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Neue Grenzkontrollen
Ist Schengen veraltet?

Schweden und Dänemark haben vorübergehend die Grenzkontrollen wieder eingeführt. Droht nun die schleichende Demontage des Schengen-Abkommens? Klar ist: Die neuen Passkontrollen erschweren nicht nur Flüchtlingen das Weiterreisen.

Von Andreas Meyer-Feist | 05.01.2016
    Ein Polizist kontrolliert am Grenzübergang in Mittenwald (Bayern) die von Österreich nach Deutschland einreisenden Autos.
    Kontrollen anlässlich des G7-Gipfels in Elmau im Mai 2015: Ein Polizist am Grenzübergang in Mittenwald. (picture alliance / dpa/ Sven Hoppe)
    Schengen, ein malerischer Ort an der Mosel, ein paar Hundert Einwohner, viel Wein, das ganze in Luxemburg - ein Ort wie geschaffen für ein Museum, in der tiefste Vergangenheit lebendig wird. Nach der Devise: Ja, das hatten wir mal, schön war's. Vor etwas mehr als 30 Jahren wurden hier die Grundlagen für das scheinbar grenzenlose Reisen in Europa geschaffen. Ganz unauffällig im kleinen Kreis. Bürgermeister von Schengen war damals Roger Weber.
    "Es war nicht die große Sache. Deswegen haben die meisten Menschen auch geglaubt, das ist ein Vertrag, der vielleicht ein Jahr hält und dann werden die Grenzen wieder geschlossen."
    Heute pendeln hier jeden Tag tausende zwischen Deutschland, Luxemburg und Frankreich.
    "Man konnte sich damals nicht vorstellen, dass das eine Sache ist, die so erfolgreich ist."
    Das Gewimmel auf der Mosel-Brücke könnte zum Erliegen kommen, wenn auch hier Ausweise kontrolliert werden und Warten angesagt ist. Noch ist es längst nicht soweit am Dreiländereck. Ausszuschließen ist aber nichts mehr.
    Vorzeichen des Wandels
    Schengen könnte nach und nach demontiert werden. Die neuen Kontrollen in Schweden und Dänemark - Vorzeichen des Wandels. Vielleicht der Anfang vom Ende einer großen Idee, um die uns die Welt beneidet, warnt Luxemburgs Ex-Premier Jaques Santer:
    "Schengen hat sehr klein angefangen. Heute ist Schengen weltweit bekannt. Keiner hat geglaubt, dass daraus mal was Großes wird. Heute kommen Chinesen nach Schengen auf der Suche nach den Wurzeln Europas und der grenzenlosen Freiheit und wundern sich, dass Schengen nur ein kleines Dorf ist. Aber genau hier, am Ort der Grenzen, haben wir diesem Vertrag diese Bedeutung gegeben."
    1985: die Unterschrift unter das erste Schengen-Abkommen. Zehn Jahre später wurden Grenzhäuschen dicht gemacht. Am Anfang nur in Deutschland, Frankreich und den Beneluxstaaten. Schengen heute: Mehr als 20 Staaten sind dabei, nicht nur aus der EU: Auch die Schweiz, Liechenstein, Norwegen und Island sind dabei.
    "Mit der Entfernung der Grenzen, mit der Freiheit, von einem Land ins andere zu gehen, sind enorme wirtschaftliche Vorteile verbunden",
    sagt Jaques Santer,
    "aber die illegale Einwanderung, die mögliche Verletzung von Souveränitätsrechten einzelner Mitgliedsstaaten - das alles sind die Schwierigkeiten von Schengen."
    Schengens Zukunft in Gefahr
    Schengen funktioniert nur, wenn die Grenze um Schengen herum funktioniert. Als Ersatz für die Kontrollen im Inneren. Aber die Außengrenze funktioniert nicht. Und auch nicht die Arbeitsteilung der Schengen-Mitglieder. Italien, aber auch Griechenland haben ihre Pflichten auch als Druckmittel eingesetzt - wenn es um die vielen Flüchtlinge geht, die aus beiden Ländern in den Schengnraum drängen. Geht außen etwas schief, ist es nur eine Frage der Zeit, bis im Inneren reagiert wird - mit neuen sichtbaren Grenzen und Kontrollen.
    Ist Schengen am Ende? Jaques Santer, einer der besten Kenner des Schengensystemn sagt: Schengen ist unumkehrbar. Kontrollen wie jetzt in Schweden und Dänemark dürften nicht endlos sein:
    "Früher wartete man manchmal eine Stunde an der Grenze, heute unvorstellbar eigentlich. Niemand konnte so einfach hier wohnen und da arbeiten. Die Grenzen waren ein Hindernis für den EU-Binnenmarkt. Hindernisse. die dank Schengen beseitigt wurden".
    Was wird bleiben von Schengen? Vielleicht eine Art "Mini-Schengen" der Verlässlichen, um die Binnengrenzen wieder unsichtbar zu machen.