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Geizhals und Gott, Girls und Greisin

Eine französische Komödie, eine Bestsellerverfilmung und ein deutscher Independent-Film: "Nichts zu verschenken", "Die Hütte - Ein Wochenende mit Gott" und "Tiger Girl" sind drei der Kinoneustarts in dieser Woche. Außerdem läuft der Dokumentarfilm "Ein deutsches Leben" an.

Von Jörg Albrecht | 05.04.2017
    Brunhilde Pomsel, damalige Sekretärin bei NS-Propagandaminister Goebbels, blickt am 29.06.2016 nach der Filmpremiere von "Ein deutsches Leben" im Kino Rio in München in die Kamera. Die im Januar 2017 verstorbene Frau berichtet in dem Dokumentarfilm, der im Rahmen des Filmfests in München Premiere feierte, aus ihrem Leben.
    Brunhilde Pomsel, damalige Sekretärin bei NS-Propagandaminister Goebbels, bei der Filmpremiere von "Ein deutsches Leben" im Kino Rio in München. (picture alliance / dpa / Matthias Balk)
    "Nichts zu verschenken" von Fred Cavayé
    "Das macht dann 12 Euro und 88 Cent."
    "Nein. Ich habe 12 Euro und 85 Cent."
    "Ach ja? Sind Sie sicher?"
    "Ganz sicher."
    Selbst wenn es nur um drei Cent geht, wird François zum Erbsenzähler. Seine Knauserigkeit in "Nichts zu verschenken" erinnert an den Harpagon aus Molières Komödie "Der Geizige". 1980 wurde die mit Louis de Funès verfilmt und ein französischer Komiker spielt auch jetzt die Hauptrolle. Dany Boon, der den Geizhals François verkörpert, imitiert erfreulicherweise nicht die cholerischen Züge seines großen Kollegen.
    François' Sparzwang, der auf einer Angstneurose beruht, die schon im Mutterleib ausgelöst wurde, hat auch dafür gesorgt, dass er weder Familie hat noch Freunde.
    "Laden Sie sie zum Essen ins Restaurant ein!"
    "Ins Restaurant? Wollen Sie mich finanziell ruinieren?"
    Der Komödienkenner ahnt es sicher längst: François wird am Ende des Films nicht mehr derselbe sein. Zwei Personen, die in sein Leben treten, werden dafür sorgen: seine 16-jährige Tochter, von deren Existenz er bislang nichts wusste, und eine neue Liebe. Ein solch glückliches Ende ist Molières Harpagon nicht beschieden. Aber "Nichts zu verschenken" ist eben auch nicht der Geizige. Statt einer tragikomischen Charakterstudie voller Esprit begnügt sich der Film von Fred Cavayé mit gefälliger Situationskomik.
    "Nichts zu verschenken": zwiespältig
    "Die Hütte - Ein Wochenende mit Gott" von Stuart Hazeldine
    "Du bist der allmächtige Gott, nicht wahr? Und trotzdem hast du meine kleine Tochter sterben lassen."
    In Anlehnung an Psalm 106 Vers 17 möchte man ausrufen: "Die Erde tat sich auf und verschlang - diesen Film." Der naive Religionskitsch, den uns "Die Hütte", die Verfilmung des Romans von William Paul Young, hier auftischt, müsste selbst tiefgläubigen Christen peinlich sein. Ein trauernder Familienvater wird nach dem Tod seiner jüngsten Tochter von Gott persönlich zu einem gemeinsamen Wochenende mit ihm, Jesus und dem Heiligen Geist eingeladen.
    "Liebe hinterlässt immer Spuren."
    Das ist einer der vielen Kalenderblattsprüche von Gott, der hier Papa heißt und - ach wie verrückt - Aussieht wie eine Frau mit afroamerikanischen Wurzeln. Während beim Buch die Ausmalung der Sinnsuche dem Leser obliegt, wird dem Kinogänger erst gar keine Eigenleistung mehr abgenötigt. Treffsicher findet der Film immer das offensichtlichste Bild für die vielen trivialen Abgründe.
    "Die Hütte - Ein Wochenende mit Gott": ärgerlich
    "Tiger Girl" von Jakob Lass
    "Entschuldigung, ich wollte nicht stören."
    "Du bist nicht nett, du bist höflich, verstehst du?"
    So richtig viel versteht man hier nicht. Gehört nämlich mit zum Konzept von "Tiger Girl", dem dritten Spielfilm von Jakob Lass: improvisierte Dialoge und dokumentarisch anmutende Kamera. Mit der inszenatorischen Kargheit der Berliner Schule hat "Tiger Girl" trotzdem nichts zu tun, denn dieser Film will obendrein cool sein und mit Action punkten. Martial Arthouse hat der Filmemacher sein Genre getauft.
    "Du musst einfach sagen, was du willst, und dann kriegst du es auch."
    Die Ansage macht Tiger, eine junge Frau, die in den Tag hinein- und vor allem nach ihren eigenen Regeln lebt. Adressatin ist die brave Margarete. Die ist gerade durch die Polizeiprüfung gerasselt und versucht jetzt bei einem Sicherheitsdienst unterzukommen. Schnell ist die Idee geboren, sich Uniformen mit der Aufschrift Security zu besorgen, um so Leute abzuzocken.
    Immer wieder und immer öfter wird die Köpenickiade von Gewaltausbrüchen begleitet. Zwei junge Frauen machen auf Outlaws, proben den Aufstand. In dieser Rolle gefällt sich wohl auch Autorenfilmer Jakob Lass. Denn auch er macht sein eigenes Ding. Das ist nicht rund, aber aufregend anders.
    "Tiger Girl": akzeptabel
    "Ein deutsches Leben" von Christian Krönes, Florian Weigensamer, Roland Schrotthofer und Olaf S. Müller
    "Es war nun mal mein Schicksal. Gerade in solchen bewegten Zeiten. Es geschah mit uns."
    Die Frau, die über ihre persönliche Schuld an den Verbrechen im Nationalsozialismus nachdenkt und diese verneint, ist Brunhilde Pomsel, von 1942 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Sekretärin von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels.
    "In der Zeit, als ich bei ihm gearbeitet habe, war er für mich natürlich einer der allerobersten Chefs. Kam gleich nach Hitler."
    "Ein deutsches Leben" heißt der Dokumentarfilm, der vor allem aus einem langen Interview mit der Zeitzeugin besteht, die bei den Aufnahmen 103 Jahre alt war. So glasklar und überlegt Brunhilde Pomsel aus ihrem langen Leben erzählt, so gestochen scharf lichten die Schwarz-Weiß-Bilder ihr von tiefen Falten zerfurchtes Gesicht ab.
    Anders als im reinen Interviewfilm "Im toten Winkel" aus dem Jahr 2002 mit Hitlers Sekretärin Traudl Junge kombinieren die Filmemacher hier das Interview mit Archivmaterial. Das Resultat ist ein bewegendes Zeitdokument, dessen grundsätzliche Frage nach der Verantwortung des Einzelnen uns alle angeht.
    "Ein deutsches Leben": empfehlenswert