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Sinnsucher im Kino

Wie geht man damit um, wenn man todkrank ist? Was hält das Leben zusammen, wenn es existentiell gefährdet wird? Dies - und überhaupt die Frage nach dem Sinn des Lebens - ist in der kommenden Woche gleich in drei deutschen Filmen das Thema.

Von Rüdiger Suchsland | 19.10.2014
    Filmset von "Hin und Weg" Drehbuchautorin Ariane Schröder (ganz rechts) neben Jürgen Vogel
    Filmset von "Hin und Weg": Drehbuchautorin Ariane Schröder (ganz rechts) neben Jürgen Vogel. (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    "Im letzten Jahr habe ich - obwohl ich gar nicht wusste, dass der Krebs so weit fortgeschritten war - dauernd gedacht: Das ist das letzte Mal, dass Du das machst. Du stirbst."
    Wie geht man damit um, wenn man todkrank ist? Was hält das Leben zusammen, wenn es existenziell gefährdet wird?
    Dies und überhaupt die Frage nach dem Sinn des Lebens ist in der kommenden Woche gleich in drei deutschen Filmen das Thema. Und wie interessant: Immer zeigen diese Filme Deutsche im Ausland. Wie schon zu jenen Zeiten der Romantik, als vor rund 200 Jahren die deutschen Dichter die Wahrheit mit der Seele suchten, und sie vor allem in der Ferne fanden, in Griechenland oder wie Eichendorffs Taugenichts in Italien - so zieht es auch die deutschen Filme und ihre Protagonisten in die Ferne. Im deutschen Kino werden Reisen und der Urlaub in der Fremde gern zum Katalysator für Seelenschmerzen.
    Jetzt reist der Münchner Regisseur Severin Winzenburg mit der Schriftstellerin Jutta Winkelmann, ihrem Lebensgefährten Rainer Langhans, als Ex-Insasse der legendären "Kommune 1" ein deutsches Hippie-Idol, und mit zwei weiteren Frauen von dessen Münchner "Harems"-Lebensgemeinschaft nach Indien. Sie ist zum zweiten Mal an Krebs erkrankt, und sucht Trost, Spiritualität, womöglich Sinn:
    "Where do you come from?" - "Germany." - "Germany you have big money." - "Big money. Money doesn't make happy."
    "Good luck finding yourself" ist ein sensibler, oft auch ironischer Film, eine kontemplative Reise in einen Ort des extremen Lebens im indischen Subkontinent. Nicht zuletzt durch die Pascha-Allüren des 68ers Langhans wird er auch zu einem Generationenporträt der anderen Art:
    "Du musst eigentlich zum Arzt, [...] weil du so extrem asozial lebst." - "Der blöde Arsch von Rainer, der dauernd meint, einem sagen zu müssen, was man zu tun hat."
    Reise nach Ostende
    Ganz in die Nähe reisen die Figuren von Christian Züberts Spielfilm "Hin und weg". Es ist eine Handvoll Freunde, alljährlich machen sie eine Radtour, in diesem Jahr nach Belgien:
    "Also nach Ostende sind 580 Kilometer, wir wollen noch zu Jens, wir wollen anständig saufen, fahren wir los!"-"Wer fängt an?"
    Doch diesmal wird es für einen von ihnen die letzte Reise sein. Denn einer der Radler ist todkrank und will in Ostende sterben. Mit der Frage des Rechts auf ein freigewähltes, sanftes Sterben im Angesicht grausamen Qualtods, bei dem den Ärzten in Deutschland von ihren Verbänden und den Kirchen enge Grenzen gesetzt werden, greift Zübert ein wichtiges Thema auf, das in den letzten Wochen durch Gesetzesinitiativen, Zeitungskommentare und Interviews wieder überraschend aktuell geworden ist. Nicht um den Sinn des Lebens geht es, sondern um den Sinn von Leiden, und die Frage, wie man seine letzten Lebenstage verbringt, wenn man weiß, dass nur noch wenige bleiben.
    "Ich wollte einfach ein letztes Mal mit meinen Freunden abhängen, und nicht die ganze Zeit an diese Scheißkrankheit denken."
    Ästhetisch ist der Film seinem anspruchsvollen Thema aber leider nicht gewachsen: Bedeutungshuberei statt Ernst, Lärm statt Stille, platter Humor statt feinem Witz - über 90 Minuten entwickelt sich das Drama in höchst berechneten und entsprechend vorhersehbaren Wendungen. Papierne Drehbuchsätze entfalten Gefühlskitsch und Klischees. Für den Betrachter eine Erfahrung zum Fremdschämen - allein die hervorragenden Schauspieler, insbesondere die immer wieder glänzende Julia Koschitz beleben diesen Feel-Good-Film über den Tod, der auf die Abgestumpftheit des Massenpublikums setzt.
    Mexikanische Volksmusik bei Doris Dörrie
    Auch aufs Massenpublikum setzt Doris Dörrie - aber geschmackvoller. Die Münchner Regisseurin war in ihren Dokumentarfilmen schon immer besser als als Spielfilmautorin.
    In "Dieses schöne Scheißleben" porträtiert sie die mexikanische Volksmusik der "Mariachi" - Leben und Tod, Glück und Sterben liegen in dieser katholisch-exzessiven Musik dicht beieinander. In Dörries Film geht es allerdings um die seltenen weiblichen Mariachi - typische Beispiele für Frauen in Männerberufen. Und es geht um einen bestimmten Tag: Den "Día de los Muertos", den Tag des mexikanischen Totengedenkens.
    Dörrie hat vor allem mit der Handkamera gefilmt: Ein expressiver, nicht nur für Lateinamerika-Interessierte hoch informativer Dokumentarfilm, der trotzig das Leben und die Macht des Hier und Jetzt feiert im Angesicht von Elend und Tod:
    "Was ist das richtige Leben? Sterben lernen."