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Neue Filme
Von Kriegsveteranen und Macho-Cops

Flüchtlinge, Obergrenzen, Rassismus: Davon handelt der deutsche Cop-Film "Volt" und versucht einen Kommentar zur Gegenwart. Außerdem in den "Neuen Filmen": Eine Doku über die Suche nach neuen Methoden in der Unternehmensführung und die Geschichte eines Soldaten, der in die Mühlen einer PR-Maschine gerät.

Von Hartwig Tegeler | 01.02.2017
    Szene aus dem Film "Volt" von Tarek Ehlail
    Szene aus dem dystopischen Science-Fiction-Film "Volt" von Tarek Ehlail (©Felix Gemein/augenschein Filmproduktion )
    "Die irre Heldentour des Billy Lynn" von Ang Lee
    Outfit. Es geht um das Outfit dieser Kriegshelden bei der Halbzeitshow eines riesigen Football-Events. Patriotische Pflichtveranstaltung, meint die Producerin in "Die irre Heldentour des Billy Lynn", vor allem aber natürlich Show.
    "Was wir anhaben? Unsere Ausgeh-Uniform. - Nein, nein. Geht nicht. Ich ersaufe in Ausgeh-Uniformen. Ich brauche so ein bisschen mehr 'Ran an den Feind!'. Ihr Jungs steht im Rampenlicht! Mit Destiny's Child!"
    Soldat Billy Lynn hat im Irakkrieg versucht, einen verwundeten Vorgesetzten zu retten. Das macht den 19-Jährigen jetzt zum Helden und beschert ihm und seiner Einheit den heimatlichen PR-Feldzug. Ang Lee, Regisseur von "Brokeback Mountain" und "Life of Pi", seziert die absurde patriotische Vermarktung des Krieges und seiner vorgeblichen Helden, allesamt arme Jungs, deren einzige Chance, eine gesicherte wirtschaftliche Existenz zu bekommen, darin bestand, Soldat zu werden.
    Jetzt stehen Billy und seine Kameraden fassungslos vor dem Luxus und der Verlogenheit des Medien-Business. Was in diesen Soldaten vor sich geht, was damals im Irak in dem blutigen Gefecht tatsächlich passiert ist, möchte niemand wirklich wissen. Außer Billys Schwester Kathryn - wunderbar stur wie verletzlich gespielt von Kristen Stewart:
    "Ich mache mir Sorgen um dich."
    Billy geht wieder zurück in den Irak. Warum?
    "Ich habe mich dazu verpflichtet. - Zu was? Wir beiden wissen genau, wie es dazu gekommen ist. - Trotzdem, ich muss wieder hin, Kat. Ich gehe wieder zurück, Kat. Muss ich doch."
    Am Ende scheint Billy der größere Patriot als die Daheimgebliebenen. Womit wir beim grundsätzlichen Dilemma dieses und der anderen Hollywood-Filme über den Krieg sind: Auch wenn "Die irre Heldentour des Billy Lynn" mit 48 Millionen Dollar Produktionskosten im Budget-Mittelfeld liegt, muss dieses Geld wieder eingefahren werden. Zu viel Kritik, zu viel Antikriegsfilm irritiert zu viele Zuschauer. Das tut Ang Lee ihnen nicht an. Ein bisschen Kritik, ein bisschen Absurdität und Satirisches. Gut gespielt. Aber kein weiterer Störfaktor.
    "Die irre Heldentour des Billy Lynn" von Ang Lee - enttäuschend
    "Volt" von Tarek Ehlail
    "Zeitgleich zum Zugriff in der Transitzone hat es einen verdammten Blacky erwischt. Ich frage das nur einmal: Hat irgendwer zu dem Scheißdreck was zu sagen? Okay, gute Arbeit."
    Den Job der rabiaten Verstörung erledigt Tarek Ehlail in seiner dystopischen Science-Fiction-Phantasie mit dem Titel "Volt". Dass das, was "Volt" erzählt, in ferner Zukunft liegen würde, diesen Zahn ziehen uns die Weltereignisse in diesen Wochen. Deutschland. Oder die USA? Wo auch immer. Das Land hat an seinen Grenzen Transitzonen für Flüchtlinge eingerichtet. Entstanden sind rechtsfreie Ghettos, ab und an aufgemischt von brutalen Polizei-Sondereinsatz-Truppen. Bei einem Einsatz bringt Volt, gespielt von Benno Fürmann, einen Flüchtling um. Die Schuld zerstört ihn nun langsam, aber sicher.
    "Volt" ist ein dunkler Film, roh, der sich nicht um politische Korrektheit schert und eine Welt zeichnet, die den Protagonisten schon lange um die Ohren geflogen ist. Ein schmutziger Genrefilm, der sich suhlt in den coolen Fressen seiner Macho-Cops, der vibriert im Hip-Hop-Soundtrack. Doch Tarek Ehlail fördert in seiner Geschichte etwas zutage, das nahe unter der zivilisatorischen Decke unserer Gesellschaft brodelt. "Volt" ist voller Genreklischees - der Bulle verliebt sich natürlich in die Schwester des Toten -, aber "Volt" provoziert und hat eine grobe, vibrierende Kraft.
    "Volt" von Tarek Ehlail - empfehlenswert
    "From Business to Being" von Hanna Henigin und Julian Wildgruber
    Was Rudolf Wötzel in der Doku "From Business to Being" sagt, könnte man bei Bedarf in den falschen Hals bekommen. Der ehemalige Investmentbanker denkt - nach einem Burnout und der vollkommenen Umstrukturierung seines Lebens - über die Zukunft unserer Gesellschaft nach:
    "… letztendlich mit dem Hintergedanken, jetzt nicht eine Welt von Aussteigern zu haben, aber eine Welt von Menschen, die hinter dem, was sie tun, täglich stehen können."
    Hanna Henigin und Julian Wildgruber haben mit "From Business To Being" einen Diskurs-Film gedreht. Wissenschaftler, Manager und Ex-Manager, Meditationslehrer und Psychologen reflektieren über eine neue Unternehmenskultur. In den oberen Führungsebenen vieler Firmen ist inzwischen klar, dass alleiniges Profitdenken in restriktiven Autoritätsstrukturen Ideen und Kreativität verkümmern lassen und letztlich die Wirtschaftlichkeit und die Zukunft vieler Unternehmen gefährden.
    Wenn Führungskräfte heute beispielsweise Meditation oder Bewusstseinstraining in ihre Arbeit einbauen, so ist das kein esoterisches Steckenpferd, sondern geboren aus der Krise der Arbeitswelt, in der das menschliche Potential an seine Grenzen kommt. Die Frage nach den Methoden allerdings, mit denen sich Führungskräfte von heute aus den Klammern des Stresses befreien können, die kann man nach der Doku "From Business To Being" auch für sich selbst stellen, auch, wenn man nicht Manager ist.
    "From Business To Being" von Hanna Henigin und Julian Wildgruber - empfehlenswert