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Tarantino, Entwicklungshilfe in Bars und der richtige Taktstock

Mit "The Hateful 8" bringt Quentin Tarantino seinen achten Film auf die Leinwand. Wie immer mit explosivem Gemisch und Gewaltorgien. Thema ist der Amerikanische Bürgerkrieg. Weitere neue Filme: "Das Wetter in geschlossenen Räumen" und "Dirigenten - Jede Bewegung zählt!"

Von Jörg Albrecht | 27.01.2016
    Regisseur Quentin Tarantino bei der Deutschlandpremiere "The Hateful Eight" in Berlin
    Regisseur Quentin Tarantino bei der Deutschlandpremiere "The Hateful Eight" in Berlin (imago / pixelpress)
    Am Wochenende ist das Filmfestival Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken zu Ende gegangen. Den Hauptpreis beim bedeutendsten Festival für den jungen deutschsprachigen Film hat der Österreicher Stephan Richter gewonnen für sein Jugenddrama "Einer von uns", das bislang noch keinen Starttermin hat. Im Gegensatz zum Eröffnungsfilm des diesjährigen Festivals: Isabelle Stevers "Das Wetter in geschlossenen Räumen" mit Maria Furtwängler in ihrer ersten Kinohauptrolle läuft diese Woche bundesweit an – genauso wie der Dokumentarfilm "Dirigenten – Jede Bewegung zählt!" von Götz Schauder. Außerdem startet Quentin Tarantinos Western "The Hateful 8". Es ist sein achter Spielfilm. Die Zehn will Tarantino noch vollmachen, bevor er dann seinen Job als Filmemacher quittieren will, um sich anderen Aufgaben zu widmen.
    "Einer von denen ist nicht das, was er vorgibt zu sein."
    "Was ist er dann?"
    "Einer, der mit der da unter einer Decke steckt."
    Jetzt wäre der Scharfsinn eines Hercule Poirot gefragt. Nur fehlt von einem Detektiv seines Kalibers in Quentin Tarantinos achtem Film jede Spur. Schließlich ist "The Hateful 8" ja auch ein Western – allerdings mit einer Figurenkonstellation, wie man sie aus den Kriminalfällen von Agatha Christie kennt oder auch aus Tarantinos Erstling "Reservoir Dogs".
    Mehrere Personen – in diesem Fall sieben Männer und eine Frau – sind über viele Stunden an einem Ort versammelt. Keiner traut dem jeweils anderen über den Weg. Schauplatz ist eine Hütte, in der ein Kopfgeldjäger mit seinem Fang Zuflucht vor einem Schneesturm gefunden hat.
    Drei Stunden, zwei in einer Hütte
    "Und was hast du zu all dem zu sagen?" Er hat absolut recht. Mit einem von denen stecke ich unter einer Decke. Und wir warten nur darauf, dass ihr eingeschlafen seid. Und dann töten wir euch alle."
    Wie üblich wird Quentin Tarantino das explosive Gemisch auch hier in einer völlig überzogenen Gewaltorgie in die Luft gehen lassen. Aber der Weg dorthin verlangt Durchhaltevermögen, denn "The Hateful 8" dauert drei Stunden – und fast zwei davon spielen in besagter Hütte.
    "Nichts für ungut, Cowboy! Ich wollte nur deine Aufmerksamkeit."
    "Du hast sie. ..."
    Tarantino lässt sein Personal wie gewohnt plappern über Gott und die Welt. Aufhänger ist der Amerikanische Bürgerkrieg, der nur wenige Jahre zurückliegt. Inhaltlich ist der Diskurs über Recht, Rassismus und Gewalt mal pointiert, mal beliebig. Formal dagegen ist der Film über weite Strecken absolut brillant.
    "The Hateful 8": empfehlenswert.
    "Frau Nagel? Fesch. Ich würde jetzt auch lieber beim Frisör sitzen."
    "Meine Frisur gehört zu meiner Arbeit."
    Gutes Aussehen ist ihr Kapital. Das verbindet die Schauspielerin Maria Furtwängler mit ihrer Figur, die sie in "Das Wetter in geschlossen Räumen" spielt. Auch bei Dorothea Nagel, einer deutschen Entwicklungshelferin, die für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen arbeitet, muss die Frisur sitzen. Denn Nagels Wirkungsstätte sind die Bars und Lounges nobler Herbergen in Krisengebieten. An diesen Orten wirbt sie bei Diplomaten und Politikern für finanzielle Unterstützung der von ihr angeschobenen Hilfsprojekte.
    Es ist das Spannungsfeld zwischen dem vermeintlichen Altruismus der Protagonistin und ihrem dekadenten Verhalten, das Regisseurin Isabelle Stever interessiert. Das Vorbild für Dorothea Nagel soll eine Entwicklungshelferin sein, die während des Irakkriegs 2003 in einem Luxushotel wilde Partys gefeiert und Drogen konsumiert hat.
    Tue Gutes für deinen eigenen Lebensstil
    Es müsste doch spannend sein, so hat sich die Filmemacherin wohl gedacht, einmal hinter die Fassade eines Menschen zu blicken, der Gutes tun muss, um seinen eigenen Lebensstil zu finanzieren. Maria Furtwängler darf shoppen gehen, zu tief in die Flasche gucken und einen halb so alten Liebhaber in ihrer Luxussuite parken.
    "Ich habe keine Lust auf Party."
    "Ich auch nicht. Aber ich muss. Das ist mein Job."
    Das haben wir mittlerweile verstanden. Auch dass es eine Parallelgesellschaft gibt inmitten der Krisenherde dieser Welt. Nur worauf die Filmemacherin letztlich hinaus will, das bleibt ihr Geheimnis. "Das Wetter in geschlossenen Räumen" hat keine Zielvorgabe, keine Haltung. Wie man es besser macht, hat erst vor kurzem der Film "Zeit der Kannibalen" gezeigt: Eine Satire, in der das Handeln zweier Wirtschaftsberater seziert wird, die von einer Krisenregion in die nächste reisen.
    "Das Wetter in geschlossenen Räumen": ärgerlich.
    Es bleibt vielleicht – wie Sir Georg Solti einmal gesagt hat – ein Geheimnis, warum der eine dirigieren kann und der andere nicht. Allerdings muss einen das ja nicht davon abhalten, dieses Mysterium genauer zu hinterfragen. Der Filmemacher Götz Schauder hat genau dies in seinem Dokumentarfilm "Dirigenten – Jede Bewegung zählt!" getan.
    "Ein Dirigent muss eine Persönlichkeit sein, er muss eine persönliche Ausstrahlung haben. Nur so kann er das, was er empfindet, auf das Orchester übertragen. ..."
    So Karl Rarichs, Juror und Initiator des Sir-George-Solti-Dirigentenwettbewerbs, der alle zwei Jahre in Frankfurt stattfindet. Es ist der wichtigste Wettbewerb für Nachwuchs-Dirigenten. Fünf der insgesamt 24 Teilnehmer, die im Jahr 2008 angetreten sind, hat Götz Schauder in seinem Film porträtiert. Das Resultat sind spannende Einblicke in die Welt der Alphaweibchen und –männchen mit dem Taktstock in der Hand und ein wenig auch in die Absurdität von Wettbewerben.
    "Dirigenten – Jede Bewegung zählt!": empfehlenswert.