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Krieg, Liebe und die Suche nach den Eltern

Der britische Premierminister Winston Churchill wenige Tage vor dem D-Day 1944. Ein angeblicher Nichtschwimmer, der sich in eine Bademeisterin verliebt. Eine junge Frau, die ihre Eltern sucht, begleitet von einer Journalistin, die sie einst als Baby auf einer öffentlichen Toilette fand.

Von Hartwig Tegeler | 24.05.2017
    Häuser am Hafen Hvammstangi, Island im letzten Abendlicht
    Island: Für Agathe und Samir in "Der Effekt des Wassers" ein Land zum Verlieben. (imago/blickwinkel)
    "Der Effekt des Wassers" von Solveig Anspach
    "Er hatte bei mir Schwimmunterricht."
    "Er", das ist der schüchterne Kranführer Samir.
    "Aber in Wirklichkeit konnte er schon schwimmen."
    Empört sich Bademeisterin Agathe.
    "Und dann verfolgt er mich bis nach Island. - Er muss verliebt sein in dich wie verrückt. - Kommt schon, das ist so französisch."
    D´accord - so französisch! Aber zum Glück in "Der Effekt des Wassers" kein bisschen Liebeskomödien-Kitsch von der Stange. Agathe und Samir, das Liebespaar, das am Anfang noch keines ist, treibt´s von der Badeanstalt im Pariser Vorort zum Bademeister-Kongress nach Island.
    "Ausstrecken, zur Seite, zum Kinn …"
    Kranführer verliebt sich in Bademeisterin, und erst, als der eine Ertrinkende rettet, fliegt seine Lüge auf, angeblich Nichtschwimmer zu sein.
    "Und warum wollen Sie Schwimmen lernen? - Was, weiß ich: Weil ich Lust habe, Schwimmen zu lernen."
    Nun, das nennt man höchste Alltagsphilosophie. Allerdings: Agathe kann Lügner nicht ausstehen. Erst in der, sagen wir mal, "lakonischen" Vulkanlandschaft von Island kommt dieses lakonische Liebespaar zusammen. Und immer gibt es poetische Momente, wenn Agathe und Samir beispielsweise nachts im Schwimmbad eingeschlossen sind:
    "Ich lasse mich oft hier einschließen. Ich liebe es sehr, nachts hier allein zu sein. Die Geräusche, das Licht, die Spiegelung im Wasser. Die Schatten. Als wäre man in einem Aquarium. Das mag ich sehr."
    Solveig Anspachs Film gibt das Schräge nie auf. Eine Bademeister-Kongress in Island, der ist schon skurril. Noch während der Postproduktion ist die 1960 geborene isländisch-amerikanische Regisseurin gestorben. Hinterlassen hat sie ein wunderbares Werk.
    "Der Effekt des Wassers" von Solveig Anspach - herausragend.
    "Churchill" von Jonathan Teplitzky
    1944. Der alte schwere Mann mit Mantel, Hut und mit dieser langen, dicken Zigarre am Strand. Voller Entsetzen denkt er an die Vergangenheit eines anderen Krieges und imaginiert das, was in diesem bevorsteht. Winston Churchill erinnert ihn an seine militärische Fehleinschätzung als Kommandeur, 1915, auf der türkischen Halbinsel Gallipoli:
    "Ich habe Männer in den Tod geschickt. Hunderte, Tausende sind gestorben. Ihr Blut klebt an meinen Händen."
    Vehement versucht er, die US-Alliierten unter General Eisenhower von der Landung in der Normandie - "D-Day" oder auch "Operation Overlord" - abzubringen.
    "Wenn 'Overlord' scheitert, was nur zu leicht geschehen könnte, würden wir dadurch mit einem Schlag fast die ganze Flotte verlieren und dazu noch viele Tausende unserer Männer. Wen haben wir dann noch zur Verteidigung Englands?"
    Doch die Dämonen der Vergangenheit trüben Churchills militärische Sicht im Juni 1944. Jonathan Teplitzky konzentriert sich in seinem Biopic "Churchill" auf einige Tage vor dem D-Day, an dem die Alliierten in der Normandie landen. Erfolgreich. Mithin: Der britische Kriegspremier Winston Churchill, ein egomanischer Machtmensch, lag historisch mit seiner Kritik an dem Landeunternehmen falsch:
    "Beschwer dich nicht, wenn jemand dir die Wahrheit sagt."
    Was ihm seine Frau Clementine - gespielt von Miranda Richardson - drastisch klarmacht:
    "Ich bin sicher, Ike versteht sehr viel von Kriegsführung. Vielleicht solltest du auf ihn hören."
    Der dramaturgische Trick, den Regisseur Jonathan Teplitzky in seinem Film unternimmt: In dem Eingestehen seines Scheiterns gewinnt der störrische Premierminister die Kraft des Helden zurück. Und damit ertrinkt dieses Biopic im eigenen Pathos, das Ganze unterlegt mit einem pathetisch-schwülstigem Soundtrack.
    "Churchill" von Jonathan Teplitzky - enttäuschend.
    "Rosemari" von Sara Johnsen
    Elternsuche ist das Thema von Sara Johnsens Film "Rosemari". Sechzehn Jahre, nachdem Unn Tove ein Neugeborenes auf der Toilette findet - es ist ihr Hochzeitstag, gerade noch hatte sie Sex mit ihrem Ex-Freund -, sechzehn Jahre später taucht Rosemari bei der Journalistin auf:
    "Ich habe geglaubt, dein Name war ja der einzige, der da stand … ich bin so blöd. - Nein, mein Name steht nur deshalb da, weil ich … weil ich dich gefunden habe."
    Doch Unn Tove wäre nicht die Journalisten, die sie ist, um in Rosemaris Suche nach ihren Eltern nicht auch eine gute Story zu wittern.
    "Einmal dachte ich, ich hätte Mama und Papa gesehen. Unten am Fluss. Wo wir wohnen. Da war ich vielleicht neun Jahre alt."
    So entwickelt sich der Film "Rosemari" zu einem Roadmovie mit Kamera, das Unn Tove und Rosemari schließlich zu deren Eltern führt.
    Am Ende ist "Rosemari" vorhersehbar, ebenso der Satz, den die Sechzehnjährige zu der Frau sagt, die sie gefunden hat.
    "Ich wünschte, du wärst meine Mutter."
    Doch der Charme, der von Ruby Dagnall als Rosemari und Tuva Notvotny als Unn Tove ausgeht, lässt alle Klischees bei dieser Identitätssuche vergessen.
    "Rosemari" von Sara Johnsen - empfehlenswert.