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Regiedebüt, Spurensuche und psychische Störung

Immer wieder wagen sich Schauspieler auf den Regiestuhl. Nun kommt Russell Crowes Regiedebüt "Das Versprechen eines Lebens". Außerdem starten die beiden deutschen Produktionen "Hedi Schneider steckt fest" von Sonja Heiss und "Die abhandene Welt" von Margarethe von Trotta.

Von Jörg Albrecht | 06.05.2015
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    In Margarethe von Trottas (r.) "Die abhandene Welt" spielt Katja Riemann (l.) die Protagonistin. (imago stock&people)
    "Ich glaube, wir sind nah dran, Kumpel. Ich glaube, wir sind nah dran."
    Ein Mann auf der Suche nach einer Wasserader. Eine Wünschelrute weist dem von Russell Crowe gespielten Joshua Connor dabei den Weg.
    Zusammen mit seiner Frau lebt der Farmer in der australischen Steppe. Vier Jahre sind vergangen, seitdem alle drei Söhne der Connors nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt sind. Die drei sollen 1915 während der Schlacht auf der türkischen Halbinsel Gallipoli gefallen sein.
    Als sich dann auch noch Connors Frau, die sich von dem Schicksalsschlag nie erholt hat, das Leben nimmt, bricht der Farmer zu einer Reise in die Türkei auf. Um mit der Vergangenheit abschließen zu können, muss er selbst Gewissheit haben, was mit seinen Söhnen geschehen ist. Vor allem kann Connor nicht mit dem Vorwurf seiner Frau leben. Kurz vor ihrem Tod hatte sie ihm noch vorgehalten, dass er zwar in der Lage sei Wasser zu finden, nicht aber seine Söhne.
    "Vielleicht können Sie mir helfen. Ich will nach Gallipoli. - Sie müssen zum Britischen Kriegsministerium in die Altstadt. Und ich würde meine Tasche im Auge behalten. Sind gewitzte kleine Scheißer hier."
    Spätestens wenn unmittelbar nach seiner Ankunft im heutigen Istanbul erst ein kleiner türkischer Junge und kurz danach auch noch dessen Mutter das Herz des Australiers erobern, spürt es der Zuschauer genau: Russell Crowe, der nicht nur die Hauptrolle in "Das Versprechen eines Lebens" übernommen hat, sondern auch erstmalig auf dem Regiestuhl saß, will uns die Geschichte als gefühlvolles Drama verkaufen mit einem Hauch Abenteuer, Romantik und Kaffeesatzleserei.
    "Geben sie acht! Ihr Schicksal ist da drin. Ein dummes Bauernspiel. Sie müssen ihn vorher trinken. Und das funktioniert?"
    Schon oft war Russell Crowe als Getriebener, der eine Last auf seinen Schultern trägt, die Idealbesetzung. Hier aber - in seinem Regiedebüt - bleibt er genauso blass wie alle übrigen viel zu oberflächlich gezeichneten Figuren. Der vor wenigen Tagen verstorbene Kameramann Andrew Lesnie zeigt die Spurensuche in der Türkei zwar in hübschen Bildern, aber so richtig packen will sie einen nicht.
    "Das Versprechen eines Lebens": zwiespältig
    "Kannst du nicht nach New York fliegen und nach ihr suchen? - Ich kann doch nicht einfach eine wildfremde Frau besuchen, nur weil sie zufällig meiner Mutter ähnlich sieht. - Da wird dir schon was einfallen."
    Eine weitere Spurensuche. Margarethe von Trotta schickt Katja Riemann als Nachtklubsängerin Sophie in die USA, wo sie eine von Barbara Sukowa gespielte Opernsängerin aufsuchen soll. Sie und Sophies kürzlich verstorbene Mutter weisen eine so frappierende Ähnlichkeit auf, dass es kein Zufall sein kann. In New York wird ein lange gehütetes Familiengeheimnis ans Licht kommen und die Verwirrung ist komplett.
    "Evelyn, meine Evelyn. - Ich bin doch Caterina, deine Tochter. - Wer ist Evelyn? - Evelyn ist meine Mutter. - Und Sie? Wer sind Sie? - Ich bin Evelyns Tochter. Von jetzt an wird sie mich immer für Ihre Mutter halten. - Sie ist auch deine Mutter. Jetzt kapier das doch endlich mal!"
    Was man dagegen schnell kapiert bei Margarethe von Trottas Film "Die abhandene Welt" ist das Unvermögen der Regisseurin, die Schnitzeljagd auch nur ansatzweise fesselnd oder wenigstens glaubhaft zu gestalten. Diese Spurensuche erinnert in Inhalt und Gestaltung an eine altbackene Seifenoper. Die Filmemacherin springt unrhythmisch von einer Szene zur nächsten und sorgt zudem immer wieder für unfreiwillige Komik mit ihren hölzern agierenden Figuren.
    "Was sagt dein Freund dazu? - Wir haben uns getrennt. Vor genau einer Minute. - Ach, das tut mir leid."
    Leid dürfte es einem auch um die abhanden gekommenen 100 Minuten tun.
    "Die abhandene Welt": enttäuschend
    "Weißt du, wenn es mir schlecht geht, dann gehe ich mal eben kalt duschen."
    Mit einer kalten Dusche wie bei ihrer Mutter ist es bei Hedi nicht getan. Wie ein Blitz hat sie sie die Angststörung getroffen. Mitten beim Sex mit ihrem Freund ist es passiert. Hedi erleidet eine Panikattacke. Ihre Angst wird zum Dauerzustand und zur Belastung vor allem für Hedis Freund und ihren kleinen Sohn.
    "Sie glauben also, dass das so eine Art Eindringling in Ihrem Gehirn ist? - Ja genau. - Sie haben nur Angst, Frau Schneider. Sie haben Angst vor der Angst. Ja, ich verstehe nicht, wie ich keine Angst haben soll, wenn ich mir die ganze Zeit vorstelle, ich ende im betreuten Wohnen oder wie in ´Einer flog über das Kuckucksnest'."
    Dass Regisseurin Sonja Heiss dem Heiteren den Vorzug gibt, ist die Besonderheit von "Hedi Schneider steckt fest", einem Film über eine psychische Störung. Wie die von Laura Tonke gespielte Protagonistin von jetzt auf gleich aus ihrem Alltagsleben gerissen wird, sorgt für absurd-komische Momente. Diese haben glücklicherweise nicht den Charakter beliebig aneinandergereihter Sketche, denn Sonja Heiss hat lebensnahe Figuren entworfen. Man muss die immer etwas infantile Hedi Schneider nicht mögen - ja sie nervt sogar bereits gehörig in den Szenen vor dem Ausbruch ihrer Angststörung. Aber das gehört mit zum Konzept dieser tragikomischen, vielleicht etwas zu spröde inszenierten Charakterstudie.
    "Hedi Schneider steckt fest": akzeptabel