-Komödien handeln. Zum einen spielt Regisseur Julien Abraham mit denselben Vorurteilen gegenüber Ausländern, zum anderen hat er auch noch Teile des Personals aus "Monsieur Claude" besetzt.
Familiäre Funkstille
Im Mittelpunkt von "Made in China" steht François, ein junger Pariser mit asiatischen Wurzeln. Seit zehn Jahren hat er – nach dem Tod seiner Mutter und einem Streit mit seinem Vater – keinen Kontakt mehr zur Familie, obwohl die ebenfalls in Paris zu Hause ist. Als François jetzt Nachwuchs erwartet, sieht seine Freundin den idealen Zeitpunkt gekommen.
"Zeitpunkt wofür?"
"Ruf deinen Vater an!"
"Also ich kann ihn doch nicht einfach so anrufen und sagen ´Hallo Papa, François hier. Ja, wir haben seit zehn Jahren Funkstille, aber weißt du was, du wirst Opa.´ Er wird wortlos auflegen."
Offensichtlich hat Regisseur Abraham selbst keine Sekunde lang daran geglaubt, allein mit seinem Vater-Sohn-Drama reüssieren zu können. Zu behauptet ist dieser Konflikt, zu unrealistisch der Gedanke, dass ein durch und durch sympathischer Kerl wie François nicht nur seinem Vater Adieu gesagt hat, sondern gleich allen anderen Verwandten mit. Und so wird die unvermeidliche Versöhnung immer wieder unterbrochen durch mehr oder weniger abgestandene Witze über chinesische Traditionen und den Zusammenprall der Kulturen.
"Made in China": enttäuschend
Das Geräusch eines Filmprojektors - an einem Schneidetisch findet die Endfertigung eines Schwulenpornos statt. Auch "Messer im Herz" spielt in der französischen Hauptstadt. Allerdings vor 40 Jahren. Der Film von Yann Gonzalez kreist um die von Vanessa Paradis gespielte Anne, die mit billig und schnell produzierten Sexstreifen ihr Geld verdient.
Purer Leichtsinn
Als zwei ihrer Pornodarsteller ermordet aufgefunden werden, geht im Team die Angst um. Zwei von ihnen seien schon tot und sie drehten einfach weiter. Das sei purer Leichtsinn. Nur Anne gibt sich – auch bei der Befragung durch die Polizei – weiterhin cool. Er solle nicht so tun, als ob er keine Ahnung hätte, welche Art von Filmen sie drehen würde, antwortet sie dem Polizisten. Vielleicht würde es ihn ja erregen, die Antwort aus dem Mund einer Frau zu hören.
Einen klassischen Kriminal-Plot sollte man bei "Messer im Herz" allerdings nicht erwarten. Yann Gonzalez huldigt mit seinem überspannten Mix aus Sex- und Gewaltfantasien dem Exploitation-Kino der Siebzigerjahre. Aber auch Referenzen an die Thriller eines Brian de Palma und natürlich an "Cruising" von William Friedkin sind offensichtlich. "Messer im Herz" jongliert gekonnt zwischen Schund und Kunst und ist unterlegt mit den Klängen des französischen Elektronikduos M83.
"Messer im Herz": empfehlenswert