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Ein Raub, ein Reiter und das goldene Herz Russlands

Fortsetzung für die "Ocean's Eleven"-Saga: In "Ocean's 8" begehen Frauen einen ausgeklügelten Raub. In dem Film "The Raider" soll ein Cowboy nach einem Unfall nicht mehr aufs Pferd. Und der Dokumentarfilm "Kolyma" reist in das Zentrum des ehemaligen Archipel Gulag.

Von Hartwig Tegeler | 20.06.2018
    Jakutischer Erfinder Niurgun mit seinem blinden Vater bei einem Verjüngungsexperiment
    Szene aus dem Film "Kolyma": Der jakutische Erfinder Niurgun mit seinem blinden Vater bei einem Verjüngungsexperiment (W-film – TAG/TRAUM Filmproduktion)
    "Wir rauben kein Museum aus, wir rauben jemanden in einem Museum aus!"
    George Clooney und Brad Pitt bei einer Lagebesprechung. Nein, natürlich sind dies nicht George Clooney alias Danny Ocean und Brad Pitt alias Rusty, sondern Sandra Bullock als Debbie Ocean, Schwester von Danny, und Cate Blanchett alias Lou. Ansonsten ist "Ocean's 8" anzusehen wie eine weibliche und überraschungslose Kopie des Heist-Movie-Dreiteilers von Steven Soderbergh. Acht Frauen - außer Bullock und Blanchett unter anderem Anne Hathaway, Rihanna und Helena Bonham Carter - rauben bei der alljährlichen Met Gala in New York das teuerste Diadem aller Zeiten ...
    "am Hals von Daphne Kruger",
    ... einer Schauspielerin. Der Diebstahl ist äußerst ausgeklügelt - so, wie es sich bei einem Heist-Movie gehört, und überschreitet hemmungslos die Grenze zur Absurdität.
    Sandra Bullock zerstört den Film
    "Geht nach Hause, ordnet eure Angelegenheiten, denn morgen fangen wir damit an, einen der größten Juwelenraube der Geschichte durchzuziehen."
    Wobei dieser Film ein anderes, vielleicht noch größeres Problem hat: Man kann Hauptdarstellerin Sandra Bullock mit ihrem zum steinernen Botox-Konterfei erstarrten Gesicht einfach nicht anschauen. Man muss das einfach nennen, was es ist: eine Verstümmelung. Gräßlich. Sandra Bullock zerstört damit den Film beziehungsweise nimmt ihm seinen womöglich letzten Reiz.
    "Ocean's 8" von Gary Ross - ärgerlich.
    Die Weite von South Dakota im Pine-Ridge-Indianer-Reservat hat in Chloé Zhaos Film "The Rider" nichts Romantisches. Die Nachkommen der Sioux wie der junge Rodeoreiter und Pferdetrainer Brady wirken verloren in dieser alten Heimat der Dakota-Indianer. Brady hatte bei einem Rodeo einen Unfall, der ihm eine Metallplatte im Kopf bescherte. Die Ärzte geben eine klare Prognose:
    "Wenn Sie so weitermachen, werden Ihre Anfälle schlimmer. Und eine weitere Kopfverletzung können Sie sich auf keinen Fall leisten. Nie wieder reiten! Nie wieder Rodeos!"
    Ruhige Bilder von Gesichtern, Pferden und dem Südwesten
    Doch für den jungen Mann ist die Arbeit mit Pferden nicht nur Lebensunterhalt. Mit den ruhigen Bildern von Gesichtern, Pferden und dem Südwesten - ein wenig an den frühen Terrence Malick erinnernd - erzählt Chloé Zhao von Bradys Kampf um seine Identität als Pferdemann, der mit diesen Tieren in einer Weise kommuniziert, die die anderen nicht für möglich halten.
    "Oh, guter Junge. Erstaunlich."
    "Wow, erstaunlich. Das Pferd hat noch keinen auf seinen Rücken gelassen."
    "The Rider" ist ein wunderbarer Film, weil er einfach, ruhig, gelassen und nur auf die Dramatik der Gefühle der Figuren vertrauend seine Geschichte über einen jungen Mann erzählt, der dabei ist, sich zu verlieren. Doch am Ende ist Brady ein Sturkopf, der sich nicht aufgibt. Das Leben und das mit den Pferden sind ein zu hoher Anreiz.
    "The Rider" von Chloé Zhao - herausragend.
    "Herzlich willkommen auf Kolyma - dem goldenen Herzen Russlands!" ist am Anfang von Stanislaw Muchas Dokumentarfilm "Kolyma" auf einer Tafel am Weg zu sehen. Da in der Hafenstadt Magadan im Osten Sibiriens, dem Anfang der Filmreise über eine mehr als 2.000 Kilometer lange Straße. Hier war das Zentrum des sowjetischen Straflager-Systems, dessen Insassen diese Straße mit Schaufeln bauten. Millionen der Menschen wurden hier verscharrt.
    Gulasch statt Gulag
    "Was ist 'Gulag'?" fragt die Hot-Dog-Verkäuferin in Magadan. "Meinten Sie 'Gulasch'?" - soweit zur Vergangenheitsbewältigung. In seinem Film "Kolyma" präsentiert Stanislaw Mucha eine Welt, in der das Thermometer im Winter auf minus 60 Grad fällt und im Sommer auf plus 40 Grad steigt. Der Filmemacher spricht mit ehemaligen Häftlingen und Goldsuchern und dem Lastwagenfahrer, der mit seinem Lkw zwei Wochen lang in einem Massengrab festhing. Der andere Mann, der alte, sagt mit großer Wucht: "So viel Leid kann sich nicht in Nichts auflösen." Was den Dokumentarfilm "Kolyma" so faszinierend macht, das ist das Skurrile, dem wir begegnen, das Sprachlos-Machende, das aber vom Filmemacher nicht weggebügelt, sondern stehengelassen wird.
    "Kolyma" von Stanislaw Mucha - herausragend.