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Neue Handreichung für Kulturinstitutionen
"Wir befinden uns mitten in dem Kulturkampf von rechts"

Kultureinrichtungen in Deutschland werden immer stärker von Rechten bedrängt. Wie Theater damit umgehen sollten, erklärte Bianca Klose im Dlf. Haltung zeigen sei wichtig. Die Handreichung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin wurde im Deutschen Theater vorgestellt.

Bianca Klose im Gespräch mit Mascha Drost | 14.02.2019
    Projektleiterin Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, MBR, sitzt lächelnd an einem Tisch
    Bianca Klose, Projektleiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin („MBR Berlin")
    Mascha Drost: Wenn im Lohengrin geschmettert wird "Für Deutsches Land, das deutsche Schwert, so sei des Reiches Kraft bewährt!" – dann kann es einen geschichtsbewussten, aufgeklärten Opernbesucher schon mal schütteln, und jeder Opernregisseur muss sich mit der Frage herumschlagen, wie umgehen mit derart belasteten Stellen oder Stücken.
    Müsste man aber gar nicht – stattdessen sollte man mehr "Heimatliebe" wagen, und klassische deutsche Stücke so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit Deutschland anregen, das fordert zumindest die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt. Deutlicher wird der AfD-Politiker Marc Jongen, wenn er von einer "Entsiffung" auch des Kulturbetriebs spricht. Der Kulturkampf von rechter Seite ist in vollem Gange – und für Theater und andere Kulturinstitutionen ist es alles andere als einfach, sich dagegen zu wehren und dem etwas entgegenzusetzen.
    Eine neue Handreichung zum "Umgang mit dem Kulturkampf von rechts" soll da helfen, herausgegeben von der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin". Vorgestellt wurde diese Handreichung heute im Deutschen Theater Berlin, und ich hatte vor der Sendung Gelegenheit, mit einer der Autorinnen zu sprechen, Geschäftsführerin des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin, Bianca Klose.
    Bevor wir zur Gegenwehr kommen: In der Handreichung ist zu lesen, es ginge den Rechten weder um eine neue Kultur, noch um die Kritik einer bestehenden - worum geht es ihnen dann?
    Bianca Klose: Vereinfacht zusammengefasst geht es in diesem Kampf darum, die mühsam erkämpften ideellen wie auch materiellen Freiräume im Bereich Kunst und Kultur zu schließen. Die rechten, rechtspopulistischen Kulturkämpfer sagen das explizit, es geht nicht nur darum, den rot-grünen Kulturbetrieb zu entsiffen, sondern auch die Folgen von '68 rückgängig zu machen, nicht nur für eine nationale Revolution zu kämpfen, sondern auch für eine kulturelle Revolution zu kämpfen. Und die Beispiele sind sehr konkret und auch Grundlage unserer zahlreichen und in den letzten Jahren auch immens zugenommenen Beratungsanfragen.
    "Kultur soll im eigentlichen Sinne abgeschafft werden"
    Drost: Können Sie ein paar Beispiele nennen?
    Klose: Theater werden, nicht nur in Berlin, sondern bundesweit, für bestimmte Stücke angefeindet. Sie werden zum Teil auch aufgesucht, sie werden gestört oder durch die sogenannte "Wortergreifung" inhaltlich entführt. Das sind vor allem die sogenannten Identitären, die das in Berlin und an anderen Orten versuchen umzusetzen. Im Internet und auch in den sozialen Medien werden Hetze und Kampagnen gestartet, und die AfD, in den Landtagen und im Bundestag vertreten, versucht natürlich vor allem auf parlamentarischer und administrativer, aber auch juristischer Ebene Gelder zu streichen, also Gelder für Projekte im Bereich Kunst und Kultur. Sie versucht aber auch, größere Einrichtungen zu schließen. Das heißt, sie versuchen auch, politisch eben nicht gewünschte Inhalte, die Unterlassung zu erstreiten und letztlich eine kulturpolitische Wendung um 180 Grad durchzusetzen. Das war heute auch auf dem Podium, ganz offensiv wurde das vertreten: Kultur soll im eigentlichen Sinne abgeschafft werden. Und diese Beratungsanfragen aus dem Bereich Kunst und Kultur haben ja deshalb auch zugenommen, weil es auch eine gewisse Handlungsunsicherheit gibt bei dem einen oder anderen Projekt, bei der einen oder anderen Institution. Und da setzen wir als mobile Beratung gegen Rechtsextremismus an und sagen erst mal – und das klingt einfach, aber scheint wirklich ein guter Ratschlag derzeit zu sein –, sich erst mal nicht verunsichern zu lassen und ruhig zu bleiben und die eigenen Positionen auch zu überprüfen, zu schärfen, und vielleicht so gängige Begriffe wie Meinungsfreiheit, Toleranz, Demokratie und Freiheit zu untersetzen, zu schärfen, um auch gerade der rechten Enteignung und Umdeutung etwas entgegenzusetzen.
    Meinungsfreiheit für die Feinde der Meinungsfreiheit?
    Drost: Das sind ja geradezu Reizwörter, mit denen Sie da gerade hantiert haben. Die sollen sozusagen noch stärker herausgestellt werden, sollen das Profil der Institutionen schärfen?
    Klose: Wir sehen das immer wieder, ein Leitbild der Häuser, welche diese Begriffe noch mal ganz deutlich, auch untersetzt und offensiv nach außen trägt, macht deutlich, dass man selbstbewusst Haltung zeigt, dass man handelt, statt wegzusehen – und dass man sich bestimmte Begriffe nicht nehmen lässt. Und das beobachten wir ja auch die ganze Zeit. Es gilt natürlich auch, klare Grenzen zu definieren und darauf zu beharren, dass das auch ein Selbstwiderspruch ist, dass man da auch einer rechtspopulistischen Strategie auf den Leim geht, wenn man ausgerechnet den Feinden von Meinungsfreiheit genau diese Meinungsfreiheit auch einräumt.
    Drost: Theater- und Kulturinstitutionen werden ja nun auf ganz unterschiedliche Art und Weise von rechter Seite aus angegangen. Gibt es denn überhaupt so etwas wie einen Königsweg, eine allgemeingültige Lösung im Umgang damit?
    Klose: Nein, den gibt es so nicht. Das machen wir auch bei unserer Beratung immer wieder deutlich. Die Häuser, die Einrichtungen, die Projekte, die Bündnisse in dem Bereich Kunst und Kultur sind Experten in eigener Sache. Sie handeln eigenverantwortlich, sie sind verantwortlich für ihre inhaltliche Ausrichtung, für ihr Personal und letztlich auch für ihre Ressourcen. Und daran müssen sie sich orientieren, sie müssen genau schauen, wozu sind wir in der Lage. Eine Morddrohung zum Beispiel, eine Einschüchterung eines kleinen Projektes, das macht etwas mit den kleinen Häusern, mit den kleinen Theatern. Wenn die Schließung gefordert wird, sei es auch nur von der Opposition, da muss man genau hinschauen, wie geht das Team damit um, wie geht der Intendant damit um. Und da sagen wir immer, das entscheiden die Projekte, die Institutionen, die Häuser selbst, wir raten nur. Wir raten nur, wir zeigen verschiedene Wege auf, wir sprechen Empfehlungen aus, und die kann man darunter subsummieren, dass es Zeit ist, wenn es nicht schon stattgefunden hat, Haltung zu zeigen und zu widersprechen und zu handeln, statt wegzusehen, denn wir befinden uns mitten in dem Kulturkampf von rechts.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.