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Neue Geldquellen
Unter Zugzwang

Die finanziellen Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Liga wachsen rasant. Unterklassige Klubs denken zunehmend darüber nach, Anteile an Investoren zu verkaufen.

Von Daniel Theweleit | 04.11.2017
    Geldscheine neben einer Kamera im Fußballstadion
    Die TV-Gelder werden zwischen der ersten und der zweiten Bundesliga ungleich verteilt. (imago sportfotodienst)
    Die zweite Liga ist in Aufruhr, denn die Zukunftsperspektiven haben sich für die Vereine massiv verändert im Jahr 2017. Absteiger aus der Bundesliga bekommen neuerdings in ihren ersten Jahren im Unterhaus erheblich größere Beträge aus dem Topf der Fernseheinnahmen als die übrigen Zweitligisten. Alle anderen Aufstiegsaspiranten geraten unter Zugzwang, weshalb eine intensive Suche nach neuen Geldquellen begonnen hat.
    Immer mehr Klubs werben um Investoren, so wie Wilken Engelbracht, der Finanzvorstand des VfL Bochum, wo der Weg zum Einstieg von externen Geldgebern vor wenigen Wochen auf einer turbulenten Mitgliederversammlung geebnet wurde: "Die Kernargumente aus unserer Sicht waren, dass man nicht die Augen davor verschließen darf, dass es in Zukunft für Vereine wie den VfL Bochum deutlich schwieriger wird einen Aufstieg zu realisieren, aber auch die Gefahr wächst, in der zweiten Liga auch mal nach unten in der Tabelle blicken zu müssen, aufgrund der auseinander gehenden Schere bei den TV-Geldern."
    Sollten demnächst langjährige Erstligisten wie der 1. FC Köln, Werder Bremen oder der Hamburger SV absteigen, werden sie mehr als doppelt so viel Geld in ihre Mannschaften stecken können wie alle Konkurrenten. Man kann diesen Mechanismus als Aufstiegsgarantie betrachten, wodurch die Bundesliga zu einer Art Closed Shop würde, der aus 20 bis 22 Vereinen besteht.
    Einige Vereine holen sich Investoren ins Boot
    Nun haben neben dem VfL Bochum auch Erzgebirge Aue und der 1. FC Kaiserslautern angekündigt, diese Lücke durch den Einstieg von Investoren schließen zu wollen. Anteile von Jahn Regensburg und dem FC Ingolstadt werden schon jetzt von Geldgebern gehalten, weitere werden folgen. Und fast immer gehen viele aktive Fans erstmal auf die Barrikaden. Denn die Gefahren sind groß, sagt Andreas Rettig, der Finanzvorstand des FC St. Pauli, der den Verkauf von Anteilen an seinem Klub kategorisch ausschließt. Rettig fürchtet die Gefahr, dass Verantwortliche "sich treiben lassen von kurzfristigen sportlichen Schwankungen und dass am Ende hier der Sportverantwortliche, wenn es um seinen eigenen Job geht, kurzfristig unvernünftige Dinge betreibt."
    Denn mit der Beteiligung eines Investors wird in der Regel nur eine einmalige Zahlung generiert. Geld, das oftmals direkt in den laufenden Betrieb fließt und ganz schnell verbraucht sein kann. Da Zweitligisten, die in den kommenden drei, vier Jahren nicht aufstiegen, möglicherweise für immer aus dem Kreis der Erstligakandidaten ausgeschlossen werden, ist der Druck enorm. Und damit steigt die Gefahr, Fehler bei den Beteiligungsgeschäften zu machen. Wobei es durchaus Modelle gibt, mit denen sich zumindest verhindern lässt, dass die Investoren sich einmischen, wie es beispielsweise der Jordanier Hasan Ismaik beim mittlerweile in der vierten Liga verschwundenen TSV 1860 München zu tun pflegte. So ein Szenario soll in Bochum durch bestimmte Satzungsparagraphen unmöglich sein.
    "Wir als VfL Bochum haben ganz klar gesagt, ja, eine wirtschaftliche Beteilung macht Sinn, aber die Hoheit, der bestimmende Einfluss muss immer vom Verein kommen, das ist bei uns ganz klar postuliert, und da wird auch nicht dran gerüttelt", sagt Finanzchef Wilken Engelbracht. Die viel diskutierte 50+1-Regel schreibt ja ohnehin vor, dass die Klubs nur in extremen Ausnahmefällen auch ihre Stimmenmehrheit abgeben dürfen.
    Investoren wären in der Tat hilfreich
    Und tatsächlich lassen sich wenige vernünftige Argumente gegen einen Investor finden, der Kommanditaktien ohne Stimmrecht erwirbt, der ein ehrliches Interesse am Wohlergehen des Klubs hat, auf eine Wertsteigerung zum Beispiel durch einen Aufstieg hofft, um seine Anteile irgendwann mit sattem Gewinn verkaufen zu können. Nur solch ein Investor ist gerade für einen Zweitligisten schwer zu finden. Zumal die Unsicherheiten der 50+1-Regel Investoren anlocken, die mehr wollen.
    Juristen glauben, man müsse nur gegen dieses Statut klagen, um es zu stürzen, und darin sieht Christian Müller, der bis 2010 in der Geschäftsführung der Deutschen Fußball-Liga saß und heute den Studiengang Sportmanagement an der Fresenius-Hochschule in Köln leitet, eine große Gefahr: "Man sieht dann eben auch in Hannover, dass dann schnell Anreize entstehen, nicht nur Kommanditaktien zu halten, die eben keinen Einfluss verkörpern, sondern dass dann irgendwann auch vielleicht auch mit der Spekulation auf einen Fall der 50+1 Regel man sich die Komplemetärgesellschaft unter den Nagel reißt, und damit hat man dann freie Fahrt und allen Einfluss."
    "Möglichkeit der Teilhabe"
    In Hannover hat Präsident Martin Kind bereits eine Ausnahmeregelung erwirkt, die es ihm möglich macht, die Mehrheit des Klubs zu übernehmen. Diese Perspektive ist hoch interessant, denn wer jetzt kleine Anteile ohne Stimmrechte kauft, ist in der Pole Position, wenn 50+1 fällt und die echten Filetstücke zu haben sind. In Bochum und bei vielen anderen Klubs ist das zwar nur möglich, wenn die Mitglieder zustimmen, aber eine Optimierung der 50+1-Regel, wäre der Schlüssel, um eine externe Einflussnahme grundsätzlich wirksam zu begrenzen. Ex-Funktionär Müller sieht die DFL hier dringend in Zugzwang:
    "Die Möglichkeit der Teilhabe für Menschen an dem Fußballklub in der Regel ja ihrer Region, das halte ich für ein ganz hohes Gut, das unbedingt schützenswert ist. Und wenn Investoren Fußballklubs übernehmen dürften, dann ist diese Möglichkeit der Teilhabe weg, dann sind sie nicht mehr Mitgestalter, dann sind sie nur noch Kunde, und ich finde, dass das, wenn man sich die Fußballkultur ansieht, ein so himmelweiter Unterschied ist, dass jedes Handanlagen an dieses Grundprinzip eine wirkliche Katastrophe ist."
    Allerdings ist unklar, ob die DFL das will. Denn jenseits der zweiten Liga wäre der Einstieg von Großinvestoren bei Klubs wie dem HSV, Eintracht Frankfurt oder Borussia Mönchengladbach eine Möglichkeit, die Bundesligaspitze wieder richtig spannend zu machen. Dieses Prinzip steckt nämlich hinter dem offenen Wettbewerb um die englische Meisterschaft, den sich viele Anhänger auch für Deutschland wünschen.