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Neue Filme
Legendäre Gangster und mutige Transsexuelle

Ein klassischer Gangsterfilm mit allem was dazu gehört: "Legend" zeigt das Leben der Zwillingsbrüder Reggie und Ron, die im London der 1950er- und 60er-Jahre die Unterwelt regieren. Außerdem neu im Kino: die Geschichte eines der ersten Transsexuellen in "Danish Girl", das Familiendrama "Louder than Bombs" und der Dokumentarfilm "Je suis Charlie".

Von Jörg Albrecht | 06.01.2016
    "Je suis Charlie" von Daniel und Emmanuel Leconte
    Morgen vor genau einem Jahr haben zwei islamistische Terroristen in der Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo ein Blutbad angerichtet. Die Bilanz: 12 Tote. Noch am Abend des 7. Januar sind in Paris Tausende Menschen zusammenkommen, um ihre Solidarität mit den Opfern zu bekunden. Ihr Slogan "Je suis Charlie – "Ich bin Charlie", der damals um die Welt gegangen ist, hat dabei zum Ausdruck gebracht, dass ein jeder damit gemeint ist, wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung angegriffen wird.
    "Je suis Charlie" ist auch der Titel des Dokumentarfilms von Daniel Leconte und seinem Sohn Emmanuel. Die Beiden rekonstruieren zum einen die Ereignisse um den Anschlag, zum anderen erzählen sie die Geschichte von Charlie Hebdo und seiner Macher. Als eine Solidaritätsbekundung mit den getöteten Mitarbeitern und denen, die weitermachen und für die Ideen des Magazins stehen, muss auch dieser Film verstanden werden. Trotz, vielleicht auch gerade wegen der hochemotionalen Geschehnisse hätte den Regisseuren etwas mehr Distanz nicht geschadet.
    "Je suis Charlie": akzeptabel
    "The Danish Girl" von Tom Hooper
    "Als ich ihn angesprochen habe, ist er rot geworden. Er war so schüchtern. Also bat ich um das Rendezvous. ..."
    Die dänische Malerin Gerda Wegener erinnert sich daran, wie sie die Initiative ergriffen hat, als sie ihrem späteren Mann Einar begegnet ist.
    " Sie schien sich so sicher. – Ich war mir sicher. Noch immer. – Bitte – es reicht! – Nein."
    Diese Sicherheit aber scheint immer mehr abhanden zu kommen, als Einar Gefallen daran findet sich als Frau zu kleiden. Anfangs ist es nur eine Laune. Damit Gerda ein Bild fertigstellen kann, zieht Einar das Kleid des Models an. Dann geht er das erste Mal geschminkt und ausstaffiert als Frau zu einem Empfang, auf dem er sich als Einars Cousine Lili vorstellt. Einar verschwindet mehr und mehr und wird immer häufiger zu Lili.
    " ... Hör auf mit diesem dummen, dummen Spiel! – Bitte, Gerda, halt das Ganze nicht nur für ein Spiel! ..."
    "The Danish Girl" hätte ein faszinierender Film werden können, wenn es Regisseur Tom Hooper verstanden hätte, der tragischen Geschichte eines der ersten Transsexuellen im 20. Jahrhundert Leben einzuhauchen. Alles wirkt hier ausstaffiert und künstlich, was durch Eddie Redmaynes fast unerträglich affektiertes Posieren als Frau, die im falschen Körper gefangen ist, nur noch verstärkt wird. Man wird ihn trotzdem versehentlich mit einer Oscar-Nominierung bedenken. So bitter es ist: Conchita Wurst hätte Lili respektive Einar nicht schlechter verkörpern können.
    "The Danish Girl": enttäuschend
    "Legend" von Brian Helgeland
    " ... Sie waren Brüder. Doch durch mehr verbunden als das Blut. Sie waren Zwillinge. Ebenbilder. Gangster-Prinzen in einer Stadt, die für sie bestimmt war."
    Diese salbungsvollen Worte sollen die Krays beschreiben: Reggie und Ron, Zwillingsbrüder und Gangster, die das Londoner East End in den 1950er- und 60er-Jahren fest im Griff haben. "Legend", der Film über die Beiden, den Brian Helgeland gedreht hat, heißt nicht ohne Grund so. Er trägt zur Legendenbildung und damit auch zur Verklärung bei. Das macht ihn zu einem klassischen Gangsterfilm mit allem, was dazu gehört.
    "Ich bin hier, weil ich eine verfluchte Schießerei haben wollte. Eine richtige Schießerei mit ein paar richtigen Männern. ... wie im Western."
    Ron, ein unberechenbarer Psychopath, und Reggie, der kultivierte Charmeur: So unterschiedlich die Zwillinge vom Charakter auch sind: Als Team sind sie unschlagbar. Brian Helgeland zelebriert jeden ihrer Auftritte und setzt sie wie Popstars, oft auch wie Karikaturen von Gangstern in Szene. Das ist dank Tom Hardy, der in einer Doppelrolle glänzt, immer unterhaltsam, aber dennoch weit entfernt von der Finesse eines "GoodFellas".
    "Legend": akzeptabel
    "Louder than Bombs" von Joachim Trier
    "Haben Sie dir erzählt, dass ich einen Artikel über Isabelle schreibe ...? – Ja, sie haben es mir gesagt. – Also, wenn ich den Artikel schreibe, werde ich wohl notgedrungen auch erwähnen müssen, ... dass es eigentlich kein Unfall war."
    Drei Jahre sind vergangen, seit die Kriegsfotografin Isabelle Reed bei einem Verkehrsunfall ums Leben kann. Anlässlich einer Ausstellung mit ihren besten Bildern werden Isabelles Mann Gene und ihre Söhne Jonah und Conrad noch einmal mit dem Verlust der Ehefrau und Mutter konfrontiert.
    "Louder than Bombs" beschreibt die Folgen, die Isabelles Tod für die Familie hat. Dazu bedient sich der Film einer klugen Erzählstruktur, indem er die Figuren aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und immer wieder auch Erinnerungen an Isabelle in kurzen Rückblenden sichtbar macht.
    "Hi! – Hi! ... Ich habe beschlossen, dass ich gleich zum Flughafen fahre. – Ja? Hast du dich wieder mit Dad gestritten? Warum lasst ihr euch nicht endlich scheiden? Bringt es hinter euch!"
    Wie sich die verschiedenen Zeitebenen und Perspektivwechsel hier zu einem Gesamtbild zusammenfügen, macht "Louder than Bombs" zu einem vielschichtigen und berührenden Film über Trauer und ihre Bewältigung. Ein Verdienst nicht nur der Regie, sondern auch der exzellenten Darstellerriege, zu der unter anderem Gabriel Byrne und Isabelle Huppert zählen.
    "Louder than Bombs": empfehlenswert