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Vor 50 Jahren gestorben
Eher ein Denker als ein Maler

René Magritte war ein Künstler, der jegliche Sehgewohnheiten auf den Kopf gestellt hat. Auf den ersten Blick wirken seine Bilder schlicht, doch das täuscht. Der belgische Surrealist hat mit dem Abbild einer Pfeife oder eines Apfels Bild-Ikonen geschaffen, derer sich auch die Werbung gerne bedient.

Von Anne Quirin | 15.08.2017
    Seitliche, schwarz-weiße Portraitaufnahme des belgischen Malers René Magritte
    Das Denken in Bildern sichtbar zu machen war der große Kampf des Malers René Magritte in der Nachkriegszeit. (dpa / BELGAIMAGE)
    Das hier ... ist kein Apfel. Ceci n’est pas une pomme. Oder die Pfeife. So realistisch Magritte sie auch gemalt hat, sie ist nicht mehr als Farbe auf Leinwand. Zitat Taschen Verlag: "Die berühmte Pfeife. Man hat sie mir zu Genüge vorgehalten! Und trotzdem. Können Sie sie stopfen? Nein, nicht wahr, sie ist nur eine Darstellung. Hätte ich unter mein Bild 'Dies ist eine Pfeife' geschrieben, hätte ich gelogen!"
    Uwe M. Schneede: "Es sind eigentlich immer Anregungsbilder, die uns nachdenken lassen. Vor allen Dingen über das Verhältnis von Darstellung, also Kunst, und Realität. Darstellung und Gegenstand."
    René Magritte, geboren am 21. November 1898 im südlichen Teil Belgiens, hat den Betrachter seiner Kunst vor Rätsel gestellt. Eine Lokomotive, die aus einem Kamin herausfährt. Ein schwebender Felsen. Oder ein Haus, das im Dämmerlicht von einer Straßenlaterne beschienen wird, obwohl der Himmel darüber taghell ist. Alltägliche Gegenstände, naturgetreu dargestellt, aber in mysteriösen Zusammenhängen.
    Der Kunsthistoriker Uwe M. Schneede: "Das war ja eines der ganz wichtigen und grundsätzlichen Vorhaben von Magritte, nämlich wie er selbst mal gesagt hat, das Vertraute wolle er ins Fremdartige zurückversetzen."
    Surrealismus faszinierte Magritte
    Ab etwa 1922 verfolgte Magritte dieses Prinzip. Damals sah er zum ersten Mal das Bild "Das Lied der Liebe" von Giorgio de Chirico. Es zeigt den Gipsabdruck eines antiken Apoll-Kopfes neben einem roten Gummihandschuh, im Hintergrund eine qualmende Lokomotive. Die rätselhafte Kombination faszinierte Magritte. Er knüpfte Kontakt zu den Surrealisten. Zunächst in Belgien, später in Paris, wo er mit seiner Frau Georgette drei Jahre lang lebte. Anders als Salvador Dalí oder Max Ernst ging es Magritte aber nicht darum, das Unbewusste im Freud'schen Sinne hervorzukitzeln.
    Uwe M. Schneede: "Denn seine Bilder bestehen ja nicht aus Träumen, sondern das sind Nachdenklichkeiten, Reflexionen über das Verhältnis zwischen Bild und Wirklichkeit und dies auf eine total übersichtliche, durchschaubare Art und Weise dargestellt. Das gibt es ja sonst im Surrealismus überhaupt nicht, dass in der Art der Darstellung nichts rätselhaft oder traumhaft ist. Die Malweise ist langweilig, er selbst hat einmal gesagt, sie sei akademisch und banal."
    Den französischen Surrealisten wurde die Malweise von Magritte, der auch als Werbezeichner arbeitete, zu plakativ. Als André Breton, Wortführer der Gruppe, 1947 die Internationale Surrealistenausstellung in Paris organisierte, wurde Magritte nicht eingeladen.
    Seine Wut über diese Missachtung entlud sich in einer Reihe von Gemälden und Gouachen, die nichts mit seinem sonst so disziplinierten Malstil gemein haben. Schlecht gemalte Akte, karikaturenhafte Porträts, die Nasen als Phallussymbol. Er selbst nannte die nur einige Wochen andauernde Phase "Période Vache", Kuh-Periode. Ausgerechnet mit diesen Bildern fand 1948 Magrittes erste Einzelausstellung in Paris statt. Das Publikum war schockiert und Magritte kehrte zurück zu seiner kühlen Malweise.
    Von der Philisophie inspiriert
    Uwe M. Schneede: "Er ist unter den Surrealisten derjenige, der am klarsten konzipiert und denkt. Er selbst hat einmal gesagt, er sei eigentlich eher ein Denker als ein Maler."
    Das Denken in Bildern sichtbar zu machen war der große Kampf des Malers in der Nachkriegszeit. Er suchte den Kontakt zu Philosophen wie Michel Foucault und stellte durch den gegenseitigen Austausch seine Gedanken auf die Probe. Auf die Pop Art und die Konzeptkunst hat Magritte damit großen Einfluss ausgeübt.
    Am 15. August 1967 starb René Magritte in Brüssel an Krebs. Der Sohn eines Schneiders und einer Hutmacherin hatte ein stets geordnetes Leben geführt. Er malte im Esszimmer, ohne den Teppich zu beschmutzen, war ein treuer Ehemann und kleidete sich korrekt mit schwarzem Anzug und einer Melone als Kopfbedeckung.
    Zitat Taschen Verlag: "Der Mann mit der Melone ist in seiner Anonymität ein Durchschnittsmensch. Und ich trage sie, ich bin nicht begierig darauf, mich hervorzuheben." Und übrigens hat Magritte lieber Zigarette als Pfeife geraucht.