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Alternder Boxheld als Trainer, halluzinierender Anwalt in der Krise

Die Boxfilmreihe "Rocky" geht in die siebte Runde. In "Creed - Rocky's Legacy" wechselt Rocky Balboa vom Boxring auf die Trainerbank. Seine Botschaft: Du kannst es schaffen, wenn du nur hart genug an dir arbeitest! Außerdem neu im Kino: Die Familiengeschichte "Iraqi Odyssey" und "Die dunkle Seite des Mondes" nach einem Buch von Martin Suter.

Von Jörg Albrecht | 13.01.2016
    Sylvester Stallone während eines Besuchs in Sofia, Bulgarien (2008).
    Kehrt zurück auf die Leinwand: Sylvester Stallone als Rocky Balboa (picture alliance / dpa / Vassil Donev)
    "Creed – Rocky's Legacy" von Ryan Coogler
    Na, er wird doch wohl nicht mit fast 70 noch einmal die Boxhandschuhe schnüren und selbst in den Ring steigen wollen! Sylvester Stallone hat in seiner langen Karriere in vielen strunzdummen Filmen gespielt. Aber seine Rolle als Rocky Balboa, die ihn 1976 weltberühmt gemacht hat, ist ihm heilig und sollte auf gar keinen Fall Zielscheibe für Spott und Häme sein. Deshalb tut Stallone sich und uns im neuen "Rocky"-Film einen großen Gefallen: Er überlässt das Kämpfen dem Sohn von Apollo Creed, Rockys Gegner aus Teil 1 und 2 der Reihe. Um den Sprung zum Profi zu schaffen, hofft der auf die Hilfe von Rocky, der ihn trainieren soll.
    " ... Du musst erst Prügel kassieren, einstecken, zu Boden gehen, wieder aufstehen. Und dann weißt du, ob du es in dir hast. Aber du musst dich reinhängen. ... Wenn du das nicht tust, bin ich raus."
    Die Botschaft des neuen "Rocky"-Films ist dieselbe wie vor 40 Jahren: Du kannst es schaffen, wenn du nur hart genug an dir arbeitest! Der amerikanische Traum versinnbildlicht durch den Boxerfilm. "Creed" ist in erster Linie die Geschichte der nächsten Generation in Gestalt von Adonis Creed, der von Michael B. Jordan gespielt wird. Aber auch Rocky hat mehr zu bewältigen als nur seine neue Rolle als Trainer.
    "Ich trainiere nicht, wenn du dich nicht behandeln lässt. Wenn ich kämpfe, kämpfst du auch."
    Das Drehbuch lässt die Boxlegende auf einen komplett unberechenbaren Gegner treffen. Dieser Gegner heißt Krebs. Die wehmütigen Töne, die auch schon der letzte "Rocky"-Film angeschlagen hat, stehen selbst Mimik-Minimalist Sylvester Stallone gut zu Gesicht. Sie lassen seine Kunstfigur zu einem echten Menschen werden. Für die "Rocky"-Saga wäre es ein würdevoller Abschied.
    "Creed – Rocky's Legacy": empfehlenswert
    "Iraqi Odyssey" von Samir
    "Mein Großvater hatte sieben Kinder. Und so habe ich sechs Onkel und Tanten. Dazu fünf Geschwister und 20 Cousins und Cousinen. Ihre Geschichten beschäftigen mich seit langem. ..."
    Samir heißt der Erzähler, der gleichzeitig der Filmemacher ist. Geboren 1955 in Bagdad und aufgewachsen in der Schweiz, hat Samir für seinen Dokumentarfilm "Iraqi Odyssey" seine in der ganzen Welt verstreuten Angehörigen aufgesucht. Ihre Heimat, den Irak, haben sie bereits lange vor Saddams Sturz verlassen. Was Samir als Kind nicht ahnte: Schon in den 1950er- und 60er-Jahren waren viele aus seiner Familie im Untergrund aktiv und machten sich für eine freie und gerechte Gesellschaft stark. Die Geschichten seiner Verwandten sind ein Spiegelbild der Geschichte des Irak. Dieses Wechselspiel macht Samirs facettenreiches und wunderbar leichtfüßig konzipiertes Familienalbum zu einem lehrreichen Dokument über Heimat, Kultur und Entwurzelung.
    "Iraqi Odyssey": empfehlenswert
    "Die dunkle Seite des Mondes" von Stephan Rick
    Jetzt also noch "Die dunkle Seite des Mondes". Damit liegen die ersten sieben Romane von Martin Suter komplett als Filme vor. Das Suter-typische Motiv des Mannes, der in einer schweren Identitätskrise steckt, findet sich auch hier. Der von Moritz Bleibtreu gespielte Wirtschaftsanwalt Urs Blank, der keine Skrupel kennt, will nicht mehr so weitermachen wie bisher. Ein Unternehmer, der von ihm abserviert wurde, hat sich vor seinen Augen erschossen. Auf der Suche nach einem anderen Leben probiert Blank halluzinogene Pilze aus.
    "Lucy, irgendetwas stimmt nicht mit mir. Seit diesen Pilzen, seit dem Abend, wo ich dich geschlagen habe ... Jetzt vergiss das doch mal wirklich! Das war der Trip. – Sag mal, hörst du mir eigentlich zu? Ich versuche dir gerade zu erklären, dass es mir Scheiße geht."
    Der psychotische Trip der Hauptfigur wird zwar von Moritz Bleibtreu überzeugend gespielt, allerdings hätte die Transformation seines Charakters eine wildere, weniger kontrollierte Inszenierung vertragen können. Als Thriller mit zivilisationskritischer Botschaft bleibt die Verfilmung etwas zu brav.
    "Die dunkle Seite des Mondes": akzeptabel